Lost in Translation

USA/J 2003 · 102 min. · FSK: ab 6
Regie: Sofia Coppola
Drehbuch:
Kamera: Lance Acord
Darsteller: Scarlett Johansson, Bill Murray, Akiko Takeshita, Kazuyoshi Minamimagoe u.a.
Verloren in Tokyo

Glaube, ?, Hoffnung

oder: Daheim ist der Fremde nur in der Fremde

Wenn Bobs japa­ni­schen Betreuer später mal die Abschieds-Grup­pen­fotos anschauen, werden sie merken, dass Bob auf jedem davon sehn­süchtig zur Seite schaut, auf einen fernen Punkt jenseits des Rahmens. Er schaut nach Charlotte, die, gerade als diese Erin­ne­rungs­bilder geknipst werden, in einem Aufzug verschwindet. Es ist ein Blick nach all der Hoffnung, die ihm da entschwindet. Charlotte ist für Bob die Verkör­pe­rung all der unge­nutzten Möglich­keiten in seinem Leben, der verpassten Chancen. Charlotte, deren Rücken­an­sicht, auf einem Bett liegend, den Film eröffnet wie eine sanfte, schöne, utopische Land­schaft, wird für Bob zum Glauben an die Denk­bar­keit von Heimat.

»More than this« singt Bob beim Karaoke – es muss mehr geben als das hier; irgendwo muss es sein, das große, wahre Glück. Bob Harris ist Holly­wood­star (und Lost in Trans­la­tion läßt ahnen: einer, der sich grade noch an den untersten Sprossen der A-Liga fest­klam­mert) – und weil der Auftritt in einem Werbespot in den USA für einen Filmstar dem Einge­ständnis gleich käme, nicht mehr in jener vorderen Riege mitzu­spielen, die sowas nicht nötig haben darf, verdient er sich wie viele seiner Kollegen ein Zubrot, indem er in Japan Reklame macht. Für Whiskey, von dem er auch privat was versteht; viel­leicht sogar mehr, als gut ist.
»More than this«: Bob ist berühmt – aber er ist es offenbar durch Rollen in Action­komö­dien mit Schim­pansen als Co-Star. Nachts, beim Zappen im Hotel, erwischt er einen seiner alten Streifen, und man hat das ungute Gefühl, dass er sich seinem eigenen Filmbild gegenüber kaum weniger fremd fühlen würde, wenn man diesem nicht auch noch eine japa­ni­sche Synchron­stimme verpasst hätte. Bob hat Frau und Kind – aus Amerika, von daheim, erreichen ihn mitten in der Nacht Faxe, kommen FedEx-Pakete an mit Teppich-Muster­s­tück­chen: Bizarre Fitzel­chen von einer Art Heimat­boden – seine Frau richtet sein Arbeits­zimmer neu ein, und man ahnt, dass es nie wirklich SEIN Raum sein wird, obwohl sie ihn zu all diesen Details um seine Meinung fragt. Da wird ihm irgendwo ein Zuhause gestaltet, das Bob von jenseits des Ozeans offenbar ganz irreal vorkommt.
»More than this«: Bob hat alles, was man angeblich so braucht zum Glück – Karriere, Familie – außer eben dem Glück selbst; er ist in einem Alter, wo er die Weichen nicht mehr funda­mental neu stellen können wird. Und er irrt in seinem Leben umher, als wüsste er nicht, wie er da eigent­lich rein­ge­raten ist und was ihm das alles bedeuten soll. (Keiner kann das so gott­gleich gut spielen wie Bill Murray, der in jedem seiner Blicke diese lako­ni­sche, amüsierte Distan­ziert­heit hat, mit der er selbst noch auf den eigenen Schmerz schaut.)

