GB/USA 2025 · 170 min. · FSK: ab 12 Regie: Christopher McQuarrie Drehbuch: Erik Jendresen, Christopher McQuarrie Kamera: Fraser Taggart Darsteller: Tom Cruise, Ving Rhames, Simon Pegg, Hayley Atwell, Vanessa Kirby u.a. |
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Tom Cruise und die Welt am Abgrund... | ||
(Foto: Warner) |
»The Bottle may grant fleeting desires, but it can never fill the void within a man’s heart.«
– Der Flaschenkobold (The Bottle Imp) von Robert Louis Stevenson
Abschied nehmen ist immer schwer. Und Sterben erst recht. Das lässt sich natürlich am besten über Literatur und Filme und die großen Action-Franchises lernen, wo weder das Sterben noch das Abschiednehmen jemals gelingen will und das alte Hippie-Ethos des »Forever Young« sich fast schon wie ein parasitärer Virus ausgebreitet hat und bis ins Lächerliche eskaliert, denkt man etwa an die Opa-Arie von Fast & Furious 9. Der als letzter und achter Teil angekündigte Mission: Impossible – The Final Reckoning ist das aktuellste Beispiel dieses im Herzen natürlich auch zutiefst kapitalistischen Denkens. Nach Mission: Impossible – Dead Reckoning Teil Eins noch als zweiter Teil angekündigt, ist es irgendwie immer noch der zweite Teil. Aber dann doch jetzt auch nur noch The Final Reckoning und damit der achte Teil und nicht »7b«.
Um das klar zu machen und einen möglichen Abschied anzukündigen, der allerdings gleich nach der Premiere in Cannes ein wenig halbherzig von Christopher McQuarrie und Tom Cruise relativiert wurde, wartet Final Reckoning nicht nur mit einer Laufweite von fast drei Stunden auf, sondern auch mit einer fast einstündigen Grabrede auf die Vergangenheit, in der über Flashbacks das ganze Franchise mit all seinen Toten und verlorenen Chancen rekapituliert und beschworen wird, um dann dort weiterzumachen, wo Dead Reckoning aufgehört hatte, nämlich mit der Selbstermächtigung einer KI, die nur die »Entity« genannt wird und sich nach und nach der atomaren Abschussstationen aller Atommächte annimmt, bis irgendwann nur noch die USA übrig sind.
Das ist natürlich tagesaktuelles Material, wissen doch die Entwickler von ChatGPT gerade während der letzten Releases nicht immer, welchen Geist sie da aus der Flasche gelassen haben, so dass sie umso schneller und drastischer reagieren und zurückrudern oder ins Blaue springen müssen, um kleinere und größere Katastrophen zu verhindern. In Final Reckoning ist diese Kontrolle verloren gegangen und ist es eigentlich so wie in Robert Louis Stevensons Novelle Der Flaschenkobold: In der verzweifelten Suche die zehrende Leere unseres Herzens zu füllen, haben wir uns einer Macht verschrieben, die uns die Leere zwar versüßt, sie aber nicht abschafft, sondern einen immensen Preis dafür verlangt. Wie immens dieser Preis ist, zeigt Final Reckoning in ausgesprochen drastischen und wie für dieses Franchise gewohnt exquisiten Action- und Stunt-Sequenzen, die Tom Cruise trotz seiner 62 Jahre wie eh und je selbst erledigt und damit natürlich auch zeigt, dass das Forever-Young-Credo durchaus nachhaltig funktioniert und keinesfalls ein Hirngespinst ist.
Doch neben dem großen Spaß unter Wasser und in den Lüften und der sinnvollen Kritik an unserem leichtfüßigen Umgang mit der KI-Entwicklung drücken McQuarrie und Cruise noch auf einen anderen neuralgischen Punkt unserer unsteten Gegenwart, wird über die gewohnt destruktiven Einlassungen der Russen gezeigt, dass man auf dieser Welt, auf unserer Erde, wohl nie damit rechnen kann, dass alle Menschen jemals am gleichen Strang ziehen und es immer wieder Irre geben wird, die das Gute, so gut es auch scheinen mag, verdammen und für simple Selbstbereicherung in Form von Macht oder Geld alles tun, es zu zerstören.
Auch deswegen ist es natürlich unwahrscheinlich, dass auf dieser ganz und gar unmöglichen Mission der Menschheit das Prinzip Hoffnung und ein Franchise wie dieses abhanden kommen sollte. Denn den Geist wieder in die Flasche zu bekommen, ist, wie jeder weiß, schwieriger, als ihn daraus entlassen zu haben. Und das Kino gehört dabei natürlich durch »großes Kino« genauso gerettet wie unsere leeren, menschlichen Herzen.