Die irre Heldentour des Billy Lynn

Billy Lynn's Long Halftime Walk

USA/GB/China 2016 · 113 min. · FSK: ab 12
Regie: Ang Lee
Drehbuch:
Kamera: John Toll
Darsteller: Joe Alwyn, Kristen Stewart, Chris Tucker, Garrett Hedlund, Vin Diesel u.a.
Sollte es einem Filmverleih nicht nur Pflicht sein, solches Kino adäquat zu präsentieren, sondern auch eine Ehre?

Flachland: Vom hiesigen Umgang mit Kinowagnissen

Sehr gerne hätte ich an dieser Stelle ausführ­lich über Ang Lees neuesten Film geschrieben. Immerhin ist er womöglich ein Meis­ter­werk.
Aber um das zu beur­teilen, müsste man ihn ja zunächst einmal wirklich sehen, so wie er vom Regisseur gewollt ist. Und das blieb und bleibt hier­zu­lande Kritikern ebenso wie dem regulären Publikum verwehrt.

Soviel nur lässt sich gewiss sagen: Auch Billy Lynn’s Long Halftime Walk greift Ang Lees großes Grund-Thema auf – auch er handelt von Menschen, die sich (und ihr Begehren) fremd fühlen in der Zeit und Welt, die ihnen der Zufall des Schick­sals bestimmt hat. Lee hat dieses Thema wieder und wieder durch­ge­spielt, ob als taiwa­ne­si­sche Fami­li­en­komödie, Jane Austen-Verfil­mung, US-ameri­ka­ni­sches ‘70s Drama, Kung-Fu-Epos, schwulen Quasi-Western, chine­si­schen Historien-Thriller oder gar Super­hel­den­spek­takel. Meist aber hat er dabei die tragisch-roman­ti­sche Variante gewählt, hat Schmerz und Schönheit der (uner­füll­baren) Sehnsucht zele­briert. Billy Lynn hingegen ist nun seine wohl bitterste, pessi­mis­tischste Ausfor­mu­lie­rung.

Billy Lynn (Joe Alwyn), das ist ein US-Soldat, der im Irakkrieg zum Helden wurde. Jeden­falls in der Wahr­neh­mung daheim, in George W. Bushs Amerika, wo die Fern­seh­bilder vom Gefecht heroische Tat sugge­rieren. Nun werden Billy und seine Kameraden quer durchs Land verfrachtet und herum­ge­reicht, um sich bejubeln zu lassen. Eine Hollywood-Version ihrer Geschichte steht in Aussicht. Und bei einem Football-Spiel sollen sie in der großen Halb­zeit­pausen-Show – neben Destiny’s Child – als patrio­ti­sche Deko dienen.
Doch Billys Geist weilt nicht deckungs­gleich da, wo sein Körper hinkom­man­diert wird. Innerlich kommt er nicht weg von dem trau­ma­ti­sie­renden Kriegs­er­lebnis. Bekommt den Abgrund nicht geschlossen zwischen dem Knallen tödlicher Schüsse im Irak und jenem der verherr­li­chenden Feuer­werks­ra­keten in den USA.

In vielem bleibt der Film der vielfach preis­ge­krönten Roman­vor­lage von Ben Fountain buch­sta­ben­treu. (Der irre­füh­rend dämliche deutsche Titel geht übrigens auf die Kappe des hiesigen Verlags, nicht des Verleihs.) Doch sein Tonfall scheint herber, seine Satire weniger schen­kel­klop­fend, das Ganze nach etwas viel Tieferem bohrend als Polit- oder Gesell­schafts­kritik.
So essen­tiell waren Ang Lee die Fragen von Präsenz und Virtua­lität, von der Macht der Abbildung zwischen Einfangen von Realität einer­seits und verzer­render Lüge ande­rer­seits, dass ihm die herkömm­li­chen Mittel des Kinos nicht ausrei­chend dafür schienen.
Billy Lynn ist der erste Spielfilm überhaupt, der nicht nur in 4K-HD-Auflösung und 3D gedreht wurde, sondern zudem mit 120 Bildern/Sekunde statt der üblichen 24. Was hier aber eben keines­wegs tech­ni­sche Spielerei, bloß äußer­li­cher Anstrich ist: Die Beschaf­fen­heit des Films, und was er verhan­delt, sind essen­tiell inein­ander verschränkt, bedingen sich gegen­seitig.
Wie hyperreal kann ein Film werden, wie umfassend kann er das Tatsäch­liche einfangen? Und wird er dabei nicht gerade immer umso künst­li­cher? Kann solche Abbil­dungs­technik das Publikum auf nie geahnte Weise an den Ort des Gesche­hens versetzen? Oder wird dabei ihre Media­lität nur umso aufdring­li­cher?
Basierend auf seiner ästhe­ti­schen Grund­ent­schei­dung, musste Ang Lee alle Aspekte des Filme­ma­chens neu über­denken, musste sie ebenfalls von Grund auf neu erproben und anpassen. Kadrie­rung, Kame­ra­be­we­gungen, Schnitt ohnehin, Beleuch­tung sowieso. Aber selbst Kostüme und Makeup funk­tio­nierten nicht auf konven­tio­nelle Weise, ohne dass sie eben als solche, als Film-Künst­lich­keiten wahr­nehmbar gewesen wären. Und auch von den Schau­spie­lern liest man, dass sie ihren Stil ändern, anders mit Nuancen umgehen mussten.
Es gibt kein Detail von Die irre Helden­tour des Billy Lynn, welches unberührt ist von den einzig­ar­tigen filmi­schen Voraus­set­zungen – und somit kaum eines, das in konven­tio­nel­leren Formaten seinen ganzen Sinn und Eindruck entfalten kann.

