Großbritannien 2010 · 111 min. · FSK: ab 12 Regie: Stephen Frears Drehbuch: Moira Buffini Kamera: Ben Davis Darsteller: Gemma Arterton, Roger Allam, Bill Camp, Dominic Cooper, Luke Evans u.a. |
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Beziehungsreigen, bunt & überraschend |
Da dachte man schon, die Zeit der krampfhaft neckischen deutschen Verleihtitel sei vorbei, da beschert uns Immer Drama um Tamara ein neues unsägliches Beispiel dieser fast ausgestorbenen Kunst. Dabei wäre es so einfach gewesen, den Originaltitel zu belassen, der wie die gleichnamige Graphic Novel von Posy Simmonds, die die Vorlage abgab, einfach nur Tamara Drewe heißt. Wer sich aber von dem infantilen Titel nicht abhalten lässt, den Film zu sehen, kann durchaus vergnügliche 110 Minuten erleben.
Der englische Regisseur Stephen Frears führt den Zuschauer in den ländlichen Ort Ewedown in der englischen Grafschaft Dorset, wo der erfolgreiche Krimi-Autor Nicholas Hardiment mit seiner Frau Beth eine Farm und Pension führt, in der einige Möchtegernschriftsteller wahlweise Inspiration oder die ländliche Idylle suchen. Von diesem witzig-satirisch beleuchteten Hort der literarischen Eitelkeiten ausgehend, versammelt die Geschichte eine ganze Reihe von Personen, die – verstrickt durch verschiedene Handlungsstränge – einen bunten Beziehungsreigen aufführen, der unter anderem mit einem tödlichen Unfall und einer romantischen Erfüllung endet.
Während sich im Kreise der Autoren alles um die erste Veröffentlichung dreht und der Bestsellerautor als Platzhirsch alle, vor allem ehelichen, Freiheiten und die volle Anerkennung genießt, kämpfen im Dorf die Teenager Casey und Jody gegen die tödliche Langeweile und haben sich dazu die Bushaltestelle des kleinen Ortes als ihr Hauptquartier ausgesucht. Von hier aus beobachten sie die Erwachsenen und bringen mit ihren unverschämten Aktionen das Handlungskarussell in Schwung. Vor allem Jessica Barden als Jody bringt dabei einen herrlich anarchischen Drive in die Geschichte, die sonst etwas zu beschaulich vor sich hin schaukeln würde. Auftritt der Titelfigur Tamara: einst ein ganz normaler und dazu auffallend großnasiger Teenager, kommt sie mit schönheitsoperierter Nase als strahlend attraktive und erfolgreiche Kolumnistin aus London in ihr Heimatdorf zurück, um das Haus ihrer Mutter herzurichten und zu verkaufen. Von dem Moment ihres herrlich albernen Auftritts in engsten Hot Pants an macht sie die Männer des Dorfes inclusive des Bestseller-Schürzenjägers und des Rockidols Ben verrückt. Natürlich bekommt sie am Ende der gut aussehende Naturbursche und handwerklich geniale Jugendfreund (Luke Evans)...
Erstaunlich ist die Vielzahl an Themen, Beziehungen und Tonlagen, die der Film zu bieten hat. Und dazu ein tolles Darstellerensemble. Da ist die eigentlich ernste Ehekrise des Hardiment-Paares, witzig gespielt von Roger Allam (eitel, selbstverliebt) und Tamsin Greig (naiv, gutherzig, fleißig – Emma Thompson lässt grüßen), in der es um sexuelle Treue, Loyalität und Arbeitsteilung geht. Beth löst sich langsam aus dem großen Schatten ihres Mannes, der sie hemmungslos hintergeht und ausnutzt und öffnet sich damit den Annäherungen von Glen McCreavy (routiniert neurotisch: Bill Camp), einem larmoyanten Loser, aber ernsthaften Thomas Hardy-Biographen, der den literarischen Antagonisten zum seichten, aber erfolgreichen Krimiautor abgibt. McCreavy verliebt sich in die Hausherrin und verliert dank ihrer einfühlsamen Hilfe langsam seine Schreibblockade. Und da wäre auch noch der Rockstar Ben (herrlich dumm, finster und affektiert gespielt von dem wandlungsfähigen Dominic Cooper), der – gerade als er mit seiner Musikgruppe im Dorf auftritt – eine Krise durchmacht, und dem eine Affäre mit Tamara gerade recht kommt, um sein Ego wieder aufzupeppen und seine sexuelle Durststrecke zu überwinden. Diesen Ben haben sich nun aber auch die beiden Dorfteenager zum Objekt ihrer pubertären Begierde erkoren und observieren ihn rund um die Uhr, wobei es zu dramatischen Verwicklungen kommt, als sie sich immer dreister in das Leben ihres Idols einmischen. Wie schon gesagt bringt vor allem dieser Handlungsstrang eine ganz andere Art von spontaner Energie in den Film ein, der sich sonst recht oft auf die satirische Wirkung von ausgespielten Stereotypen (Naturbursche, Sexbombe, eitler Autor, gutmütige Ehefrau, tumber Rockstar) verlässt und mit seiner vermeintlichen Hauptfigur Tamara auch nicht gerade ein vielschichtiges Zentrum besitzt. Gemma Arterton, der aufstrebende Blockbuster-Star (Prinzessin Tamina in Prince of Persia) mit seriöser Theaterausbildung, ist zwar überaus attraktiv, aber ihre Filmpassagen wirken allesamt berechenbar, banal und blutleer. Diese Art der romantischen Komödie hat man eben schon sehr oft gesehen: Die Frau aus der Stadt verliebt sich nach Irrungen und Wirrungen am Ende wieder in ihre Jugendliebe aus dem Dorf. Für Spaß und herrliche Überraschungen sorgen derweil andere Liebes-Beziehungen, satirische Spitzen gegen den Literaturbetrieb und dramaturgische Kniffe, so dass dieser Film fröhlich die Genregrenzen sprengt und intelligent unterhält.