»More than this«: Diese Szene in der Karaoke-Bar, die ganze Sequenz um sie herum. Selten hat ein Film so perfekt das Gefühl einge­fangen, das man hat mit dem Geschmack von einem Bier zuviel, anderer Leute Ziga­ret­ten­rauch und bene­belten Diskus­sionen im Mund, wenn draußen die Sonne sich schon wieder bereit macht, den Horizont zu kitzeln, wenn man sich mitschleifen hat lassen auf Partys mit Leuten, die man nie wieder sehen wird, in einer Stadt, die einem fremd ist, und wenn man irgend­wann so neben sich steht, dass man sich plötzlich zu erkennen droht.
Lost in Trans­la­tion beherrscht ungeheuer eindrucks­voll die viel­leicht schwie­rigste Disziplin des Filme­ma­chens: Seine Bilder und Töne mit genau den richtigen, perfekt nuan­cierten und völlig authen­tisch schei­nenden Gefühlen, Stim­mungen aufzu­laden – und zwar nicht im Sinne der Emoti­ons­er­zeu­gungs­ma­schi­nerie Kino, sondern so, wie dies einem Photo­gra­phen, einem Maler gelingt, durch das Einfangen eines kompletten Moments. Sofia Coppolas Regie kapri­ziert sich weniger auf Erzähl­technik als auf (die Illusion der) Wahr­haf­tig­keit, lebt nicht von Schnitten – sondern von Bild­räumen, die nie als reine Kulisse, Hinter­grund insze­niert sind, sondern immer als Mit- und Wider­streiter für die Menschen in ihnen. Etwas sehr Uname­ri­ka­ni­sches hat dieser Stil, hat der wie hinge­tupfte, schwe­bende Grundton des Films, und von ganz ferne mag man bei Lost in Trans­la­tion sogar Jacques Tati herüber­winken sehen – in der Art, wie bloße Räume und Rhythmen hier in der Lage sind, Komik zu erzeugen, wie man sich beispiels­weise über eine sich auto­ma­tisch öffnende Jalousie amüsieren kann.
Das Verblüf­fende ange­sichts dessen, dass man es hier mit dem erst zweiten Langfilm einer jungen Regis­seurin zu tun hat, ist, wie sicher über die komplette Filmdauer stets genau die richtigen Noten getroffen werden – wobei dieser Stil sich ja keinerlei Unstim­mig­keit leisten könnte. Weil jeder Licht­strahl, jede Farbe, jede Rahmung einer Szene aber passt, kann sich Lost in Trans­la­tion ewig viele Worte sparen, kann die Details sprechen lassen. Die Sängerin in der Hotelbar zum Beispiel ist einfach so perfekt besetzt und insze­niert, entspricht so genau dem Typ, den man sich dort vorstellt, dass man meint, ihre ganze Geschichte zu kennen, ohne diese je auch nur im Ansatz erzählt zu bekommen: Das junge, recht hübsche, nicht unta­len­tierte Mädchen aus England oder Amerika, das von der großen Karriere träumt, heimlich Songs schreibt, erste, den großen Traum befeu­ernde lokale Erfolge feiert, das herum­tin­gelt, aber doch nie den rechten Durch­bruch schafft, irgendwie in Japan landet, diesen Job im Hotel kriegt – besser als nichts –, jeden Abend noch drauf hofft, entdeckt zu werden, sich immer einen Tick zuviel ins Zeug legt, das Publikum, das sie hier hat, halb liebt, halb verachtet, und das zusehen muss, wie ihr großer Traum Tag um Tag ein bisschen weiter wegschwimmt.

»More than this« könnte auch das Lied dieser Sängerin sein. Und es taugte als Lebens-Sound­track für Charlotte (Scarlett Johansson gelingt das große Kunst­stück, ganz natürlich zu wirken): Charlotte ist jung und jung verhei­ratet, hat das Leben noch vor sich und keine genauen Pläne dafür. Ihr Mann (Giovanni Ribisi), ein hipper Star-Fotograf, den sie anläßlich eines Shoots für eine japa­ni­sche Band begleitet – und in dem man nur zu leicht Züge von Sofia Coppolas Ehemann Spike Jonze entdecken zu können glaubt, des einstigen Videoclip-Meister, für den Sofia zu »Elek­tro­bank« von den Chemical Brothers so wunder­schön boden­ge­turnt hat – dieser Mann ist dauernd unterwegs, und das ist wohl sogar besser so, denn wenn sie zusammen sind, wird nur zu deutlich, dass sie überhaupt nicht die selbe Sprache sprechen. Er versteht sich viel besser mit einer alten Freundin aus L.A. (Anna Farris), die ihm hier in Tokyo zufällig über den Weg läuft – ein blonder Bimbo, ebenso wohl­mei­nend wie hohl, Schau­spie­lerin aus der aufstre­benden Gene­ra­tion, die bald Bob Harris aus dem Geschäft gedrängt haben wird. Ihr gegenüber fühlt Charlotte sich sichtlich unter­legen, was die modische Attrak­ti­vität, das unhin­ter­fragte, über­schäu­mende, lärmende Selbst­be­wusst­sein angeht, merklich überlegen in geistiger Hinsicht. Spätes­tens da fühlt sich Charlotte nicht minder allein und fremd als Bob, merkt, dass sie in einem Leben gestrandet ist, das doch nicht das ihre sein kann, und der einzige Unter­schied zu Bob ist, dass sie noch genug Zeit hätte, alles zu ändern.

