Schweiz 2013 · 112 min. · FSK: ab 0 Regie: Mano Khalil Drehbuch: Mano Khalil Kamera: Mano Khalil, Steff Bossert Schnitt: Thomas Bachmann |
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Keine einfache Geschichte |
Dass Bienen eine existentialistische Bedeutung haben, ja quasi systemrelevant sind, wissen wir spätestens seit More Than Honey der, übrigens wie Der Imker auch, ein Schweizer Dokumentarfilm ist. Der Imker des Regisseurs Mano Khalil (Unser Garten Eden, 2010) hat 2013 den „Prix de Soleure“ auf den Solothurner Filmtagen gewonnen und auf dem DOK.fest München den ersten Preis im deutschen Wettbewerb. In beiden Bienen-Filmen sind es die Bienen, diese kleinen Insekten, die als Sinnbild für das gemeinschaftliche Leben und die Bedeutung auch der Kleinsten auf der Erde stehen. Für den passionierten Imker Ibrahim Gezer in Der Imker, dienen sie außerdem als Vorbild für das Leben in der Familie. »Die Biene ist ein kluges Wesen! Ich wollte meine Familie immer so ordnen, wie sie es macht.« Die Bienen waren aber auch seine Tarnung, als er sich sieben Jahre in den Bergen verstecken musste. Der Imker erzählt die Geschichte des Kurden Ibrahim und seiner Familie, die aus der Türkei in die Schweiz geflüchtet sind.
Frühmorgens, irgendwo in der Schweiz ist jemand damit beschäftigt, seine Bienenvölker umzuziehen. Das Umziehen von Bienen und die Sensibilität, mit der dabei vorgegangen werden muss, sind, ebenso wie das Fahren Ibrahims mit dem Zug, sind Bilder für das Flüchten, aber auch das Ankommen, denn Ibrahims Geschichte ist, so dramatisch und traurig sie auch im ersten Moment erscheint, eine positive Geschichte, eine Geschichte des Überlebens und des Weitermachens, eine Geschichte über die Liebe zu den Bienen und das Zutrauen zu den Menschen. Das beruhigende Summen der Bienen über allem ist Ibrahims Halt, seine Erdung, seine Verknüpfung mit der Vergangenheit aber auch mit der Gegenwart und der Zukunft.
Ibrahims Geschichte ist keine einfache Geschichte, sie ist geprägt von der Flucht, der kurdischen Guerilla, dem Verstecken vor der türkischen Armee und dem Tod. Tag um Tag sucht Ibrahim das Foto seines Sohnes Ali, der ebenso wie seine nun tote Tochter zur Guerilla ging, unter den Fotos der Toten in einer kurdischen Zeitung. Das Dorf, in dem die Familie gelebt hat, lag inmitten der kurdischen Berge, die besonders in den Neunziger Jahren zum Schauplatz des bewaffneten Konflikts zwischen Kurden und Türken geworden waren. Der Film ist aber tatsächlich, wie sein Protagonist, vordergründig wenig politisch, er interessiert sich viel stärker für Ibrahim, seine Familie, die Flucht von immerhin sieben Kinder und ihm in die Schweiz, die neugewonnenen Freunde und die Bienen. Aber natürlich passiert all das vor dem Hintergrund dieses Konfliktes.
Nichts ist Ibrahim geblieben, dabei ging es ihm so gut, er hatte 500 Bienenvölker, ein Haus, ein Auto und natürlich seine Familie, jetzt hat er nur eine Ein-Zimmer-Wohnung über einer Bar, von der der Zigarettenrauch zu ihm nach oben zieht und ab und an muss er zum Sozialamt. Trotzdem hat Ibrahim nicht aufgegeben, er hat schnell neue Schweizer Freunde gefunden, weil er die Menschen sehr gern hat, wie er sagt, er nennt dies „Gefühlssprache“. Trotz des Schrecklichen, das er erlebt hat, hat er sich ein unerschütterliches Vertrauen in den einzelnen Menschen bewahrt, egal welcher Herkunft dieser ist und in das Leben selbst.
Der Film erzählt nebenbei auch von den Tücken der Bürokratie, mit denen er sich geduldig und freundlich lächelnd herumschlägt. Beim Arbeitsamt fragt er beständig nach den Bienen, dabei gilt Bienenzucht in der Schweiz als Hobby und eben nicht als Beruf, er muss also noch etwas anderes „arbeiten“, in diesem Fall, wen wunderts, man befindet sich schließlich in der Schweiz, sortiert er Ricola-Tüten in einen Pappkarton, eine Integrations- oder schlicht eine Beschäftigungsmaßnahme, dabei ist Ibrahim doch beschäftigt und er ist integriert. Der dichte weiße Schnauzer hebt sich unter dem etwas resignierten Blick, er kämpft fortan für seine Pensionierung.
Es ist ganz Ibrahims Film, er ist es, der im Fokus steht, nie redet jemand über ihn. Das ist sicher eine grundsätzliche Entscheidung des Regisseurs und sie ist legitim, allerdings entstehen so ein paar blinde Flecken. So erfährt man nichts von Ibrahims politischer Einstellung, seiner Einstellung zum türkisch-kurdischen Konflikt oder zu seinem Verhältnis zur kurdischen Guerilla, er verhält sich dazu distanziert. Auf der Internetseite erfährt man ein wenig mehr darüber, in welchem Austausch er mit den Kämpfern stand. Offenbar lernte er sie kennen und interessierte sich für das, was sie taten und er lud sie zu sich nach Hause ein. All das ist tatsächlich nachvollziehbar, denn man spürt Ibrahims Interesse für Menschen, in einem Land mit diesem ungelösten Konflikt allerdings ist es gefährlich. Daraufhin setzten Repressionen von Seiten der türkischen Armee gegen die Familie Gezer ein, an denen diese schließlich zerbrach. Das Verhältnis zu seinen Kindern, die auch im Film auftauchen, ist allerdings nicht so recht einzuschätzen, die beiden Töchter und der Sohn verhalten sich merkwürdig kühl ihrem Vater gegenüber. Ob das nun an der Kamera liegt oder an etwas anderem, bleibt ungeklärt. Einzig die Beziehung zu den Enkeln, besonders zu einem, ist sehr innig, Robin, ihn führt er in seine Bienenleidenschaft ein. Mit ihm zusammen baut er im Winter einen kleinen Schneemann mit Karottennase und Olivenmund, damit kein Fuchs den Bienen zu Nahe kommt: »Jetzt können wir nach Hause gehen, die Bienen sind in Sicherheit!«