D/LV/NL/RUS/BY 2012 · 128 min. · FSK: ab 12 Regie: Sergej Loznitsa Drehbuch: Sergej Loznitsa Kamera: Oleg Mutu Darsteller: Vladimir Svirski, Vlad Abashin, Sergei Kolesov, Nikita Peremotovs, Julia Peresild u.a. |
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Bedeutungsschwangere Begegnung |
Im Nebel (im Original: V tumane) des Russen Sergei Loznitsa ist ein Schuld und Sühne-Drama. Angesiedelt in der von der deutschen Wehrmacht besetzten Ukraine um 1942/43 geht es um eine Gruppe repräsentativer Figuren. Eine Gruppe von Bauern entzweit sich. Einer von ihnen ist ein Partisan, und soll einen anderen hinrichten. Es handelt sich dabei um seinen unter Kollaborationsverdacht stehenden Kindheitsfreund. In langen Rückblicken und elliptischer Struktur erzählt der Film nun die Geschichten der Figuren: Von einer Handvoll Bauern, die von den deutschen Besatzern zur Zwangsarbeit verpflichtet wurden, von deren törichtem Anschlag auf einen deutschen Nachschubtross, und von Sushenya, dem Klügsten unter ihnen, der als einziger die Dummheit nicht mitmachen wollte und darum unter Verdacht steht. Die Partisanen Burov und Voitek müssen den schmutzigen Job der »Disziplinierung« der sowjetischen Heimatfront übernehmen. Sie holen Sushenya von zuhause ab, er wehrt sich nicht, sondern ergibt sich in die Logik des Todes. Aber vor seiner Hinrichtung kommt es zu einem Gefecht, und seine Wächter werden verwundet. Man will sich zu dritt hinter die Linien durchschlagen. Dies wird zu einer Reise in die menschliche Finsternis...
Der Weißrusse Sergej Loznitsa wurde 1964 geboren. Er ist noch ein Kind der 80er-Jahre, des sowjetischen Kinos vor dem Mauerfall, der versteckten symbolistischen Anspielungen, der Ironisierung der Propaganda, aber auch der neuen Freiheiten unter Gorbatschows Tauwetter. In seinen Filmen geht es immer wieder sehr »klassisch russisch« um Schuld und Vergebung, um das Leben als Vorhof der Hölle, aber auch um sowjetische Ästhetik: Sein Dokumentarfilm Blockade montierte 2005 Bilder aus dem Zweiten Weltkrieg. Jener »Große Vaterländische Krieg« ist im Bewusstsein Loznitsas noch nicht zuende. Aber wenn aus der Vergangenheit keine Schlüsse gezogen werden, wird das Leben zum Teufelskreis.
Diesen Teufelskreis entfalten Loznitsas Filme, wie auch die seiner osteuropäischen Seelenverwandten Andrej Tarkowski und Béla Tarr. Ohne Musik, in reduzierten Dialogen, provozierend langsamen Kamerabewegungen schleppt sich dieser Film dahin; still, kontemplativ, Arthouse-Manierismen, verschenkte CinemaScope-Bilder, die dazu dienen, die biedere Geschichte von einem aufrechten Moralisten und der schlimmen Welt zu erzählen, von der bösen Politik, die das Leben, das doch sonst so ehrlich wäre, korrumpiert, vom armen Tor, der sich selbst um Leichname kümmert, bevor er sein Leben rettet.
Loznitsas zweiter Spielfilm – nach dem aufregenden apokalyptischen Mein Glück – ist eine Passionsgeschichte, deren drei Protagonisten von Anfang als Verdammte erscheinen, und am Ende vorhersehbar alle tot sind. Ein quälender, schwerblütiger bedeutungsschwangerer Männerlaberscheiß, völlig unnötig in die Länge gezogen, ein Werk, das aus dem Nebel kommt.