»Strangers in the (Tokyo) Night«: Bob und Charlotte tauschen Blicke in der Hotelbar – und merken, wohl noch bevor sie ins Gespräch kommen, dass sie Seelen­ge­nossen sind. Ein paar Tage, Nächte ziehen sie gemeinsam durch Tokyo und Kyoto. Und führen Karl Valentins schönes Diktum, dass der Fremde nur in der Fremde fremd sei, ad absurdum: Lost in Trans­la­tion hat zwar einen hinreißend komischen Blick für japa­ni­sche Eigen­heiten. Aber Bob und Charlotte sind Fremde in ihren eigenen Leben, nicht nur in diesem Land – und gerade hier sind sie somit plötzlich bei sich, sind daheim. Denn hier ist es ihre recht­mäßige Rolle, die Außen­seiter zu sein, die Sprache und Gepflo­gen­heiten nicht zu verstehen. Das gibt ihnen Schutz und Freiheit, für ein paar entrückte, anonyme Tage das zu leben, was sie zwei­fels­ohne auch in Amerika fühlen. Fremd sind sie einge­zogen, fremd ziehen sie wieder aus, aber gerade in der Fremde können sie eine Weile von einer richtigen Heimat träumen.
Viel­leicht sind sie beide nur zu schüch­tern, viel­leicht ist die Gele­gen­heit nie perfekt genug, um auf die prak­ti­sche Probe zu stellen, ob zwischen ihnen beiden – »more than this« – mehr als diese intensiv-unver­bind­liche Freund­schaft mit Ausblick wirklich funk­tio­nieren würde. Aber wahr­schein­li­cher sind sie (ist Bob?) – und sei es unbewusst – weise genug zu wissen, dass es der Glauben an die Utopie ist, an die Möglich­keit von Heimat, den sie einander zu geben haben. Und nicht die Utopie, die Heimat selbst. Dass ihr Treffen bestimmt ist, ihnen die Hoffnung zurück zu geben, dass alles ganz anders hätte laufen können und viel­leicht eines Tages noch laufen wird.
»More than this?« Mehr als das wäre grandios. Aber dieser Glaube, diese Hoffnung sind schon verdammt viel.

P.S.: À propos »Lost in Trans­la­tion« – was bei der deutschen Synchro­ni­sa­tion zuvor­derst verloren geht, sind die Klan­gräume, die Einbet­tung der Stimmen in ihre Umge­bungen – steriler, künst­li­cher, distan­zierter wirkt dadurch unter­schwellig diese Fassung. Was das Schau­spie­le­ri­sche angeht, so wird Bill Murray noch verblüf­fend gekonnt nach­emp­funden; Scarlett Johansson muss sich dagegen mit einer dieser piepsig-tussigen Standard-Stimmen zufrie­den­geben, die hier­zu­lande allen Frauen unter 30 verpasst werden, und klingt damit um 10 Jahre unbe­darfter als im Original. Ziemlich schlimm hat es Giovanni Ribisi und Anna Farris erwischt, die jene entschei­denden Milli­meter über die Grenze zur Karri­katur rutschen, die der Film in Wahrheit bewusst vermeidet. Und grob miss­lungen ist die Sauna-Szene, bei der Bill Murray mit zwei deutschen Geschäfts­män­nern schwitzt. In der Synchro sind das nun zwei Öster­rei­cher in sehr amateur­haft parodiertem Dialekt, was auf mehreren Ebenen nicht stimmig ist: Zum einen sind es im Original ja eben nicht ameri­ka­ni­sche Dialekt-Sprecher aus beispiels­weise Texas, sondern Männer, deren Idiom Bill Murray überhaupt nicht versteht. Und zum anderen liegt dem Film keine Form der Komik ferner als eben die der plumpen Parodie.

Das Jet-Lag-Gefühl

Das Bild ist schwarz. Man hört die Geräusche einer modernen Großstadt. Dann sieht man den Torso einer jungen Frau, nicht ihr Gesicht, von hinten. Es ist dunkel. Eine Flug­ha­fen­an­sage ertönt: »Welcome to Tokyo Inter­na­tional Airport«. Das Bild über­blendet zu einem Mann, der im Taxi durch die glit­zernde Kulisse der Metropole fährt. Er staunt. Und wir Zuschauer mit ihm.

