Lilo & Stitch

USA 2025 · 108 min. · FSK: ab 6
Regie: Dean Fleischer Camp
Drehbuch: ,
Kamera: Nigel Bluck
Darsteller: Maia Kealoha, Zach Galifianakis, Billy Magnussen, Sydney Agudong, Kaipo Dudoit u.a.
Lilo & Stitch
Dysfunktionale einmal anders...
(Foto: Disney)

Angriff in Liebe

Disneys Realfilm-Remake des anarchischen Klassikers aus dem Jahr 2002 hat überraschenden Biss und schafft es sogar, zu beunruhigen und zu berühren

Disneys Realfilm-Remakes können richtig weh tun. Man denke nur an Mufasa: Der König der Löwen vor ein paar Monaten, das zwar von dem groß­ar­tigen Barry Jenkins verant­wortet wurde, aber am Ende auch durch Disneys abstruses Realfilm-Faible ein Schuss ins Nichts war.

Bei Lilo & Stitch ist es natürlich einfacher – hier müssen keine hyperreal aufge­bla­senen Löwen alte Männ­lich­keits­ste­reo­typen repro­du­zieren, sondern dürfen Regisseur Dean Fleischer Camp und seine Dreh­buch­au­toren Chris Keka­ni­okalani Bright und Mike Van Waes aus einer schon fast perfekt anar­chi­schen, also »frechen« Vorlage schöpfen. So wie im Original trifft auch im Remake ein Koala-artiges Alien-Expe­ri­ment, das eigent­lich nur geschaffen worden ist, um zu zerstören, auf der Erde auf eine komplett dysfunk­tio­nale Rumpf­fa­milie, die sechs­jäh­rige Lilo Pelekai (Daveigh Chase), die nach einem tödlichen Auto­un­fall der Eltern von ihrer gerade mal erwach­senen Schwester Nani (Tia Carrere) groß­ge­zogen wird. Beide sind unkon­ven­tio­nell und wild und haben den Alltag kaum unter Kontrolle, weshalb Nani in steter Angst lebt, das Sorge­recht für ihre kleine Schwester zu verlieren. Diese stra­pa­ziöse Situation verschlim­mert sich noch einmal, als Stitch auf der Flucht von seinem Planeten in dem Schwes­tern­haus­halt aufschlägt, nicht nur verfolgt von einer »Elite­ein­heit« aus seiner Galaxis, die ihn vernichten soll, sondern bald auch vom CIA.

Zwar spielt Lilo & Stitch auf der üblichen Action-Partitur und werden wie schon im Original die tradi­tio­nellen hawai­ia­ni­schen Sozi­al­struk­turen für eine familiär-emotio­nale Achter­bahn­fahrt zweck­ent­fremdet, doch bleibt das Remake so mutig wie sein Vorgänger. Denn auch hier wird durchaus klar gemacht, dass wenn einer böse Sachen macht, das nicht immer bedeuten muss, dass er auch böse ist. Mehr noch wird in einem radikal-thera­peu­ti­schen Setting gezeigt, dass ein Angriff in Liebe durchaus konfron­ta­ti­ons­the­ra­peu­ti­sche Erfolge zeitigen kann. Und nicht nur das. Lilo & Stitch zeigt auch, dass man das in ameri­ka­ni­schen Filmen der letzten Jahre fast schon funda­men­ta­lis­ti­sche Lied über den Wert der Familie durchaus auch anders singen kann. Ja, dass auch dysfunk­tio­nale Familien funk­tional und gesund sein können.

Das wird in diesem Fall auch schau­spie­le­risch großartig umgesetzt und ist mit dem perfekt animierten außer­ir­di­schen Personal dann auch nicht nur berührend, sondern auch fami­li­en­film­kom­pa­tibel und sogar ein wenig beun­ru­hi­gend. Denn Lilo & Stitch erzählt wie schon sein Vorgänger auch davon, dass Hawaii nicht nur das Wellen­reiter-Paradies ist, das es für die Meisten ist, sondern auch post-koloniale Schat­ten­seiten hat, von denen ja bereits Robert Louis Stevenson in seiner groß­ar­tigen, fast prophe­ti­schen Novelle Der Flaschen­ko­bold erzählt hat. Und dann zeigt Lilo & Stitch etwas süßlich unterlegt auch, dass Trennung dann und wann Sinn macht.

Wem das dennoch zu viel Schwere sein sollte, dem sei versi­chert, dass es genug und sehr gut getimeten Slap-Stick gibt und auch dieses Real-Verfil­mungs-Format sein dürfte, was schon sein Vorgänger war – der Start­punkt für eine ganze Reihe von Fort­set­zungen und viel­leicht sogar einer weitere Serie. Aber das ist dann eine andere Geschichte, über die dann hoffent­lich auch nicht mehr geschrieben werden muss.