USA 1997 · 97 min. · FSK: ab 12 Regie: Barry Sonnenfeld Drehbuch: Ed Solomon, Lowell Cunningham Kamera: Donald Peterman Darsteller: Will Smith, Tommy Lee Jones, Linda Fiorentino, Vincent D'Onofrio u.a. |
Was wäre, wenn die Marsmenschen schon längst alle da wären und gut getarnt mitten unter uns lebten? Eigentlich keine abwegige Vorstellung. Bei einigen unserer Zeitgenossen lag der Verdacht der Außerirdischkeit ja schon immer nahe und dennoch haben wir uns an so manches gewöhnt. Witta Pohl etwa oder Patrick Lindner sind trotz ihrer Ekligkeit voll integriert, Leni Riefenstahl wird um Interviews gebeten, Peter Handke verkauft weiterhin Bücher mit kryptischem Inhalt und Gerhard Schröder ist sogar populär. Da muß sich die Kunst schon wahrhaftig viel einfallen lassen, um die Grausigkeit des Alltags vergessen zu lassen.
Die schwarzen Männer sind im neuen Film von Get Shorty-Regisseur Barry Sonnenfeld eigentlich schlichte Beamte der Zuwanderungsbehörde, die sich um die reibungslose Integration extraterrestrischer Flüchtlinge kümmern, welche seit 1962 stetig über ein Amt in Manhattan zuwandern und unter Tarnung auf Erden eine neue Existenz aufbauen. Einer der Agenten ist ein ausgebuffter Routinier
namens K. – mehr Name und Identität wird nicht gegönnt –, der andere, namens J., wurde aufgrund seiner Spontanität und Sportlichkeit kurzfristig aus dem Polizeidienst herausrekrutiert, um den geheimen Staatsangelegenheiten dienlich zu sein.
Tommy Lee Jones und Will Smith spielen die beiden Partner, gemeinsam müssen sie jeden eventuellen Verdacht auf außerirdische Lebensformen beseitigen, unter anderem mit Hilfe eines Gerätes, das das Kurzzeitgedächtnis
der Menschen auslöschen kann. Recht häufig wird der Apparat an Laurel, einer hübschen Pathologin (Linda Fiorentino) angewandt – meist nachdem diese gerade angefangen hat mit J. zu flirten. So begegnet sie J. immer wieder, kann sich aber nie erinnern.
Die aktuelle Gefahr besteht für J. und K. in einer außerirdischen Küchenschabe, die sich des Körpers eines Farmers bemächtigt hat und die Gegend unsicher macht. Es gibt also viel zu tun für die Agenten, und da K. schon lange daran denkt, in seine frühere Identität und zu der Frau, die er liebt, zurückzukehren, ist der Kampf gegen die Kakerlake auch seine letzte Aufgabe als 'Man in Black'. Seine Pensionierung erfolgt schließlich durch den Gedächtnislöscher. Er wird sich danach an seinen Job nicht mehr erinnern können.
Die Startnähe zur anderen Science-Fiction-Groteske, Das fünfte Element von dem Franzosen Luc Besson, drängt natürlich einen Vergleich auf. Beide sind recht nihilistische, aufwendige Comic-Filme, in denen die pure Lust am Unfug dominiert. Besson setzt bewußt allerhand Comic-Elemente ein, hat auch mit Branchengröße Moebius als Production-Designer zusammengearbeitet, und Men in
Black basiert auf den Heften von Lowell Cunningham. Während die Franzosen sich aber unbedingt dem Spektakel, den Effekten und der Geschwindigkeit hingegeben haben, sind es diesmal die Amerikaner, die sich die Zeit lassen, auch die Charakterzeichnungen ihrer schwarzgekleideten Agenten nicht zu vernachläßigen und dem bombastischen Computergraphik-Firlefanz noch kleine und feine komödiantische Schauspielerszenen hinzuzufügen.
So z.B. wenn J. seine
Agentenprüfung ablegen muß: Alle Kandidaten, abgesehen von J. lauter Mustersoldaten, müssen ihren Fragebogen auf komplett unbequemen, unpraktischen Sitzen ausfüllen. Die einzige wirkliche Prüfungsaufgabe aber besteht darin, sich als erster einen Tisch als Schreibunterlage heranzuziehen. Die absurde Situation mitsamt Pointe wird derart kunstvoll in die Länge gezogen, daß man sich durchaus an die lichtesten Momente von Jerry Lewis (auch so eine Comic-Figur) erinnert fühlen kann.