Scarlett Johannson spielt in Lost in Trans­la­tion Charlotte, deren Ehe nach zwei Jahren schon in Routine erstarrt ist. Ihr Mann, ein Jet-Set-Fotograf, ist ein vor allem abwe­sender Worca­holic, seine Frau beginnt gerade zu begreifen, dass sie im Grunde nichts mitein­ander verbindet. »Ich weiß nicht, wen ich gehei­ratet habe«, sagt sie, und verbringt die Zeit dösend, lesend, gelang­weilt im luxu­riösen Hotel­zimmer. Dort, mitten in Tokio, trifft sie abends an der Bar auf Bob, den Mann vom Anfang. Der ist ein US-Filmstar, dorthin gekommen, um Whiskey-Werbung zu machen. Zunächst, bevor sie sich trafen, hat der Film seine beiden Figuren einzeln im Wech­sel­spiel durch ihren Tag in fremder Umgebung begleitet, und schon hier hat man einige der schönsten, klügsten und witzigsten Szenen gesehen, die das Kino zur Zeit zu bieten hat. Etwa Bob, erstmals bei den Werbe-Aufnahmen: Stoisch sitzt er da, das Glas in unge­lenker Pose in der sichtbar falschen, aber foto­ge­neren Hand. Endlos redet der Photo­graph auf Japanisch auf ihn ein, immer lauter, und völlig unver­s­tänd­lich. Der Film gönnt den Zuschauern keine Unter­titel, um auch sie das völlige Verlo­r­en­sein in der Fremdheit erfahren zu lassen. Die Dolmet­scherin übersetzt in zwei Worten: »Mehr Inten­sität.« Man darf da lachen, wird aber auch die Absur­dität des Lebens fühlen, die zu dieser kurzen Szene verdichtet ist. Dann imitiert Bob mit der Gleich­gül­tig­keit des meta­phy­sisch Obdach­losen die Posen, die ihm vorge­geben werden: Dean Martin, Sinatra, Roger Moore. Komiker Bill Murray alias Bob reflek­tiert hier in nicht geringem Maß auch sich selbst und seine Karriere. Zuvor schon hatte man ihn in der Suite bei Zappen gesehen: plötzlich begegnet er im TV sich selbst, japanisch sprechend, in einer 30 Jahre alten Rolle. Gele­gent­lich sieht man ihn mit seiner Frau tele­fo­nie­rend. Die Ehe ist distan­ziert, die Gespräche, drehen sich nur noch um die Farbe der neuen Innen­ein­rich­tung, und den Geburtstag seines Sohnes hat Bob vergessen. Murray glänzt in diesem melan­cho­li­schen Part als desil­lu­sio­nierter Star, ein trauriger Clown, der sich selbst abhanden kommt. Indem die Regis­seurin diese Figur mit der der wesent­lich jüngeren Charlotte in den gesichts­losen Hotel­räumen der hyper­mo­dernen Tokio zusam­men­führt, nimmt einmal mehr die nur scheinbar abge­grif­fene Geschichte vom alten Mann und dem Mädchen ihren Anfang; aber Coppola erzählt sie ganz neu und frisch, dabei keusch und in atem­be­rau­bend schönem Stil.

Triumph der Flüch­tig­keit

Ein Mann hätte diesen Film so nicht machen können. Und am meisten verblüfft an Lost in Trans­la­tion die erstaun­liche Reife der jungen Regis­seurin, die von Anfang an Werke schafft, die in jeder Einstel­lung Indi­vi­dua­lität atmen, unver­wech­sel­bare Persön­lich­keit. Immer noch holt sie ihr Name ein, als ob nicht offen­sicht­lich wäre, dass Sofia Coppola ganz andere Filme macht, als ihr berühmter Vater, dass sie dort, wo dieser das Schicksal von Gene­ra­tionen und Epochen in epischer Breite, mit nicht weniger als geschichts­phi­lo­so­phi­schem Anspruch ins Kino bringt, ganz private, intime Stoffe erzählt, soge­nannte »kleine« Geschichten. Schon ihr erstes Drehbuch »Life without Zoe« (eine Episode in New York Stories, 1988) spielte – wie nun Lost in Trans­la­tion – zum Großteil in einem Hotel, was kein Zufall ist, denn nur dort verbindet sich das Private, Intime so direkt mit Anony­mität, Vergäng­lich­keit, dem Flüch­tigen.

