Der Junggeselle

The Bachelor

USA 1999 · 101 min. · FSK: ab 6
Regie: Gary Sinyor
Drehbuch:
Kamera: Simon Archer
Darsteller: Chris O´Donnell, Renée Zellweger, Peter Ustinov, Mariah Carey u.a.

Noch ´ne Braut, die sich nicht traut

Und wieder waren sie die absoluten Vorreiter. Ein paar Monate ist es erst her, da freute sich der findige ameri­ka­ni­sche Couch potato, dass der findige ameri­ka­ni­sche TV-Macher mal wieder eine einzig­ar­tige und voll­kommen neue Idee hatte. Eine von jenen, die hier­zu­lande eigent­lich nur mit dem Schaffen John de Mols und seiner kleinen nieder­län­di­schen Ideen­wurst­fa­brik zu verglei­chen ist. Ein paar heirats­wü­tige Frauen durften einen Abend lang das Publikum vor der Matt­scheibe ergötzen, Spielchen spielen, und am Ende der Show winkte als Haupt­ge­winn die Trauung mit einem Multi­mil­lionär (oder Milli­ardär oder Tril­li­ardär oder Dagobert Duck himself). Braut und Bräutigam kannten sich vorher nicht, die letzten Moral­apostel machten wahr­schein­lich kurzen Protest, denn jeder halbwegs gebildete Kritiker der modernen Massen­me­dien kommt irgend­wann auf die wirklich exis­ten­ti­ellen Fragen (»Kann man einen anderen überhaupt kennen?« / »Wer ist eigent­lich der Andere?« usw.). Drei Stunden grübeln mit drei Flaschen billigen Rotwein und am Ende der Nacht, nach den letzten zu starken fran­zö­si­schen Ziga­retten, wird die Philo­so­phie an den Nagel gehängt oder aus dem Fenster gesprungen, ange­sichts des Grauens dieser Welt. Wie auch immer. Wo das Fernsehen ist, da ist der Film nicht weit, Konzept­ver­wurs­tung nennt man das dann und lustig wirds auch noch.

Zuerst einmal haben wir in Der Jung­ge­selle einen Menschen mit ausge­prägter Phobie gegen den Hoch­zeits­marsch. Nach Julia Roberts hat es jetzt auch Chris O´Donnell erwischt. Scheint eine Epidemie zu werden. Der arme Jimmie Shannon kriegt es einfach nicht hin. Er ist mit der perfekten Frau zusammen, die Anne heißt, ihn liebt und von ihm geliebt wird. Nur leider denkt der arme Kerl er sei ein Gaul (kein Witz – in Amerika heißt das dann Mustang und soll so was wie Freiheit signa­li­sieren). Die Pferde (Pferd auch, weil Jimmie ist so ein Typ, mit dem man Pferde stehlen kann...) weilen akustisch zu Hause im Schrank, da, wo auch die Photos der Ex-Freun­dinnen lagern. Und die braucht der Jung­ge­selle ziemlich bald ziemlich dringend. Sein Großvater stirbt und der junge Mann kriegt die 100 Millionen Dollar Erbe nur, wenn er bis zu seinem 30. Geburtstag verhei­ratet ist. Und das ist dann Morgen. Brautjagd also. Zugzwang. Und den Antrag für Anne hat Jimmie bereits dermaßen in den Sand gesetzt, dass er sich Alter­na­tiven ausdenken muß (eben jene Verflos­senen). Ein paar reak­ti­onäre Männer- und Frau­en­bilder weiter und nachdem erst mal alles schief gegangen ist bekommen sie sich am Ende doch, das kennt man ja.

Nun zum mora­li­schen, also anachro­nis­ti­schen Teil. Wo wir wieder beim Fernsehen wären, der Show mit den Bräuten, die sich trauen, trauen wollen. Geld statt Liebe also. Das gibt es auch im Film. Als die Deadline immer näher rückt beschließt der findige beste Freund Jimmies einfach eine Kontakt­an­zeige aufzu­geben. Die Presse bläst das ganze dann ziemlich auf und das Antlitz des Jung­ge­sellen findet sich auf der ersten Seite aller Gazetten wieder. Bildüber­schrift: »Würden sie diesen Mann für 100.000.000 Dollar heiraten?«. Es kommt wie es kommen muß. Am nächsten Tag ist die gebuchte Kirche voll mit weißen und schwarzen Bräuten, die alle gierig sind. Die puber­tären Träume des Kinos von der unend­li­chen Verfüg­bar­keit von Frauen. Als Moralist fragt man sich dann natürlich. Was ist mit den Frauen los? Was ist mit den Menschen los? Würden die für Geld wirklich alles machen? So ein toller Typ ist der Chris O´Donnell ja auch wieder nicht...

Und überhaupt. Mister Nice Guy selbst. Seine lustige Art auf der Suche nach einer Frau, die Taktik, einfach jede zu fragen, will uns der Film gekonnt schmack­haft machen. Arbeits­plätze stehen auf dem Spiel, weil Jimmies Firma nur mit dem Erbe des Großva­ters gerettet werden kann. Also geht es dem Burschen doch um Etwas anderes? Nicht ums Geld? Ich als Moralist würde sagen: Blödsinn! Wo sind sie denn, die armen Fami­li­en­väter, deren letzte Hoffnung ist, dass Jimmie endlich unter die Haube kommt?

Na gut, man könnte einwenden, Kapi­ta­lismus ist cool. Aber wieso setzt der Regisseur Gary Sinyor vier Leute auf eine Bank, die offen­sicht­lich auf einer Poli­zei­wache steht, und legt ausge­rechnet dem einen Schwarzen, der zugegen ist, Hand­schellen an? Wieso macht er das? Niemand will ihm hier Rassismus vorwerfen... Aber die Szene hinter­läßt, wenn man aufmerksam zuschaut, doch ein ungutes Gefühl. Da gab es schon in House on Haunted Hill so eine Sache. Der Hausherr verteilt Waffen und die weiße Hand sagt »Igitt!« als sie den Revolver hält und gibt ihn einer schwarzen Hand, die sich natürlich gleich damit auskennen muß. Kleine Gesten, die viel­leicht nicht wichtig sind und gerade deshalb könnte man gut auf sie verzichten.

In Bezug auf Der Jung­ge­selle sticht das besonders ins Auge, weil der Film sonst eine reine Bild­sprache propa­giert, die eindi­men­sio­naler nicht sein könnte. 1:1-Über­set­zungen. Wenn Anne in der Achter­bahn das Wort »Zukunft« verwendet und Jimmie, der Heirat asso­zi­iert, sich gar nicht gut dabei fühlt, dann geht die Fahrt in dem Augen­blick natürlich abwärts. Visuelle Umset­zungen von Stim­mungen die Hitchkock schon vor 50 Jahren als zu platt verworfen hat. Klar, zu einem großen Teil zieht der Film auch seinen Witz aus solchem Klamauk. Aber die Linie, die Grenze zu dem Moment, in dem man einfach nicht mehr lachen kann, ist ziemlich schmal.