Keeper

Belgien/F/CH 2015 · 91 min.
Regie: Guillaume Senez
Drehbuch: ,
Kamera: Denis Jutzeler
Darsteller: Kacey Mottet Klein, Galatéa Bellugi, Laetitia Dosch, Catherine Salée, Sam Louwyck u.a.
Keeper
Eine ordentliche Portion an visueller Exzentrik
(Foto: DCM Film)

Schmeckt wie Sch…

Die Spannung ist mittlerweile groß, wenn ein neuer Horrorfilm von Osgood Perkins erscheint: KEEPER wird der Vorfreude gerecht

Die Filme von Osgood alias Oz Perkins werden inzwi­schen gern als »Trips« angekün­digt. Das passt sehr gut zu der verschro­benen, bisweilen surrealen, sinnes­ge­trübten Stimmung seiner kleinen Schau­er­ge­schichten, die ihr Publikum durch­rüt­teln wollen und dafür gern die Logik dem Effekt unter­ordnen. Nachdem Perkins zuletzt mit dem gefei­erten Grusel-Krimi Longlegs und der Stephen-King-Adaption The Monkey für Aufsehen sorgte, folgt nun mit Keeper ein Film zwischen Spukhaus und Bezie­hungs­drama.

Liz und Malcolm, so heißen die beiden Haupt­fi­guren, wollen eine roman­ti­sche Zeit in einem abge­le­genen Waldhaus verbringen. Auch 2025 wird dieser Stoff nicht alt. Und, man ahnt es schon, natürlich gehen in dem Häuschen seltsame Dinge vor sich. Das beginnt unter anderem, wenn Malcolms Cousin nebst Partnerin vor Ort auftaucht. Ein Scho­ko­ku­chen als unheil­volles Geschenk wird bedeu­tungs­schwer in Szene gesetzt. »Tastes like shit«, heißt es. Schmeckt wie Scheiße. Und in einigen exzessiv ausge­kos­teten Nahauf­nahmen bekommt man das Bild der Fäkalien tatsäch­lich kaum noch aus dem Kopf.

Was hat es aber mit dem Gebäck auf sich? Soll hier jemand vergiftet und unter Drogen gesetzt werden? Gut möglich. Der Kuchen scheint aber auch noch für etwas Größeres zu stehen. Er wird zum Binde­glied und zentralen Motiv des ganzen Films und verweist darauf, dass dort etwas fault, brodelt und eben einen ganz üblen Nach­ge­schmack hinter­lässt. Der Kuchen könnte in Keeper als eine Art Madeleine gelesen werden, die, wie bei Marcel Proust, auf einmal tief­sit­zende Erfah­rungen nach oben befördert, sobald man hinein­beißt. Das meint in diesem Film Erfah­rungen, die über das Schicksal der einzelnen Figur hinaus­rei­chen. Sie findet sich auf einmal in einem komple­xeren Gefüge wieder.

Schon am Anfang des Films zeigt Oz Perkins verschie­dene Frauen in Groß­auf­nahmen und Porträts, ehe sich das Grauen in die Bilder schleicht. Früh wird damit die ganze erzäh­le­ri­sche Struktur unbe­hag­lich. Woher kommen diese Bilder überhaupt? Wie hängen sie zusammen? Keeper wird dabei zu einem weiteren Film, der davon erzählt, wie das Patri­ar­chat und männliche Gewalt die Körper und Gedanken von Frauen an sich reißen, mani­pu­lieren, miss­brau­chen oder gar vernichten. Über­dau­ernde Traumata suchen die Gegenwart heim. Das ist als Moral eher schlicht aufge­fächert, wenn Perkins und das Drehbuch von Nick Lepard dann die Auflösung präsen­tieren, welcher Horror die ganze Zeit am Wirken war. In den letzten Akten schwächeln Perkins‘ Filme sowieso fast immer.

Was spukt im Haus?

Keeper bleibt dennoch wortkarg genug, nicht alles in seiner Geschichte auszu­buch­sta­bieren. Der Film gönnt sich bis zum Schluss eine ordent­liche Portion an visueller Exzentrik, aber auch ein Mysterium, das aus der Verschrän­kung unter­schied­li­cher Genre-Einflüsse resul­tiert. Perkins‘ neuester Streich wird oft mit Alex Garlands Men vergli­chen und diese Parallele trifft insofern zu, als auch hier eine Ausein­an­der­set­zung mit weib­li­chen Traumata und masku­liner Gewalt in einen albtraum­haften Zwischen­zu­stand voller bizarrer Bilder führt. Dieser Zustand vereint Eindrücke klas­si­scher Gespens­ter­ge­schichten mit einem ganz realen psycho­lo­gi­schen Grauen, aber auch Motiven des mytho­lo­gi­schen und folk­lo­ris­ti­schen Horrors. Keeper spielt mit mons­trösen Gestalten im Keller, aber etwa auch einer Hexen-Ikono­gra­phie, mit der sich der Regisseur schon in Gretel & Hänsel ausein­an­der­ge­setzt hat und die jetzt noch einmal eine tragische Verkeh­rung findet.

Wie Perkins das Publikum mit seiner Prot­ago­nistin das Grusel­haus erkunden lässt, ist ein großes Vergnügen. Weil es der Regisseur bestens versteht, ein subtiles Unbehagen zu kreieren, ohne dass man immer vorher­sagen kann, aus welcher Ecke gleich die nächste fürch­ter­liche Gestalt hervor­springt, oder ob dies überhaupt passieren wird. Keeper arbeitet mit verblüf­fenden Perspek­tiven, Über­blen­dungen und Unschärfen. Im Hinter­grund wird plötzlich eine Scheibe ange­haucht. Aus den Wänden dringen Geräusche. Schatten zeichnen sich ab. Da scheint etwas an der Decke zu schweben. Oder klettert gerade jemand auf dem Dach herum?

Einer der stärksten Filme von Oz Perkins

An sich sind das altver­traute Mittel, aber Perkins schafft es immer wieder, sie mit kleinen ästhe­ti­schen und insze­na­to­ri­schen Twists zu versehen, die das Ganze doch noch einmal vers­tö­rend erscheinen lassen. Figuren verhalten sich plötzlich nicht mehr so, wie man es aus anderen Horror­filmen kennt. Geis­ter­er­schei­nungen nehmen neue Formen an. Ein Hals verwan­delt sich in ein riesiges, schlän­gelndes Etwas. Dann, wenn man laute Schock­ef­fekte erwartet, verzichtet Perkins‘ Regie­ar­beit auf allzu simple Auflö­sungen der Szenen, was seinen Film nur noch aufrei­bender erscheinen lässt.

Und schließ­lich folgen Sequenzen, in denen Keeper zwischen Horror und Komik gänzlich freidreht, ohne Rücksicht auf den guten Geschmack. Dann etwa, wenn die wahren, krea­tür­li­chen Ausmaße jenes uralten patri­ar­chalen Gewal­ten­kreis­laufs in ihrer ganzen Pracht enthüllt werden. Von den kleinen Horror-Minia­turen und filmi­schen Novellen, die Perkins in den letzten Jahren erzählt hat, ist Keeper jeden­falls eine der beein­dru­ckendsten.