Das Flüchtige, Vergäng­liche ist ihr Thema. Auch in The Virgin Suicides, ihrem Spiel­film­debüt. Genau hier knüpft nun Lost in Trans­la­tion an. Das eigent­liche Thema des Films ist die Einsam­keit inmitten des modernen Lebens. Der Versuch aus Gleich­gül­tig­keit und Entfrem­dung der mensch­li­chen Verhält­nisse auszu­bre­chen. Wie Schlaf­wandler verbringen Charlotte und Bill, gequält von Jet Lag und Isolation, ihre Nächte in der Hotelbar, verlieren und verlieben sich. Tokio wird ihnen zum seltsamen Wunder­land. Nachts streifen diese Fremden durch eine neon­strah­lende Stadt, durch lärmende Spiel­höllen und Karao­ke­bars. Die Welt oder sich selbst entdecken sie dabei nicht neu, sie haben einfach einen unver­gess­li­chen Abend. Ihre Beziehung bleibt genau in der Mitte zwischen plato­ni­scher Liebe und Affaire. Gerade in der Vagheit und Zöger­lich­keit dieses Verhältnis stecken ganz exem­pla­ri­sche und authen­ti­sche Gefühle. Sie sind Situa­tionen abge­trotzt, die sie eigent­lich nicht mehr ermög­li­chen. Ein Triumph gegen die Wirk­lich­keit.

Mit diesem Meis­ter­werk wird Sofia Coppola zu einer der ganz Großen des Gegen­wart­kinos. Lost in Trans­la­tion ist ein Kammer­spiel über den Ennui, voller Gefühl für die Nuancen der Empfin­dungen. Der Film zeigt ein in roman­ti­sche Melan­cholie getränktes Lebens­ge­fühl, und amüsiert zugleich, denn er ist in aller Tiefe doch nicht zuletzt auch eine sehr gelungene Satire auf das Verhältnis des Westens zu Japan. Zahllos sind die Witze die über zu kleine Duschen, und zu schnelle Lauf­bänder, sonder­bare Werbung und grelle TV-Shows auf Kosten des zeit­genös­si­schen Japans aus der Sicht des west­li­chen Besuchers gemacht werden, doch immer liebevoll, nie verächt­lich. Sehr klug und sensibel erfasst Coppolas Blick die Schönheit Japans in seiner Spannung zwischen Tradition und radikaler Moderne.

Fremd­heits­er­fah­rung muss nicht immer etwas Gutes bedeuten. Zumal weil man die Fremdheit manchmal direkt bei sich selbst findet. In Lost in Trans­la­tion bestimmt das Jet-Lag-Gefühl, das Heraus­ge­rissen-sein aus der Zeit die Atmo­s­phäre, bildet das heimliche Grund­emp­finden. Die Bilder in die sie und ihr Kame­ra­mann Lance Acord diese Erfah­rungen stil­si­cher tauchen, sind hell, pastell­farben, irgendwie verträumt und trotz allem irreal, dabei tief­e­mo­tional. Zumindest an der Ober­fläche erinnern sie an manche asia­ti­sche Filme. Wie die Figuren driftet auch die Kamera durch die Nacht, unter­s­tützt von präzis gewählter Elek­tropop-Musik, die alles in Trance zu tauchen scheint. Schlaf­wan­delnde Bilder.

»Lost« sind wir alle. Und weil Coppola in Lost in Trans­la­tion wie nur wenige Filme in den letzten Jahren das Lebens­ge­fühl der Gegenwart ebenso wie einen univer­salen Aspekt der condition moderne in Bilder fasst, dürfte ihr gran­dioser neuer Film Coppola den endgül­tigen Durch­bruch bescheren: Voll­kommen löst sie sich aus Vaters Schatten und wird zur eigen­s­tän­digen, heraus­ra­genden Stimme einer neuen Regie-Gene­ra­tion.

Lost in Trans­la­tion ist zart und versponnen, reser­viert und scheu, ohne jede Hybris. Komödie und Tragödie treffen sich. Alles ist möglich in der zärt­li­chen Geschichte dieser beiden Gestran­deten, bis zum Ende. Aber es bleibt unspek­ta­kulär. Die letzten Worte, die sie austau­schen, kann man nicht verstehen. Viel­leicht werden sie sich nächste Woche treffen. Wahr­schein­lich aber nie wieder.