GB/D/USA 2019 · 109 min. · FSK: ab 12 Regie: James Kent Drehbuch: Joe Shrapnel, Anna Waterhouse, Rhidian Brook Kamera: Franz Lustig Darsteller: Alexander Skarsgård, Keira Knightley, Jason Clarke, Martin Compston, Kate Phillips u.a. |
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Romantik in Uniform |
Hamburg. Unmittelbare Nachkriegszeit. Es ist kaum Zeit vergangen seit den Bombardierungen und bewaffneten Kämpfen. Deutschland ist in die vier Zonen der Alliierten eingeteilt. Emotional versuchen die Menschen das Erlebte und die Verluste zu verarbeiten. Trümmerarbeiten scheinen dabei eine der zwanghaft aufbauenden Therapiemethoden zu sein. Niemandsland – The Aftermath stellt sich der Aufgabe, die emotionalen Schmerzen der Überlebenden des Zweiten Weltkriegs auf die Leinwand zu bringen und gewährt dabei einen schrecklich intimen Einblick.
In der englischen Besatzungszone Hamburg stehen die Gräueltaten des Kriegs unausgesprochen zwischen den englischen Soldaten und den Überlebenden des massiven Bombenangriffs auf die Stadt. Dennoch – im beschlagnahmten Herrenhaus leben der friedfertige Colonel Lewis Morgan (Jason Clarke) und seine reservierte Frau Rachael (Keira Knightley) zusammen mit den ursprünglichen deutschen Besitzern, dem gutmütigen Witwer Stefan Lubert (Alexander Skarsgård) und seine rebellische Tochter Freda (Flora Thiemann). Diese unwillkommene deutsch-englische Wohngemeinschaft bedient sich des hoffnungslos romantischen Klischees: während die Frau dem fremden Mann nach außen hin die kalte Schulter zeigt, ist in ihr bereits eine heiße Liebe zu ihm entfacht. Das moralische Problem des romantischen Dramas dabei: die Frau ist verheiratet. Zwischen Rachael und Stefan fängt es mit peinlich berührten Diskussionen an, es brodelt naive Anziehungskraft bei jeder Begegnung, und auch der leidenschaftliche Streit, der mit einem Kuss endet, geht über die Bühne. Selbst die anfängliche Abneigung der Tochter gegenüber der neuen Hausherrin und die anschließende familienähnlich Verbindung ist wie einem Dreigroschenheft entsprungen. Die leidenschaftliche Idylle scheint perfekt, als Rachaels Ehemann Lewis auf einer militärischen Mission außer Haus ist.
Realistisch herzzerreißend ist der Schmerz des verfremdeten Ehepaars um den Verlust ihres Kindes. Keira Knightley verkörpert die dunklen Momente einer trauernden Mutter so nachfühlend, dass sie einem in Mark und Bein gehen. Und auch Jason Clarke verleiht dem so scheinbar gleichgültigen Colonel und Ehemann hemmungslos erschütternde Emotionen, die ergreifendes Mitgefühl wecken. Neben Schmerz und Wut in privatem Rahmen zeigen die stationierten Engländer untereinander nur höfliche Fröhlichkeit. Auf der deutschen Seite des Niemandslandes herrscht hingegen betäubte Emotionslosigkeit.
Gegensätzlichkeiten betreffen nicht nur die extremen Gefühle der Figuren, sondern manifestieren sich auch durch die suggestive Farbgestaltung des Films. Szenen, die die Engländer bei Abendveranstaltungen und in Teesalons darstellen, werden in angenehm warme Farben gesetzt. Szenen, die die Deutschen bei ihren Trümmerarbeiten zeigen, in bedauerlich kalte Farben. Simpel bedient sich die Kamera zusätzlich des harten Kontrasts der Helligkeit. Entweder sind die Szenen so dunkel, als hätte der Krieg jede Art von Licht im Leben der Menschen ausgeknipst. Oder das Bild ist so blendend hell, dass jede Szene danach noch mehr an Licht verliert und an Trostlosigkeit gewinnt. James Kent (Testament of Youth, 2014) greift mit dieser unheilvollen entgegengesetzten Atmosphäre zu einer trivialen Visualisierungsmethode, an die unsere Augen schon allzu gewöhnt sind.
Akustisch setzt Niemandsland auf markerschütternde Töne und auserwählte Melodien. Geräusche von Schlägen, wie von der Axt beim Holzhacken, vom Kopf, der beim Sturz schonungslos auf den Boden prallt und Pistolenschüsse klingen hart ins Nichts. Musik, wie das Klavierstück »Clair de Lune« oder ein Ariengesang vom Grammophon, schallt inbrünstig durch das Herrenhaus und romantisiert die klischeehafte Beziehung zwischen Rachael und Stefan. Bei der Enthüllung des Ehebetrugs untermalen schließlich spannungsgeladene Geigenklänge banal die Dramatik der blauäugigen Zuneigung – eine klangliche Technik, mit der unsere Ohren mehr als vertraut sind.
Zwar geben die Figuren nicht viel über ihre Gefühle preis, aber die Leinwand lässt mithilfe von überstrapazierten Methoden tief blicken. Die plumpe Inszenierung stellt die Dramatik in unspektakuläres Licht und entzieht der Geschichte jeglichen Reiz. Nur durch die Starbesetzung kann Niemandsland die bewegenden Emotionen, von denen die Menschen nach dem Zweiten Weltkrieg gebeutelt werden, in große Szenen zu setzen. So intensiv wir im Geschichtsunterricht die politische Vorgehensweise der Nachkriegszeit gelernt haben, so eindringlich begegnen wir hier dem seelischen Leid der Kriegsüberlebenden.