USA/GB 2009 · 93 min. · FSK: ab 12 Regie: Grant Heslov Drehbuch: Peter Straughan Kamera: Robert Elswit Darsteller: George Clooney, Ewan McGregor, Jeff Bridges, Kevin Spacey, Stephen Lang u.a. |
||
Die Jedi-Ritter gibt es wirklich |
»Psychodelic Soldier« – sollte ursprünglich jener Film heißen, der dann als Apocalypse Now berühmt wurde. Francis Ford Coppola schildert darin bekanntlich den Vietnamkampf als inneres Erlebnis, zwischen Drogennebel und Gewaltrausch, als Transzendenz-Erfahrung. Dass dieser Film möglicherweise viel näher dran war an der Realität als man glauben mag, das belegt jetzt Grant Heslovs Männer, die auf Ziegen starren, ein Spielfilm, der in großen Zügen auf Tatsachen beruht und ein Kapitel der US-Kriegsführung ans Licht zerrt, das bislang übersehen, wohl auch bewusst in der Schamecke des historischen Gedächtnisses versteckt worden war: Die Geschichte der New-Age-Kriegsführung durch das »First Earth Battalion«.
Das Vertrauen in die Kraft des menschlichen Geistes ist derzeit nicht gerade hoch. Man vertraut lieber auf »die Gene«, Muskeltraining und Manipulation durch gezielten Medieneinsatz. Ganz anders bei der US-Armee. Man kann ja viel gegen die Jungs sagen, aber nicht, dass sie dort nicht offen für neue Ansätze wären. Jetzt erzählt ein Film diese Geschichte der New-Age-Krieger und LSD-Soldaten seit den sechziger Jahren.
Die Geschichte ist absurd, aber wahr; eine Komödie aus dem wahren Leben: Als der Westen die Hippies und bewusstseinserweiternde Drogen entdeckte, experimentierte auch das US-Militär an Möglichkeiten, um Kriege in Zukunft durch Telepathie, Okkultismus und Gehirnwäsche, durch die schiere Kraft der Gedanken zu gewinnen, und eine Gruppe von »Seher-Soldaten« mit spiritueller Kampfkraft auszubilden. Motto: »We'll be the first superpower to have superpowers!« Kein Witz: Durch Konzentration und Blickkontakt sollten beispielsweise Gegner getötet werden. Man versuchte die Methode zunächst an Ziegen – dies die Erklärung für den Titel. Grundlage des Film ist Jon Ronson’s Sachbuch-Bestseller des gleichen Titels. Dies hat man allerdings in eine Spielfilmhandlung destilliert: McGregor spielt den ehrgeizig-verzweifelten Reporter Bob Wilton. Als ihm seine Frau wegläuft, meldet er sich als Kriegsberichterstatter für den Irak. Durch Zufall lernt er bald den Ex-Soldaten Lyn Cassady (Clooney) kennen, der wie sich herausstellt, in den 80er Jahren einst Mitglied einer solchen späthippieesken geheimen paranormalen Kampfeinheit war, und sich heute für einen Jedi-Ritter hält. Immerhin bringt er Ziegen dazu, tot umzufallen, und Wolken zum Zerplatzen. Daher beginnt Wilton nun, die Geschichte von Cassady und seiner Einheit zu recherchieren – und wir mit ihm. In Form von ausführlichen Rückblicken begegnen wir dem »First Earth Battalion«. Die Details und ihre realen Hintergründe sind bis heute weitgehend im Dunkeln. Nichts Genaues weiß man nicht.
Bevor es zu niedlich wird, ist dies der geeignete Moment, daran zu erinnern, dass es weder die US-Amerikaner, noch die Nordkoreaner oder die Sowjets waren, die als erstes mit Parapsychologie experimentierten, sondern die Nationalsozialisten. Heinrich Himmler bereits liebte diese »Metaphysik der dummen Kerle« (Adorno), und ließ mit Esoterik experimentieren. Der horoskopgläubige Reichsführer SS hielt sich für die Reinkarnation des Slawenbezwingers Heinrich I. (919-936), verstieg sich in eine Mischung aus Esoterik, Alchemismus, Rassentheorie und Naturheillehre, und plante, nach dem Krieg seine ganze Truppe zu Vegetariern zu machen, außerdem alkohol- und nikotinfrei. Die SS-Mannschaften wurden zum Teil auch biologisch-dynamisch ernährt. In Nepal wurde nach dem Ursprung der arischen Rasse und nach Weisheiten zur spirituellen Kriegsführung geforscht. Mit Horoskop und Wünschelrute wurden militärische Einsätze vorbereitet, mittels Telepathie versuchte man getauchte U-Booten zu kontaktieren, Hellseher suchten nach Stellungen des Feindes.
