Deutschland 2006 · 99 min. · FSK: ab 12 Regie: Detlev Buck Drehbuch: Zoran Drvenkar, Gregor Tressnow Kamera: Kolja Brandt Darsteller: David Kroß, Jenny Elvers-Elvertzhagen, Erhan Emre, Oktay Özdemir, Kida Ramadan u.a. |
Topfschlagen, das harmlose Geburtstagsspiel, wird man nach diesem Film mit anderen Augen sehen. Hätte man vor wenigen Wochen gehört, dass Topfschlagen in Detlev Bucks neuem Film eine wichtige Rolle spielt, hätten alle gedacht: Klar, der Buck macht wieder so eine Komödie in seinem üblichen Stil zwischen naiver Cleverness und hintersinniger Naivität, den manche mögen, andere nicht; etwas, wie Karniggels oder Wir können auch anders. Aber schon in seinem letzten Film, dem leider etwas unterschätzten Krimi LiebesLuder, hätte man sehen können, dass Buck auch zu anderem, zu mehr fähig ist. Er schaut hin, mit genauem, ungerührtem Blick, er verklärt nicht, sondern arbeitet die geheimen Seiten der Wirklichkeit – den Humor, aber eben auch die übrigen – mit Sinn fürs Subtile heraus. Das können nur die Wenigsten. Dass er es kann, zeigt er nun mit Knallhart. Der Film ist eine große, sehr positive Überraschung – für Fans des Regisseurs, wie für alle anderen.
Es beginnt mit einem 15-Jährigen, der in eine Polizeistation kommt, und seine Geschichte erzählt. Diese langen Rückblenden sind der Film. Michael (David Kross) ist mit seiner Mutter Miriam (Jenny Elvers) aus dem noblen Zehlendorf in den Berliner Stadtteil Neukölln gezogen. Dieser dient Magazinen wie dem »Spiegel« seit als proletarische Schreckenskabinett und Rückseite der Berliner Republik, als Indiz für das angebliche »Scheitern von Multikulti«, aus gelassenerer Sicht ist es ein Problembezirk, in dem die Krisen der deutschen Verhältnisse etwas offener zutage treten, als anderswo – es gibt arbeitslose, kriminelle ausländische Jugendliche genauso wie arbeitslose, kriminelle deutsche Jugendliche. Und spätestens, wenn sie sich in Banden organisieren und Kämpfe liefern, spielen sie einander die Bälle zu.
Michael gerät schnell in jene Spirale, die nicht nur Eltern das Grausen lehrt: Er bekommt Kontakt zu einer Bande, arbeitet sich mit Einbrüchen und Schlägereien hoch, »vertickt« Drogen, und bekommt Ärger mit einer Türkengang. Immer tiefer rutscht er auf der schiefen Bahn hinab. Das endet schlecht, ohne filmtypische Glücksfälle und Happy Ends, und weil Buck eben genau hin- und niemals wegsieht, ist es auch eine alles andere als komische Geschichte. »Knallhart« eben, und auch dann noch pessimistisch, wenn er unterstreicht, dass es das Milieu ist, das einen prägt, aus dem es kaum Ausflucht gibt. Hier ist dieser Satz keine Entschuldigung und kein Trost.
Die Stärke des Films sind die Darsteller, besonders die tatsächlich erstaunlich gute Jenny Elvers – auch hier beweist Buck sein Talent, mehr zu erkennen, als viele andere. Die zweite Stärke ist die Inszenierung: Konzentriert, kühl, schnell erinnert sie an Scoreses Mean Streets. Und die entsättigten Farben betonen die pessimistische Stimmung, sie zeigen das Berlin, das es auch gibt und das bei allem Realismus in bunteren, versöhnlicheren Filmen wie Sommer vorm Balkon ausgespart wird. Es war eine gute Entscheidung, einmal das Buch eines anderen zu verfilmen: Detlev Buck ist zurück – so stark wie nie!
Eines schränkt all dies Lob aber ein: So sensibel Buck mit seiner Hauptfigur und deren naher Umgebung umgeht, so grob und einseitig zeichnet er das deutsch-türkische Milieu. In einer Komödie wäre das Herumreiten auf Klischees kein Schaden. Hier schon. Denn Buck bedient damit, wohl eher unwillentlich und um Betroffenheitskino zu vermeiden, die Angst mancher Deutscher vor dem Fremden, eine Sicht, die auch mit längst integrierten Deutsch-Türken der Dritten Generation nur Zwangsheiraten, Koranschulen, Ehrenmorde und Drogenhandel verbindet, und die zu groben Übertreibungen führt, wie man sie jüngst im Streit um den Action-Film Tal der Wölfe – Irak wieder erleben musste.
Topfschlagen übrigens ist in diesem Fall eine brutale Folter. Ein Gefesselter bekommt einen Kochtopf über den Kopf gestülpt, der dann mit einem Baseballschläger traktiert wird. In Knallhart gibt es viele Umdefinitionen und Verschiebungen der Begriffe; manche subtil, andere so grob wie diese. Fast jede treffend.