USA 1999 · 125 min. · FSK: ab 12 Regie: Jon Turteltaub Drehbuch: Daniel Quinn, Gerald Di Pego Kamera: Philippe Rousselot Darsteller: Anthony Hopkins, Cuba Gooding jr., Donald Sutherland, Maura Tierney u.a. |
Weitaufgerissene Augen – Angst, Wut, Schrecken und unbedingte Gewaltbereitschaft kann man in ihnen lesen. Auch sonst zeigt das Wesen, dem man hier begegnet, wenig Anzeichen des Menschlichen: sein zotteliges Haar, der Dreck mit dem der Gefangene am ganzen Körper übersät ist, läßt ihn erkennen als einen, den allenfalls ein dünner Faden noch an die Zivilisation bindet, aus der er doch herzukommen scheint. Oder doch nicht?
Daß der Mensch vom Affen abstammt, ist seit
längerem bekannt. Daß er möglicherweise wieder zum Affen werden muß, um ein rechter Mensch zu sein, ist eine Entdeckung der letzten 15 Jahre, und nicht zuletzt die Forschungen mancher Filmregisseure – man erinnere sich an die Menschlichkeit des postmodernen King Kong bei Dino di Laurentiis.
♦ ♦ ♦ (a) Erstens gab’s das mit dem Affen und dem Menschen, bzw. umgekehrt, nicht nur schon längst bei Kafka, sondern selbst bei Wilhelm Hauff; sondern (b) Zweitens war der alte King Kong auch schon mindestens so menschlich wie der bei di Laurentiis – meint T.W., der sich hier frecherweise in R.S.'s Text einmischt... ♦ ♦ ♦
Instinkt erzählt die Geschichte eines schweren Traumas. Der schwer beschädigte Mensch, dem wir hier begegnen, war einmal Dr. Ethan Powell (Anthony Hopkins), ein berühmter Naturforscher. Irgendein entsetzliches Erlebnis hat ihn zum wilden Unmenschen gemacht, dessen Bewußtseinszustand unberechenbar zwischen Fluchtimpuls und Angriffstrieb hin- und herschwankt. Wie in einem Kammerspiel wird der Zuschauer mit Powell alleingelassen – und mit dem Psychiater Theo Caulder (Cuba Cooding jr.), der Powell untersucht, und ganz allmählich eindringt in die terra incognita seines Inneren.
Instinkt hätte ein herausfordernder, spannender Film werden können. Doch unter der Regie von Jon Turteltaub, der bisher noch keinerlei Film-Bäume ausgerissen hat, wird alles Potential, das in Plot und Besetzung liegt, verschludert. Auch die Einzelheiten der Story leisten ihren Anteil daran, aus Instinkt eine krude, kitschige Banalität zu machen.
Verstehen läßt sie sich wahlweise als These, daß Affen irgendwie die besseren Menschen
sind; oder – dümmer noch – als Apologie des Neoliberalismus: Wo die Gesellschaft zusammenbricht, und das Leben ein Dschungel ist, und das innere Afrika undurchdringlich, da liegt Freiheit nur darin, daß man den Dschungel freiwillig wählt, und sich wieder in die Wälder zurückzieht – wie einst die amerikanischen Pioniere und heute alle Anarcho-Spinner von den Hippieenkeln bis hin zu rechtsextremen Oklahoma-Attentätern.
Ob man dieser Kritik nun widersprechen mag oder nicht, es gibt noch etwas hinzuzufügen und es hat mit Das Schweigen der Lämmer zu tun.
Das wahre und einzige Vergnügen, das Instinkt bereitet, ist der Wiedererkennungswert: Hannibal Lecter ist die Rolle, mit der Anthony Hopkins gemeinhin identifiziert wird (und insofern verwundert es, daß Instinkt auch von anderen Kollegen nur so selten mit Jonathan Demmes Klassiker in Verbindung gebracht wird). Sollte nicht jeder laut »DAS HAB ICH SCHON MAL GESEHN!!!« schreien, wenn Sir Anthony den »mad scientist« gibt, der sich in langen Gesprächen mit einem Psychologen über die Motive scheinbar sinnloser Morde unterhält? Zumal wenn diese Dialoge in close-ups und Schuß-Gegenschuß dargestellt werden und wenn die Kamera den langen Gang eines Zellentrakts entlangfährt – ob sich nun dieser Gang in einem Krankenhaus oder in der »Psychopathen-Abteilung« eines Gefängnis befindet, es sieht ohnehin in beiden Fällen nach mittelalterlicher Psychotherapie aus.
Wenn nun der wahnsinnige Wissenschaftler zunächst als ein böses animalisches Monster konstruiert wird und sich früher oder später herausstellt, daß wir es doch mit einem Menschen zu tun haben und wenn sich dann dieser »mad scientist« mit Hilfe eines geklauten KUGELSCHREIBERS befreit, sollte man dann nicht dem wohligem Schauer erliegen, den dieses »rip off« erzeugt? Ein Schauer, der uns auch sagt, daß selbst ein Ausnahme-Schauspieler wie Anthony Hopkins es nicht ablehnen konnte, in diese rousseausche Variante von »Hannibal the Cannibal« zu schlüpfen, um noch ein, zwei Dollar hinzuzuverdienen. Dies ist das Vergnügen, das Instinkt bietet.