Regie in Männer, die auf Ziegen starren führte Grant Heslov, Produzent und Co-Autor von George Clooneys zweiter Regiearbeit Good Night, and Good Luck. Die Hauptrollen spielen George Clooney und Ewan McGregor, in wichtigen Nebenrollen treten Jeff Bridges und Kevin Spacey auf.
Eine Zentralgestalt ist Bill Django: Jeff Bridges darf seinen ewigen »Dude« aus The Big Lebowski wieder aufwärmen, sein Django ist trotz eher kurzer Auftritte allerdings eine herrliche Figur: Nach einem Nahtoderlebnis in Vietnam dünstete er seinen Verstand in den heißen Dampfbädern des kalifornischen Big Sur, befreite ihn in buddhisten Gebeten und Maya-Tänzen und war dann allmählich fit für den spirituellen Kampfeinsatz. Man kann in dieser Biographie sehr wohl auch eine Metapher finden für ein Amerika, das sich vom Dummen zum Dümmeren, vom Schlechten zum Schlechteren bewegt. Daran fügt sich auch die Geschichte seines anfänglichen Gefolgsmannes, Larry Hooper (Kevin Spacey), der die Einheit dann irgendwann sabotiert, und in diesem Spiel die dunkle Seite der Macht verkörpert. Vielleicht muss man an diesem Punkt jener Geschichte über die Jedi-Ritter daran erinnern, dass auch »Lord Darth Vader« einst ein Jedi war. Im aktuellen Irak-Krieg jedenfalls foltert Hooper nun – mit Popmusik.
Trotz manchem, was man positiv über den Film bemerken kann, lautet das allgemeine Fazit: Männer, die auf Ziegen starren ist kurzweilig, aber oberflächlich, der Film reiht zwar anfangs Gag an Gag, ist aber schnell ermüdend, und läuft sich auf die Dauer tot. Denn alles erschöpft sich an der Ausgangsidee, über die der Film nie hinauskommt. Die Energie läuft auch filmisch ins Leere. Der Film ist nicht witzig genug, um wirklich als schrille Farce zu funktionieren,
und nicht ernsthaft genug, um seinem Gegenstand seriös gerecht zu werden. Genau genommen ist der Film auch gar keine Komödie. Schon bei spät-sechziger-Filmen wie Catch 22 und M*A*S*H kann man mit Recht die Frage stellen, ob das noch witzig ist, oder nur traurig. Der offene Sarkasmus und die Häre eines Films wie Dr. Seltsam nun fehlen diesem Film
völlig.
Wer darin nur ein Schelmenstück erkennt, übersieht jedenfalls eine ganze Menge. Zudem nun weiß man in diesem Fall, dass Musik allen Ernstes als Foltermethode eingesetzt wird – was nicht nur ein satirischer Kommentar zur US-Popkultur ist. Um mal ganz humorlos an die Sache heranzugehen: Die Verwandlung von Militär in einen Komödiengegenstand ist selbst nichts als Ideologie. Hollywood ist eine einzige Maschine zur Bewusstseinsteuerung, und dieser Film ist
selbst ein parapsychologisches Experiment. Denn was die US-Armee tut, ist größtenteils alles andere, als zum Lachen. Auch der vermeintlich grundgute Präsident Obama hat Guantanamo nicht geschlossen. Er hat die Folterpraktiken der CIA nicht offengelegt und die Verantwortlichen nicht bestraft. Insofern fragt man sich, was dieser Film soll? Wo steht er? Was ist sein Verhältnis zu den Fakten? So ist auch dieser Film selbst ein »Komplement zur Verdinglichung« (Adorno), mit dem
man sich übers schlechte Wirkliche durch die Klamotte zu trösten versucht.
»Das Böse hat die Macht übernommen«, heißt es am Ende des Films. Das ist eine Feststellung, kein Witz.