Miau und Wau

Chien et Chat

Frankreich 2024 · 88 min. · FSK: ab 6
Regie: Reem Kherici
Drehbuch: ,
Kamera: Dominique Fausset
Darsteller: Franck Dubosc, Reem Kherici, Philippe Lacheau, Inès Reg, Artus u.a.
Miau und Wau
Eine bizarre Hymne auf das Unzeitgemäße...
(Foto: Leonine)

Über den Mut zum Unsinn

Endlich mal wieder eine unkorrekte Komödie über Liebe, Tiere, Narzissmus und den Mut zum Unsinn – Reem Kherici wagt, was sich sonst keiner mehr traut, und verwandelt Kitsch, Chaos und Selbstironie in... Ja, in was eigentlich?

Es gibt Filme, die scheinen wie aus der Zeit gefallen – und bersten gerade deshalb vor geradezu subver­siver Gegen­wär­tig­keit. Miau und Wau von Reem Kherici ist ein Film dieser Art: eine Komödie, die das wagt, was man im deutschen Kino längst verlernt hat – aggres­sive Geschmack­lo­sig­keit, Über­zeich­nung, schamlose Senti­men­ta­lität – und daraus einen über­ra­schend erfri­schenden Film formt.

Kherici, die hier nicht nur Regie führt, sondern auch das Drehbuch geschrieben und produ­ziert hat, präsen­tiert eine Welt, in der die Grenze zwischen Mensch und Tier, Realität und Animation, zwischen Pathos und Parodie voll­kommen aufge­hoben ist. Ihr Film ist ein über­drehtes, absurd char­mantes Kammer­spiel aus Hund, Katze, Mensch – und einer Handvoll fran­zö­si­scher Neuro­tiker.

Die Geschichte beginnt wie eine harmlos senti­men­tale Haus­tier­komödie, doch schon nach wenigen Minuten kippt sie ins Anar­chi­sche. Ein Mädchen quält eine Katze, Witze über Behin­derte prasseln ungeniert nieder, ein Super­hel­den­po­li­zist mit Iden­ti­täts­störungen rettet und gefährdet zugleich die Ordnung, und dazwi­schen taumeln Männer und Frauen durch ihre eigenen Klischees. Kherici dreht das Schraub­ge­winde der Geschmack­lo­sig­keit so weit, dass es immer lust­voller zu knacken beginnt, – aller­dings nicht als Provo­ka­tion, sondern als Befreiung.

Was diesen Film so abgründig reizvoll macht, ist seine Gleich­zei­tig­keit aus Künst­lich­keit und Aufrich­tig­keit. Die Tiere – schlecht animiert, mit grotesk mensch­li­cher Mimik versehen – wirken wie aus einer längst und zu Recht verges­senen Fern­seh­land­schaft der Neun­zi­ger­jahre. Aber genau in diesem Billig­charme liegt die Pointe: Miau und Wau feiert nicht Perfek­tion, sondern den Fehler, die Lücke, die Abwei­chung. Kherici treibt ihren absurden Anthro­po­mor­phismus so weit, dass man ihn plötzlich als Kommentar auf das Kino selbst lesen kann – als Spiegel dessen, was passiert, wenn man der Fiktion zu sehr glaubt.

Und sie meint das mögli­cher­weise sogar ernst. Denn Miau und Wau ist zugleich auch ein Film über den Narzissmus unserer Gegenwart. Die Attacken auf die Influencer-Industrie, auf den sinn­ent­leerten Kult der Selbst­ver­mark­tung, treffen mit scharfem Witz und entwaff­nender Direkt­heit. Kherici zeigt die »Doppel­bö­dig­keit dieses Berufes«, die perfide Lüge des schönen Scheins – und sie macht das mit genau der Leich­tig­keit, die den Ernst ihrer Beob­ach­tung erst sichtbar macht. Dass die Regis­seurin sich selbst dabei keines­wegs schont, ist Teil des Charmes. Kherici besitzt im echten Leben so wie als Haupt­dar­stel­lerin in ihrem Film ebenfalls eine Maine-Coon-Katze namens Diva. Diva ist nicht bloß eine Neben­figur, sie ist eine Art Maskott­chen der Selbst­ironie: eine Diva, die Bücher »mitver­fasst«, eine Katze mit Celebrity-Status. Kherici parodiert also nicht nur die narziss­ti­sche Kultur ihrer Zeit, sie ist deren selbst­iro­ni­sches Symptom.

An ihrer Seite überzeugt Franck Dubosc, der hier einmal mehr zeigt, warum er zu den über­zeu­gendsten Komikern Frank­reichs zählt. Und das nicht nur vor der Kamera, sondern seit seinen Regie­ar­beiten Liebe bringt alles ins Rollen (2018) und Die Rumba-Therapie (2022) auch hinter der Kamera als Regisseur. Hier spielt er den alternden, leicht lächer­li­chen Superdieb mit jener Mischung aus Wehmut, Übermut und Slapstick­be­dürfnis, die an die großen Gestalten der fran­zö­si­schen Komödie erinnert – von Louis de Funès bis Jacques Tati.

Tatsäch­lich liegt dann hier auch die heimliche Stärke des Films: seine Nähe zur fran­zö­si­schen Tradition. In einer Zeit, in der Komödien sich meist in moralisch korrekten Selbst­ver­si­che­rungen erschöpfen, wagt Miau und Wau die Rückkehr zum Exzess, zum Slapstick, zum offenen Wider­spruch. Kherici nimmt die Mechanik der Farce ernst, und indem sie sie überdreht, rettet sie sie.

Und dann ist da noch dieses unver­hoh­lene, fast rührende Plädoyer für den »alten weißen« roman­ti­schen Blick: Junge Frauen, die sich in ältere Männer verlieben (und umgekehrt), nicht ironisch, nicht distan­ziert, sondern einfach, weil sie es wollen. Eine Konstel­la­tion, die man sich im deutschen Kino ohne woken MeToo-Beipack­zettel kaum mehr vorstellen kann. Kherici macht daraus keine These, sondern ein Gefühl – roh, verspielt, anar­chisch.

So entsteht, jenseits aller Albern­heit, eine kleine, bizarre Hymne auf das Unzeit­ge­mäße. Miau und Wau ist keine roman­ti­sche Komödie im klas­si­schen Sinne, sondern eine roman­ti­sche Groteske der Gegenwart – ein Film, der die Lächer­lich­keit der Liebe ebenso ernst nimmt wie ihre Notwen­dig­keit.