Nun, und was bekommt man in deutschen Kinos davon zu sehen? Nichts als das blassest mögliche Abzieh­bild.
Auch auf mehr­fa­ches Nach­fragen war der hiesige Verleih zu keiner weiteren Aussage zu bewegen als (in Gänze zitiert): »Der Film läuft in Deutsch­land in 2D.« Kein Wort zur Framerate-Frage, kein Wort erst recht zum Wieso und Weshalb, und schon gleich gar kein Wort des Bedauerns.
Freilich: Um Ang Lees Vision in vollem Umfang bei der Projek­tion gerecht zu werden, bräuchte es tech­ni­sche Auf- und Umrüstung. Auch in den USA waren nur eine Handvoll Kinos dazu in der Lage. Da hätte es Interesse und Enga­ge­ment eines hiesigen Verleihs benötigt, der sowas wenigs­tens selektiv als »Event« oder etwa in Koope­ra­tion mit einem Festival insze­niert.
Machbar aber wären seit Peter Jacksons The Hobbit mancher­orts hoch­auf­lö­sende Vorfüh­rungen in 3D mit 48 Bildern/Sekunde gewesen. Und auf jeden Fall die Mini­mal­lö­sung, den Film zumindest in regulärem 3D zu zeigen.

Freilich dürfte es nicht schwer zu erraten sein, warum nichts davon geschieht: Die Marke­ting­ab­tei­lung und die Buch­hal­tung werden einen Blick auf die enttäu­schenden US-Einspiel­ergeb­nisse geworfen und irgend­welche Studien aus der Schublade gezogen haben, dass »Arthouse«-Publikum kein 3D mag. Und schon war’s scheißwurscht, was sich einer der bedeu­tendsten lebenden Regis­seure einbildet, und was die Kunst verlangt. Unab­hän­giges, unge­wöhn­li­ches Enga­ge­ment für einen aus den bekannten Mustern fallenden Film schätzen, ja dulden inter­na­tio­nale Groß­ver­leiher bei ihren Depen­dancen eh kaum noch.
Und freilich wird solch mangelnder Glaube an Einsatz für einen Film meist zur selbst­er­fül­lenden Prophe­zei­hung, die dann mit schlechtem Kassen­er­gebnis solche Entschei­dungen weiterhin zu recht­fer­tigen scheint. (Und ja, mir ist klar, dass dieser poten­tiell publi­kums­ver­grau­lende Text in gewisser Weise diesen Teufels­kreis­lauf noch unter­s­tützen kann.)