Auch Tommy Lee Jones hat große Momente, wenn er etwa im Gespräch mit einem Mops dessen Aussage durch kräftiges Schütteln erzwingt.
Im Kontext seiner skurrilen Rahmenhandlung läßt es sich Regisseur Barry Sonnenfeld nicht nehmen, von der Freundschaft zwischen dem alten Krieger K. und seinem Schüler J. zu erzählen, ohne dabei, wie es in Ami-Komödien ja üblich und ein Grundübel ist, sentimental zu werden. So dürfte Das fünfte Element auf die Schnelle eine wirkungsvollere Dosis sein, wenn man für dergleichen abgedrehte Albernheiten zu haben ist, Men in Black aber ist sicherlich eine gemächlichere Spinnerei, die sich womöglich sogar länger im Hirn hält.
Hier stirbt keiner den Heldentod, im Gegenteil: Will Smith alias Agent J findet alles nur verdammt cool. Schließlich hält er sich auch für die lässigste Type des Universums. Außerdem rappt er und kennt sich seit Independence Day im Genre aus. Genau der richtige Nachfolger für Agent K (Thommy Lee Jones), der langsam etwas melancholisch wird und gern seine seit Jahrzehnten darniederliegenden
sozialen Kontakte auffrischen möchte.
Diese nämlich sind den Männern in den schwarzen Anzügen verboten; sie müssen unauffällig sein, deshalb auch die Kluft: Wie alltäglich die ist, weiß man seit Tarantino. Wenn es doch mal eine Panne gibt, ist da noch so ein kleiner Apparat, mit dem man das Kurzzeitgedächtnis etwaiger Zeugen löschen kann.
J kann es gut mit den Wesen aus den fernen Galaxien. Da freut er sich über seinen Job als Geburtshelfer eines tentakeligen Babys, während der Kollege wichtigen Zeugenvernehmungen nachgeht. Die beiden müssen nämlich eine jüngst gelandete Riesenschabe ausfindig machen, den die ist hinter einer Mikrogalaxie her, die auf jeden Fall auf der Erde verbleiben muß, da anderenfalls die daraus resultierenden diplomatischen Verwicklungen unserem Planeten ein schnelles Ende bereiten
würden.
Ein Fall für MIB also, denn diese Behörde regelt das Leben der Außerirdischen bei uns. Sind diese brav und bleiben in ihren zugewiesenen Bezirk, gibt es keine Probleme. Mucken sie auf, werden sie liquidiert. Vor allem in New York fühlen sie sich zuhause, denn da war der Himmel der Erde schon immer am nächsten. Und beileibe nicht die Mehrzahl arbeitet als Taxifahrer.
J´s Lehrerin zum Beispiel kam vom Jupiter, vielleicht ist er auch deshalb im Eignungstest so gut, der in
erster Linie darin besteht, mit sehr langen Bleistiften in einem Eiersitz hockend einen Fragebogen ohne Unterlage auszufüllen. So kommt Will Smith in die Zentrale, von Bo Welch liebevoll in 60er Jahre Design gehalten, und wundert sich bald über gar nichts mehr. Nicht über die kleinen Wesen in der Kaffeeküche, nicht über beiden vielarmigen Überwachungsoffiziere, nicht über die Meldekartei, in der auch Stallone und Spielberg (der Produzent des Films) aufgeführt sind.
Überhaupt ist es die große Leistung des Regisseurs Barry Sonnenfeld, die Anwesenheit der Außerirdischen ganz selbstverständlich zu machen: Es ist halt so, die sind halt da. Daneben hat er ein wunderbares Gefühl für´s Timing: Kaum ein Gag wird überstrapaziert, und die Effekte von Industrial Light&Magic sind pointiert eingesetzt: Der alte Ford der scharzen Männer verwandelt sich einmal in ein Raketengefährt. Aber eben einmal nur.
Und selbst die Schabe ist uns
anfangs noch sympathisch: Da schimpft ein Farmer seine Frau – und flugs ist er tot, da das galaktische Insekt einen menschlichen Anzug braucht. Der paßt dann nicht so richtig, kneift und zwickt, und Vincent D´Onofrio hat den ganzen Film damit zu kämpfen.
Vielleicht funktioniert der Film auch deshalb so gut, weil es dem Zuschauer so geht wie der Pathologin, die immer die Leichen der Außerirdischen auf den Seziertisch kriegt: Deren Kurzzeitgedächtnis wurde schon so oft gelöscht, daß sie sich über nichts mehr wundert und schließlich auch bei der Behörde einsteigt.