Griechenland/D/IL 2015 · 117 min. · FSK: ab 12 Regie: Alexis Alexiou Drehbuch: Alexis Alexiou Kamera: Christos Karamanis Darsteller: Stelios Mainas, Adam Bousdoukos, Mimi Branescu u.a. |
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Film Noir aus Griechenland |
»Ich weiß, was Du denkst.« sagt der Erzähler, der auch die Hauptfigur ist, aus dem Off. »Aber es gibt diesen einen Moment, an dem sich alles entscheidet, an dem deine ganze Welt auf dem Spiel steht.« Ein Count-down, der uns Zuschauer über zwei Tage zu jenem Mittwoch um 4 Uhr 45 führen wird, der den Filmtitel bildet.
Stelios, ein Mann mittleren Alters und autorenfilmgemäß melancholischem Gesichtsausdruck, hat einen Jazz-Club. Dieses Lokal ist sein Ein-und-Alles,, auch wenn er sich auch noch liebevoll um seine Kinder kümmert. Vielleicht ist seine Liebe zu diesem Ort etwas zu stark, vielleicht ist Stelios auch einfach kein guter Geschäftsmann, wahrscheinlich sind unter anderem wieder mal die Banken, die Börse und die Staatsschuldenkrise schuld – jedenfalls ist Stelios verschuldet und
in der Not blöde genug, bei rumänischen Gangstern einen Kredit aufzunehmen. Das ist ein Fehler, denn natürlich kann er irgendwann nicht zahlen.
Wie kommt er da nur wieder raus? Das ist die so einfache wie folgenreiche Frage, die den Motor von Alexis Alexious Film Mittwoch 04:45 bildet.
In der Not und weil die Rumänen, zwar sehr eloquent und einfühlsam über das Leiden am Kapitalismus reden können, aber am Ende doch so, wie man es von ihnen zumindest im Kino auch erwartet, nicht zimperlich sind – Fingerquetschen und so –, überschreibt Stelios ihnen seinen Club. Weil das alles ja in Griechenland passiert – und hier bekommt der Film eine beinahe ironische Note – ist das Überschreiben aber gar nicht so einfach. Man braucht Formulare,
Unterschriften, die Bürokratie – ein griechisches Wort – führt zu immer neuen Wendungen und Windungen.
Man würde sich diesen Film gern zusammen mit Wolfgang Schäuble angucken.
Metapher – auch das ist ein griechisches Wort. Dieser Film ist eine ziemlich unverblümte Metapher auf die Lage Griechenlands in der Staatsschuldenkrise und auf die Austeritätsprogramme der EU.
Natürlich will jemand, der Geld verleiht, das auch wiederhaben, So weit kann man sogar die rumänische Mafia verstehen. Aber allein, dass Regisseur uns mal kurz darüber nachdenken lässt, wie groß die Ähnlichkeit wirklich ist, wo die Unterschiede liegen, oder ob es sich bei der
EU nicht auch nur um eine Art Geldverleiherbande mit recht brutalen Mitteln handelt, ist ein Verdienst dieses Films.
Aber nicht das einzige. Der 1976 geborene Regisseur Alexis Alexiou hat Geschmack und viel Stilgefühl. Darum gelingt es ihm, den gar nicht so malerischen Vorstädten von Athen prachtvolle dystopische Schauplätze abzugewinnen, die in regnerischen Nächten im Neonlicht so erstrahlen, wie die schönsten Film Noirs, jene amerikanischen Hardboiled-Krimis der Nachkriegszeit.
Auch der existentialistische Grundton der Handlung, der Dialoge und der Sprache des aus dem Off
erzählenden Stelios erinnern an Nachkriegs-Geschichten von Sartre, Camus und Moravia. Dazu passt auch die Melancholie, die Freiheit und die Coolness der Jazz-Musik, die hier fast etwas zu wenig erklingt.
Mittwoch 04:45 ist also ein Film Noir aus Griechenland, abseits der zu Recht so vielgelobten Neuen Welle des griechischen Kinos, die mit stillen, schrägen, schockierenden und in sehr produktivem Sinn penetranten Filmen in den letzten Krisenjahren auf Filmfestivals von sich reden machen.
Und diese Feststellung ist keineswegs als Tadel gemeint. Denn so stark dieses griechische Autorenkino auch ist – etwas Abwechslung kann es vertragen und
so ist es erfreulich, zu erfahren, dass es auch noch etwas anderes gibt in Europas südöstlichster Filmnation.
Die Ästhetik des Film Noir ist heute eine nostalgische. Sie beschwört die Erinnerung an analoges Kino und analoges Handeln, bei denen einer nicht tausend Fragen mitbedenken muss, sondern die Verhältnisse klar sind. Die Erinnerung ist in diesem konkreten Fall auch eine an das Griechenland vor der Finanzkrise, als man noch Schulden machen konnte, und in Saus und Braus lebte, als Stelios' Jazz-Club noch Geld verdiente. Wie alles ausgeht, muss man nicht verraten, um zu ahnen, dass es hart werden wird. Denn während die Dinge so im Schneckentempo voranschleichen, und die Rumänen den Druck erhöhen, trifft Stelios auf Omar. Der schuldet den Rumänen auch eine Menge Geld und hat, vermutlich weil er Albaner ist, noch ein paar zusätzliche Tricks auf Lager.