Aber an diesem höchst uner­quick­li­chen Fall wird mehr sichtbar als nur die Regent­schaft bei den großen Verlei­hern der Geld- und Marke­ting­mächte über die Kino­be­geis­terten.
Auf die Gefahr hin, pathe­tisch zu klingen: Wie hier­zu­lande mit Billy Lynn’s Long Halftime Walk umge­gangen wird, das spricht Bände über die generelle Margi­na­li­sie­rung gewisser Arten von Kino – ja, darüber, was Kino in unserer Zeit und Welt überhaupt noch soll und darf.
Jeder Block­buster in post­kon­ver­tiertem 3D, der sich über räumliche Bild­kom­po­si­tion keinen einzigen Gedanken gemacht hat außer »Ticket-Aufpreis!«, muss pflicht­schuldig auch so in die Kinos kommen. (Und der eine große Ausrut­scher in Ang Lees Oeuvre, sein Oscar-Kitsch Life of Pi freilich auch...) Billy Lynn’s Long Halftime Walk wird es verboten. Ob aber der einzige US-Film seit Ewig­keiten, der in wirklich jeder Einstel­lung ganz bewusst auf Räum­lich­keit hin kompo­niert ist, dann auch wirklich in 3D zu sehen ist – geschweige denn ob man Ang Lees einzig­ar­tiges Expe­ri­ment mit extremen Bild­wie­der­hol­raten erleben darf: Das ist eben nicht bloß so eine spitz­fin­dige Cineasten-Frage.
Dem Publikum diese Erfahrung zu verwehren ist nichts Anderes, als wenn eine große Gemäl­de­aus­stel­lung statt der Originale einfach Kunst­drucke hängen würde. Oder ein Sinfo­nie­kon­zert statt mit Orchester schlicht im Klavier­auszug aufge­führt. Wer behaupten will, bei Billy Lynn wäre der »Inhalt« ja auch so da, wären die Bilder doch auch so »schön«, muss dann auch sagen: Ja, aber der »Inhalt« der Gemälde wird doch gezeigt; ja aber die Melodien sind doch genauso schön, und Harmonie und Rhythmus doch ebenfalls wahr­nehmbar.

In anderen Gattungen ist (noch halbwegs) selbst­ver­s­tänd­lich, dass bei wirk­li­cher Kunst »Inhalt« und »Ästhetik«/»Form« nicht sinnvoll zu trennen sind, dass erst die ganz konkrete Ausfor­mu­lie­rung das Werk ist.
Im Kino aber herrscht zunehmend eine quasi arbeits­tei­lige Kluft zwischen den Block­bus­ter­filmen einer­seits – welche vor allem tech­ni­sche Möglich­keiten ausreizen sollen, und auf geradezu vehemente (aber zusehends verein­heit­lichte) Weise auf die Sinne einwirken; denen man aber nicht zuge­stehen will, dass sie eine Bedeutung haben. »Nur Unter­hal­tung!«, wird gern nieder­ge­brüllt, wer auch diese filmi­schen Texte einge­hender zu lesen versucht.
Auf der anderen Seite der Kluft aber das »Arthouse«-Kino – welches bitte möglichst nur noch als bildungs­bür­ger­liche Wellness-Anstalt statt­zu­finden hat; in bitte möglichst gediegen-biederer Ästhetik einen vermeint­lich (ge)wichtigen »Inhalt« schön ausbuch­sta­biert vor sich hertragen soll.
Was dabei immer mehr an die Ränder und aus der allge­meinen Wahr­neh­mung in die letzten, kleinen Cineasten-Nischen gedrängt wird, das ist eben ein nicht­stan­dar­di­siertes Kino, welches unter nicht nur Einsatz, sondern gar Neuer­fin­dung aller ästhe­ti­schen Mittel indi­vi­du­elle Sicht­weisen auf die Welt mitteilt. Ein Kino, das begreift, dass Bild und Ton sein nicht redu­zier­barer, nicht einfältig eindeu­tiger »Inhalt« sind. Und dass die Sinne und der Geist sich nicht in Wider­spruch, sondern in sich über­schnei­dender Ergänzung befinden. Sprich: Das wahre Kino.
Selbst das Feuil­leton jedoch scheint diese Trennung und Schub­la­di­sie­rung bereits so zu akzep­tieren und, soweit ich bisher fest­stellen konnte, die Kunst­schän­dung bei Billy Lynn mit besten­falls leicht bedau­erndem Schul­ter­zu­cken hinzu­nehmen; sich mit dem blassen, fernen Eindruck des wahren Werks als gleich­wer­tigem Ersatz zu begnügen.

