In voller Blüte

The Great Escaper

Großbritannien/USA 2023 · 97 min. · FSK: ab 12
Regie: Oliver Parker
Drehbuch:
Kamera: Christopher Ross
Darsteller: Michael Caine, Glenda Jackson, John Standing, Danielle Vitalis, Victor Oshin u.a.
Den inneren Dämonen mit einem Lächeln begegnen...
(Foto: Leonine)

So eine Verschwendung

Michael Caines und Glenda Jacksons letzter Film ist trotz Kitsch auf Glatteis immer wieder auch berührend und klug inszeniert und ein würdiger Abschied

Nein, so ehrenvoll wie Robert Redfords Abgang als Schau­spieler in Ein Gauner & Gentleman (2018) geht es in Oliver Parkers Verfil­mung der wahren Erleb­nisse von Bernard Jordan, der sich 2014 mit 89 Jahren auf den Weg machte, um am 70. Gedenken an den D-Day teil­zu­nehmen, nicht zu.

Nein, Caine darf nicht wie Redford noch ein letztes Mal Gangster sein, sondern das, was er ist: ein alter Mann, der nur mehr über seinen Rollator flüssig laufen kann. An seiner Seite oder bei Spazier­gängen vor ihm im Rollstuhl (der hier den Rollator ersetzt), lebt immer noch seine Frau Irene »Rene«, die Glenda Jackson so fragil wie humorvoll verkör­pert und mit Caine Alltags­se­quenzen des Alterns erspielt, die nicht nur durch den Vergleich mit ihrer letzten gemein­samen Rolle als Ehepaar in Joseph Loseys Die roman­ti­sche Englän­derin (1975) Grauen und Verspre­chen des Alterns zugleich darstellen.

Dabei stört zwar immer wieder die senti­men­tale Flöten­musik, die das Elend des Alterns mit Bilitis-Kitsch zu vernebeln versucht, und es stören auch die im Gegen­schnitt gezeigten, etwas holprigen Flash­backs in die Vergan­gen­heit des Paares, die nah an den plat­testen Bezie­hungs­kli­schees vorbei­schrammen.

Aber zum Glück gibt es Michael Caine und die wahre Geschichte von Bernie, der sich irgend­wann auf den Weg nach Frank­reich macht und nicht nur über eine Bekannt­schaft an die eigenen Traumata erinnert wird, sondern durch eine über­ra­schende Begegnung mit deutschen Kriegs­ve­te­ranen und den Besuch eines Solda­ten­fried­hofs das erste Mal im Leben an die endlose Verschwen­dung von Leben durch Krieg erinnert wird.

Hier hat Oliver Parkers Film sicher­lich seine stärksten Momente, weil akkurat über seine hervor­ra­genden Prot­ago­nisten deutlich wird, wie die inneren Dämonen und Traumata ein ganzes Leben bestimmen. Mehr noch spielt hier dann auch der englische Origi­nal­titel – The great Escaper – seine Stärke aus. Denn mögen die kleinen Fluchten dann und wann gelingen, sind es die gerade großen Fluchten, die immer wieder zum Scheitern verur­teilt sind. Denn auch davon erzählt In voller Blüte: dem Unver­meid­li­chen, den Zwängen, denen niemand entkommt. Damit sind nicht nur das alte Paar gemeint, sondern auch die Ange­stellten im Altenheim und die Personen, auf die Bernie trifft. Was immer du auch versuchst, am Ende holt dich das Leben ein und setzt mit dem Tod dann auch den letzten Punkt.

So ist bei allem Kitsch und aller Stereo­ty­pen­dre­scherei, den In voller Blüte über Bernies Helden­fahrt und seine umjubelte Rückkehr auch bedient, die Stille der eigent­liche Held dieses Film. Und das Verstehen, das nach wenigen Worten dem Gegenüber abge­rungen wird, um am Ende dann doch noch ein paar Momente in Frieden zu leben.

Übrigens ist Bernies Geschichte fast zeit­gleich noch einmal unter dem Titel The Last Rifleman mit Pierce Brosnan in der Haupt­rolle verfilmt worden, in dem Brosnan keinen Engländer wie bei Parker, sondern den Nordiren Artie Crawford verkör­pert, der sich aber genauso wie Caine anläss­lich des 75. Jahres­tages des D-Days 2019 auf den Weg nach Frank­reich macht. Aller­dings ohne eine über­ra­gende Glenda Jackson an seiner Seite, die kurz nach den Dreh­ar­beiten zu In voller Blüte verstorben ist.