| Deutschland 2024 · 99 min. · FSK: ab 12 Regie: Leis Bagdach Drehbuch: Leis Bagdach Kamera: Andreas Bergmann Darsteller: Kostja Ullmann, Safinaz Sattar, Husam Chadat, Tom Lass, Nico Seyfrid u.a. |
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| Auf der Suche nach einem Gespenst namens Heimat... | ||
| (Foto: Four Guys / Camino) | ||
Manchmal genügt eine einzige Nachricht, um eine scheinbar stabile Identität ins Wanken zu bringen. Bei Yakoub, genannt Yak, einem Popstar im Glanz seiner Karriere, ist es die Rückkehr seines Vaters – jenes Mannes, der vor über dreißig Jahren die Familie verließ, um nach Syrien zurückzukehren. Jetzt liegt er in Deutschland im Koma. Und mit ihm ist eine 15-jährige Tochter angekommen: Latifa. Eine Schwester, von deren Existenz Yak kaum mehr wusste, als dass es sie irgendwo geben musste.
Von diesem Moment an kippt Yaks durchgestylte Gegenwart in eine andere Erzählung, eine, die er selbst nie wählen wollte. Kostja Ullmann spielt diesen Yak als einen Mann, dessen Selbstbild so sorgfältig kuratiert ist wie seine Musikvideos – und dem doch alles entgleitet, sobald die Realität sich nähert. Die Realität heißt in diesem Fall Latifa, verkörpert von der herausragenden Safinaz Sattar, die mit einer Mischung aus Sturheit, Verwundbarkeit und undurchdringlicher Präsenz Yaks Leben durchquert wie ein Komet, der seine Umlaufbahn verändert.
Sie spricht kein Deutsch. Er kein Arabisch. Das Drehbuch macht daraus weder Folklore noch Problemfall, sondern eine existenzielle Konstellation: Zwei Menschen, die einander zugleich fremd und unvermeidlich nah sind, suchen sich tastend, irritiert, manchmal komisch, manchmal herzzerreißend. Der Film folgt ihnen auf einer winterlichen Reise durch Deutschland – ein Roadmovie ohne Euphorie, aber voller Intensität, getragen von einer Kamera, die Gesichter ernster nimmt als Landschaften und doch beides immer wieder in überraschende Kompositionen bringt.
Bagdach stellt Im Rosengarten, der auf dem 41. Filmfest München 2024 seine Premiere feierte, nicht die große Integrationsdebatte aus, sondern die viel kompliziertere Innenansicht migrantischer Selbstbilder. Wie in Max Frischs Andorra geht es um das gefährliche Eigenleben von Zuschreibungen. Yak und Latifa verhandeln all das, ohne es auszusprechen – die Gespräche mit anderen übernehmen diese Arbeit, fein geschrieben, präzise, teils von leiser Komik durchzogen. Gleichzeitig merkt man Bagdach hier und da an, dass er viel will, vielleicht ein wenig zu viel:
Ullmanns Yak trifft auf Menschen, die ihn spiegeln, herausfordern, irritieren: Verena Altenberger, Tom Lass, Petra Schmidt-Schaller, und der bemerkenswerte K.I.Z.-Rapper Nico Seyfrid, der als Schauspieldebütant ebenso überzeugt wie als Komponist zweier Songs, die dem Film ein eigenes rhythmisches Zentrum geben.
Bagdachs große Stärke liegt im Vexierspiel: Migrantische Realität erscheint nie als eindeutiges Faktum, sondern als verschiebbares Muster – mal hyperreal, mal traumhaft, mal alltäglich. Die Winterlandschaft, die kalten Städte, die Fahrten, die Bahnhöfe, die Zwischenräume: All das wird zum Resonanzraum einer Identitätssuche, die nicht linear verläuft, sondern sich in Kreisen, Abbrüchen und Umwegen entfaltet. Hier gerät das Erzählmosaik gelegentlich ins Wanken: Die erzählerische Komplexität verlangt dem Plot viel ab, und nicht jeder Faden bleibt gleich straff, manche Szenen wirken leicht überfrachtet, manche Übergänge holprig, so als würde der Film den Anschluss an seine eigene Ambition verpassen, also wolle Bagdach hier und da ein wenig zu viel.
In den letzten Minuten kulminiert der Film in einer Szene, die das bisherige Schweigen von Yak und Latifa mit einem einzigen künstlerischen Akt durchbricht. Die Musik übernimmt die Rolle der Sprache, und plötzlich wird klar, dass Bagdach seinen Film von Anfang an auf diesen Moment hin komponiert hat. Das erinnert an Wittgenstein, nur halt ein wenig anders: Worüber man nicht sprechen kann, darüber muss man singen.
Im Rosengarten ist ein gelungener, immer wieder überraschender Film über Herkunft, Brüchigkeit und das Wünschen nach Zugehörigkeit – aber auch über das neue Deutschland, das in solchen Geschichten sichtbar wird. Ein Deutschland, das nicht durch Parolen definiert ist, sondern durch Menschen, die sich so mühsam wie zärtlich aneinander herantasten. Es ist ein Film, der es nicht nur verdient hat, in die deutschen Kinos zu kommen, sondern auch an die deutschen Schulen, um wichtige, unerlässliche Aufklärungsarbeit für das Deutschland zu leisten, das wir gerade im Begriff sind zu bauen.