Viel­leicht das Fatalste aber ist das Argument, die Kritiker in den USA hätten ja befunden, dass die 120fps/4K/3D-Ästhetik eher befremd­lich sei und nicht wirklich funk­tio­niere. Also gäb’s keinen Grund, den Film so erleben zu wollen.
Mag ja gut sein, dass ich selbst zu gar keinem anderen Urteil käme, wenn ich des Films je in seiner wahren Gestalt ansichtig würde. (The Hobbit in 48 Bildern/Sekunde hat mich eher an die Ästhetik von altem BR-Geschichts-Schul­fern­sehen erinnert – aber der Film konnte sich ja zwangs­läufig nicht ähnliche Gedanken zu Realismus machen wie Ang Lees Werk.)
Aber nicht nur beharre ich grund­sätz­lich auf dem Recht und der Notwen­dig­keit eigener Meinungs­bil­dung. Es geht hier auch um ein funda­men­tales Miss­ver­s­tändnis des Wagnisses in der Kunst. Wenn jemand vom erwie­senen Rang eines Ang Lee sich auf einen solchen einzig­ar­tigen filmi­schen Versuch einlässt, dann wäre auch das Scheitern als Resultat von Interesse. Das eben liegt ja in der Natur wahr­haf­tiger Expe­ri­mente. Dann wäre daraus, was nicht funk­tio­niert und warum, vermut­lich mehr Erkenntnis zu gewinnen als aus unzäh­ligen brav abschnur­renden Gewohn­heits­filmen. Und auch als aus einer viel­leicht »besser funk­tio­nie­renden« 2D-Version. Der Wert von Kunst liegt nicht in Reibungs­lo­sig­keit.
Das aber ist derzeit wohl am wenigsten gefragt und gelitten: Ein Kino, das sich nicht damit zufrieden gibt, einfach nur zu funk­tio­nieren. Ein Kino, das nach neuen Mitteln und Wegen hascht, auch auf die Gefahr einer Bauch­lan­dung hin. Ein Kino, das der einge­spielten Apparatur eine Absage erteilt und zu seinem Pionier- und Tüft­ler­geist zurück­findet.
Aber es ist offenbar fremd in dieser Zeit und Welt, wer naiv glaubt, einem Film­ver­leih sollte es nicht nur Pflicht sein, solches Kino wenigs­tens minimal adäquat zu präsen­tieren, sondern eine Ehre.

Eros oder Thanatos?

Es ist alles eine große Show. Ein Dutzend Soldaten der US-Armee aus dem Irakkrieg, junge Männer um die zwanzig, gibt eine Pres­se­kon­fe­renz. Sie alle sind hoch­de­ko­rierte »Helden« – Routi­niers eines Krieges, den sie auch jetzt noch nicht nicht verstehen. Sie wurden abge­ordnet, um das Spektakel eines natio­nalen Football-Ereig­nisses noch durch eine zusätz­liche Patrio­tismus-Show zu ergänzen. Flankiert von den knapp beklei­deten, voll­bu­sigen Cheer­leader-Girls des Vereins spulen sie Phrasen und vorge­stanzte, brave Antworten ab: »Zum ersten Mal in meinem Leben fühle ich mich als Teil von etwas, was größer ist, als ich selbst.«

Regisseur Ang Lee entlarvt solche Lügen, in dem er die Medien­show mit ihrem Gerede von »Verant­wor­tung« und »Mut« und »Notwen­dig­keit« dadurch bricht, dass er unechte Antworten sarkas­tisch kommen­tiert, in dem er die Wahrheit dahinter durch Flash­backs und innere Kommen­tare aufscheinen lässt: Diese Wahrheit ist, dass diese jungen Menschen in der Armee zu brutalen, entmensch­lichten Kampf­ma­schinen mutiert sind, dass manche von ihnen schwer gestört sind, oder sadis­tisch, und alle in verschie­dener Form rassis­ti­sche, sexis­ti­sche und trau­ma­ti­sierte Züge und Haltungen an den Tag legen.
Und wem das jetzt zu dick aufge­tragen scheint, zu einseitig, dass er es nicht glauben mag, den möchte man auf den neuesten Bundes­wehr-Skandal hinweisen, um derartige Zweifel zu zerstreuen.

Indem der Film die Show die er zeigt, auf diese Weise gleich­zeitig dekon­stru­iert, bedient Billy Lynn’s Long Halftime Walk aber auch das Vorurteil, dass derartige PR-Auftritte sowieso sämtlich verlogen sind, und die bericht­erstat­tenden Medien mindes­tens naiv, wahr­schein­lich embedded oder verlogen. Zugleich macht er aus der Dekon­struk­tion auch selbst wieder eine Art Show – diesmal eine Satire für all jene, die im Kino­sessel sitzen, und es schon immer besser gewusst haben. Der poten­ti­ellen mora­li­schen und ästhe­ti­schen Fallen sind viele. Schwer ihnen allen auszu­wei­chen.

Während Billy, der höchst­de­ko­rierte der Gruppe und Titelheld des Films, ein 19-jähriger schüch­terner Junge, in der Reihe seiner Kameraden so da sitzt, und es ihm schwer fällt, auf die Fragen der Jour­na­listen überhaupt zu antworten, treffen sich seine Blicke mit denen von Faison, der hübschesten unter den Cheer­leader-Mädchen.
Ein paar Minuten später spricht sie ihn an, und die Tatsache, dass sie sich als »christ­lich« vorstellt, und meint, »Gott hat gewollt, dass wir uns treffen«, steht dem schnellen Sex in den Kulissen nicht im Weg. Nun ist Billy verliebt, und von diesem Moment an steht er in einem Dilemma, welcher Neigung er folgen soll, Eros oder Thanatos?

