USA 1997 · 90 min. · FSK: ab 12 Regie: Griffin Dunne Drehbuch: Robert Gordon Kamera: Andrew Dunn Darsteller: Meg Ryan, Matthew Broderick, Kelly Preston, Tchéky Karyo u.a. |
»Du wirst meiner Liebe nicht entgehen,« heißt es in Ödön von Horváths »Geschichten aus dem Wiener Wald«, und mit jenem Fleischhauer Oskar, der diesen Satz äußert, muß Sam (Matthew Broderick) zumindest geistesverwandt sein. Sam ist Astronom in einer kleinen Stadt im Mittleren Westen der USA, und Sam hat das längste Teleskop von allen – mit dem beobachtet er jeden Mittag seine Freundin Linda (Kelly Preston). Um so mehr entsetzt es ihn, als Linda beschließt, daß sie mehr von der Welt kennen lernen möchte als Sams beschaulichen Kleinstadt-Kosmos und nach New York zieht.
Dort findet Linda in Anton (Tcheky Karyo), einem französischen Restaurantchef, eine neue Liebe. Aber Sam ist felsenfest überzeugt: diese Beziehung wird unglücklich verlaufen und Linda zurück in seine Arme treiben. Um zum richtigen Zeitpunkt dann auch tatsächlich zur Stelle zu sein, bezieht Sam einen Beobachtungsposten gegenüber von Lindas Appartement, und von Stund an kartographiert er obsessiv und akribisch jedes kleinste Detail von Lindas Leben, um am entscheidenden Tag bereit zu sein.
Doch bald bekommt Sam unvorhergesehene Gesellschaft: die avantgardistische Künstlerin Maggie (Meg Ryan), die ehemalige Geliebte von Anton, sinnt auf bittere Rache an ihrem Ex, und dazu kommt ihr Sams Observationsposten gerade recht. Die beiden gehen eine Zweckgemeinschaft ein und beginnen, die Überwachung zu perfektionieren. Damit fängt allerdings nicht nur ein böser Psycho-Krieg zu eskalieren an, sondern auch eine Freundschaft zwischen Maggie und Sam, aus der bald mehr wird.
So schmuseweich und knuddelig, wie die Darsteller vom Plakat lächeln, ist Addicted To Love ganz und gar nicht, und wer eine typische Meg Ryan-Liebeskomödie erwartet, wird sich gehörig wundern. Was die beiden Protagonisten unter Liebe verstehen, ist mehr als furchteinflößend (um so mehr, als wahrscheinlich alle, die schon in ähnlicher Situation waren, einen Kern davon bei sich selbst wiedererkennen werden).
In Addicted To Love geht
es um gnadenlose Obsessionen; er ist dem Horrorfilm oder Psychothriller manchmal näher als der Komödie, und nicht selten hat sein Lachen einen Unterton des Wahnsinns. Wie alle guten schwarzen Komödien verliert der Film aber in seiner Auslotung der Grenzbereiche des Humors nie seine Ballance.
Unter der gekonnten Regie des bisher als Schauspieler bekannten Griffin Dunne (After Hours, An American Werewolf in London) entfaltet sich die Geschichte flott und witzig, ohne ihr dunkles Herz zu verleugnen. Es gelingt dem Film erstaunlich gut, einen überzeugenden Kurs zwischen den Klippen des blanken Zynismus und der verharmlosenden Rührseligkeit hindurch zu steuern. Nur hängt es dem Drehbuch noch ein wenig an, daß es ursprünglich für einen Kurzfilm gedacht war: nach einer durchweg brillanten ersten Hälfte kann der Film nicht ganz verbergen, daß er etwas zu rudern hat, um die Existenz der zweiten Hälfte zu motivieren und die Handlung unter Dampf zu halten.
Dafür wird man aber mehr als reichlich mit Sequenzen wie dieser entschädigt: Um Lisa und Anton besser unter Kontrolle zu haben, baut Sam sein komplettes Zimmer zu einer Camera obscura um. Nachdem er die nötigen optischen Apparaturen installiert hat, weißelt er die als Projektionsfläche ausgesuchte Wand, und dabei entsteht, als würde er Löcher schneiden in die Mauern seiner Welt, die den Blick freigeben auf seine Träume, das Abbild von Lisa vor ihm.
Addicted To
Love hat verstanden: um zu zeigen, daß Liebe meist nichts ist außer Projektion, ist das Kino der ideale Ort.