Meine schöne innere Sonne

Un beau soleil intérieur

Frankreich/B 2017 · 95 min. · FSK: ab 12
Regie: Claire Denis
Drehbuch: ,
Kamera: Agnès Godard
Darsteller: Juliette Binoche, Xavier Beauvois, Philippe Katerine, Sandrine Dumas, Nicolas Duvauchelle u.a.
Versonnene Intimität

Ein verzweifelter Reigen

Ein bisschen über­rascht kann man schon sein von Meine schöne innere Sonne, dem neuen Film von Claire Denis.

Dieser präsen­tiert sich nämlich sehr wortreich und voller Dialoge. Und das ist man so nicht gewohnt von ihr, arbeitete sie doch in ihren Filmen bislang vorrangig mit der oft genug sprachlos blei­benden Physis ihrer Figuren, deren Geschichten sich in den Bildern ihrer bevor­zugten Kame­ra­frau Agnès Godard eindring­lich und prägnant, ohne viel Gerede und explizite Bekun­dungen, erzählten.

Diese vertrauten Elemente ihrer Kine­ma­to­gra­phie fehlen in Denis' neuem Film keines­wegs: Die Akteure und ihre physische Präsenz kommen in den äußerst luziden und trans­pa­renten Bildern von Agnès Godard wieder bezwin­gend zur Geltung. Nur dass die Eleganz und der unauf­dring­liche Fluss des Erzählens nun ein größeres Maß an Leich­tig­keit ausstrahlen, ja einen Ton der Heiter­keit aufkommen lassen. Meine schöne innere Sonne ist tatsäch­lich eine dialog­be­tonte Komödie. Eine Komödie über den Liebes- und Bezie­hungs­frust Isabelles, einer Künst­lerin um die fünfzig in Paris. Aller­dings keine roman­ti­sche Komödie. Das könnte allein schon damit zusam­men­hängen, dass der Film inspi­riert ist von den »Frag­menten einer Sprache der Liebe«, jenem Kultbuch des fran­zö­si­schen Zeichen-Philo­so­phen Roland Barthes aus den späten 70er Jahren, in dem Grund­kon­stel­la­tionen der leiden­schaft­li­chen Liebe in intel­lek­tuell-essay­is­ti­scher Verspielt­heit sprach­lich seziert und neu kombi­niert werden. Dabei gibt es keine wört­li­chen Bezug­nahmen, es ist eher das choreo­gra­phi­sche Durch­spielen und Variieren einer einzigen thema­ti­schen Grund­si­tua­tion, was auf Barthes verweist.

Isabelle, Mutter einer Tochter und getrennt von ihrem Mann, sucht verzwei­felt einen neuen Partner und lässt sich nach­ein­ander auf mehrere Bezie­hungs­ver­suche ein. Jenseits einer kurzen Affäre gelingt es ihr nicht, Sex und Liebe zusam­men­zu­bringen. Der abge­klärte und arrogante Banker, der nur Sex will, der selbst­ver­liebte Thea­ter­schau­spieler, der dem prickelnden Davor des Flirts nach­trauert, dann doch wieder der Ex-Mann, ein Zufalls­be­kannter aus einer Provinz­disko, ein Muse­ums­ku­rator…

Eine beliebig wirkende Reihung von Männern, vom Zufall gelenkt: Wenn schließ­lich das Pendel eines in letzter Verzweif­lung aufge­suchten Wahr­sa­gers den Ausschlag geben soll, so ist das ein ironi­scher Finger­zeig auf das Dilemma zwischen Zufall und Bestim­mung, das Part­ner­wahl nicht unbedingt einem Master­plan folgen lässt.

Mit der strikten Reihung verbindet sich das drama­tur­gi­sche Risiko der Monotonie. Doch die vorüber­zie­hende Nummern­revue männ­li­cher Charak­ter­masken bietet ein ideales Format, einige großar­tige Schau­spiel­per­for­mances um die im Zentrum stehende, ihre Para­de­rolle souverän ausfül­lende Juliette Binoche zu entfalten: Wir können hier unter anderen Xavier Beauvois, Bruno Podalydès, Alex Descas und Gérard Depardieu bewundern.
Das Prinzip der Nummern­revue ist das einer Komödie in Reinform: lustige Szenen, Gags, Nummern eben, werden anein­an­der­ge­reiht und nur lose durch die beiläu­fige Alibi-Handlung (hier der miss­lin­genden Part­ner­suche) mitein­ander verknüpft. Die Reihung wird in Meine schöne innere Sonne mit grausamer Kälte und geradezu obszöner Unge­schminkt­heit bloß­ge­legt, so dass letztlich eine Ähnlich­keit mit dem Struk­tur­prinzip von Porno­filmen sichtbar wird (was ja im zweiten Teil des deutschen Kino­ti­tels des Films, »Isabelle und ihre Liebhaber«, nicht witzlos anklingt); und Sex ist durchaus ein ausdrück­li­ches Thema im Film, gleich von der ersten Szene an.

Claire Denis hat die für ihr Werk unge­wöhn­lich reich­hal­tigen Dialoge und das Szenario für diesen verzwei­felten Reigen mit der streit­baren Schrift­stel­lerin Christine Angot erar­beitet. Das toxische Element, das dieser Komödie beige­mischt ist, geht gewiss zu einem großen Teil auf Christine Angot zurück, die gerne »einen Feuer­schweif im öffent­li­chen Diskurs« hinter­lässt, wie die »Süddeut­sche Zeitung« einmal schrieb. Wir haben es nicht mit einer Komödie zu tun, die den mensch­li­chen Schwächen einen nach­sich­tigen Spiegel entge­gen­hält, und es werden keine harmlosen Nettig­keiten verteilt, sondern schon richtig böse Bisse, die insbe­son­dere die Männer treffen. Der giftige Witz liegt zual­ler­erst in der Sprache. Das alltäg­liche Gerede wird in ein Marivaux'sches Tänzeln und Tändeln der Worte überführt, das die Trias von Liebe, Sex und Beziehung in viel­fäl­tigen Volten und Wendungen umspielt.