Der Film begann mit einer kurzen Eröff­nungs­se­quenz, die in den Irak des Jahres 2004 zurück­führt, an dem Billy seinem schwer­ver­wun­deten Sergeanten und Mentor Shroom auf dem Schlacht­feld zu Hilfe eilte. Durch diese Tat wurde er zum Helden, ihr hat er die Einladung in die Halb­zeit­show des NFL-Football Teams der »Dallas Cowboys« am Thank­gi­ving-Tag zu verdanken, wo sie Propa­ganda für den Kriegs­ein­satz machen sollen. Dieser eine Tag in einer durch und durch künst­li­chen Welt, nach dem die Soldaten erneut in den Krieg aufbre­chen sollen, steht im Zentrum der Handlung.

Von Anfang an fühlt sich für Billy alles ungemein irreal an. In schmucken Uniformen sind die Soldaten reine Objekte einer durch­kal­ku­lierten, zynischen Insze­nie­rung. Regel­mäßige Rück­blenden zeigen Billys Fron­t­er­leb­nisse, geben aber auch Eindrücke von seiner Herkunft. Im Zentrum steht hier seine Schwester Kathryn, mit der ihn ein besonders inniges Vertrau­ens­ver­hältnis verbindet. Sie ist die Radikale und Rebellin in einer ange­passten Klein­bür­ger­fa­milie, die typischen Rednack-Patrio­tismus, nach dem »wir« »unsere« Truppen zu unter­s­tützen haben, mit konser­vativ-tradi­tio­na­lis­ti­schen Werten verbindet. Kathryn ist gegen den Krieg, insbe­son­dere, weil sie Angst um ihren Bruder hat, und versucht ihn dazu zu überreden, auszu­steigen.

Ang Lee bestand darauf, den inhalt­lich ambi­tio­nierten Film auch in dem, technisch ehrgei­zigen »Super-high Frame«-Modus (120 Bilder/sec) und in 3D-Format zu filmen. Dass er hier nicht in 3-D läuft, dass er nicht in der erhöhten Framerate läuft – dafür muss man den Verleih loben. Dies ist ein Statement gegen den gras­sie­renden Tech­nik­fe­ti­schismus der Film­in­dus­trie, gegen die Came­ro­ni­sie­rung über Kameras zu reden und Formate, nicht über Form und Inhalte. Die Cine­philen dieser Welt haben um diese Tech­nik­be­geis­te­rung der Nerds immer schon einen Bogen gemacht.

Derart hoch­auf­gelöste Bilder bringen keine stärkere Wirkung oder zusätz­liche Infor­ma­tion. Schon so ist der Film durch­tränkt vom Eindruck unechter gekün­s­telter Poppig­keit. Distanz des Zuschauers ist die Folge. Ansonsten: Konven­tio­nelle Erzähl­weise. Am gelun­gensten sind der Debütant Joe Alwyn und die uner­war­teten Auftritte von Kristen Stewart, Steve Martin und Vin Diesel.

Ang Lees Film ist eine bittere Abrech­nung mit dem Zynismus und den Kriegs­ver­bre­chen Amerikas. In der Paral­le­li­sie­rung von Krieg, Patrio­tismus und Show­ge­schäft, überzeugt der Film und mischt Satire mit Ernst. Insbe­son­dere Steve Martin als Besitzer des Football-Clubs ist großartig und sehr witzig. Schon seines Akzents wegen sollte man den Film auf Englisch sehen.

Doch scheint der Regisseur dies alles selbst wieder zu demen­tieren, wenn er über das huma­nis­ti­sche Mitgefühl mit den Soldaten hinaus auch über­deut­lich korrupte Medi­en­ma­cher, Funk­ti­onäre und Unter­nehmer den unkor­rum­pier­baren Soldaten gegenüber­stellt – so als seien diese Kriegs­hand­werker nur Opfer, als sei das Problem der Täter vor allem ihre Feigheit.

Durch diesen Film zieht sich ein roter Faden des Ressen­ti­ments gegen »das Zivile«: »Ich weiß etwas, was Zivi­listen nicht wissen« meint Billy gegen Ende. Seine Entschei­dung, weiter­zu­kämpfen vertei­digt er mit dem denkbar schwachen Argument gesell­schaft­li­cher Üblich­keiten: »Ich sage nicht, dass es richtig ist, aber es ist auch nicht falsch.« So wird gegen Ende der Männer­bund wieder bruchlos geschlossen. Die vermut­lich kritisch gemeinte Fest­stel­lung »We are a nation of children« tröstet da nicht genug.