USA 2025 · 108 min. · FSK: ab 6 Regie: Dean Fleischer Camp Drehbuch: Chris Kekaniokalani Bright, Mike Van Waes Kamera: Nigel Bluck Darsteller: Maia Kealoha, Zach Galifianakis, Billy Magnussen, Sydney Agudong, Kaipo Dudoit u.a. |
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Dysfunktionale einmal anders... | ||
(Foto: Disney) |
Disneys Realfilm-Remakes können richtig weh tun. Man denke nur an Mufasa: Der König der Löwen vor ein paar Monaten, das zwar von dem großartigen Barry Jenkins verantwortet wurde, aber am Ende auch durch Disneys abstruses Realfilm-Faible ein Schuss ins Nichts war.
Bei Lilo & Stitch ist es natürlich einfacher – hier müssen keine hyperreal aufgeblasenen Löwen alte Männlichkeitsstereotypen reproduzieren, sondern dürfen Regisseur Dean Fleischer Camp und seine Drehbuchautoren Chris Kekaniokalani Bright und Mike Van Waes aus einer schon fast perfekt anarchischen, also »frechen« Vorlage schöpfen. So wie im Original trifft auch im Remake ein Koala-artiges Alien-Experiment, das eigentlich nur geschaffen worden ist, um zu zerstören, auf der Erde auf eine komplett dysfunktionale Rumpffamilie, die sechsjährige Lilo Pelekai (Daveigh Chase), die nach einem tödlichen Autounfall der Eltern von ihrer gerade mal erwachsenen Schwester Nani (Tia Carrere) großgezogen wird. Beide sind unkonventionell und wild und haben den Alltag kaum unter Kontrolle, weshalb Nani in steter Angst lebt, das Sorgerecht für ihre kleine Schwester zu verlieren. Diese strapaziöse Situation verschlimmert sich noch einmal, als Stitch auf der Flucht von seinem Planeten in dem Schwesternhaushalt aufschlägt, nicht nur verfolgt von einer »Eliteeinheit« aus seiner Galaxis, die ihn vernichten soll, sondern bald auch vom CIA.
Zwar spielt Lilo & Stitch auf der üblichen Action-Partitur und werden wie schon im Original die traditionellen hawaiianischen Sozialstrukturen für eine familiär-emotionale Achterbahnfahrt zweckentfremdet, doch bleibt das Remake so mutig wie sein Vorgänger. Denn auch hier wird durchaus klar gemacht, dass wenn einer böse Sachen macht, das nicht immer bedeuten muss, dass er auch böse ist. Mehr noch wird in einem radikal-therapeutischen Setting gezeigt, dass ein Angriff in Liebe durchaus konfrontationstherapeutische Erfolge zeitigen kann. Und nicht nur das. Lilo & Stitch zeigt auch, dass man das in amerikanischen Filmen der letzten Jahre fast schon fundamentalistische Lied über den Wert der Familie durchaus auch anders singen kann. Ja, dass auch dysfunktionale Familien funktional und gesund sein können.
Das wird in diesem Fall auch schauspielerisch großartig umgesetzt und ist mit dem perfekt animierten außerirdischen Personal dann auch nicht nur berührend, sondern auch familienfilmkompatibel und sogar ein wenig beunruhigend. Denn Lilo & Stitch erzählt wie schon sein Vorgänger auch davon, dass Hawaii nicht nur das Wellenreiter-Paradies ist, das es für die Meisten ist, sondern auch post-koloniale Schattenseiten hat, von denen ja bereits Robert Louis Stevenson in seiner großartigen, fast prophetischen Novelle Der Flaschenkobold erzählt hat. Und dann zeigt Lilo & Stitch etwas süßlich unterlegt auch, dass Trennung dann und wann Sinn macht.
Wem das dennoch zu viel Schwere sein sollte, dem sei versichert, dass es genug und sehr gut getimeten Slap-Stick gibt und auch dieses Real-Verfilmungs-Format sein dürfte, was schon sein Vorgänger war – der Startpunkt für eine ganze Reihe von Fortsetzungen und vielleicht sogar einer weitere Serie. Aber das ist dann eine andere Geschichte, über die dann hoffentlich auch nicht mehr geschrieben werden muss.