Japan/D 2016 · 91 min. · FSK: ab 16 Regie: Sabu Drehbuch: Sabu Kamera: Koichi Furuya Darsteller: Masatoshi Nagase, Hiroki Suzuki, Erika Okuda. Tetsuya Chiba, Arisa Nakajima u.a. |
||
Die Glücks-Maschine |
Ein Fremder mit Namen Kanzaki (Masatoshi Nagase) kommt in eine verschlafene japanische Kleinstadt. Bei sich trägt er einen Koffer, der eine merkwürdige Apparatur enthält: eine Art Helm, der über und über mit an langen Stäben steckenden Knöpfen versehen ist, die an überdimensionale alte Schreibmaschinentasten erinnern. Diesen mysteriösen Helm setzt Kanzaki den alten, lethargischen Bewohnern auf den Kopf, drückt ein paar Tasten, dreht an weiteren und – zack! – aktiviert die Erinnerung an das schönste Ereignis in deren Leben. Nach anfänglicher Skepsis ist der Bürgermeister schnell stark begeistert: Dieser Wunderhelm könne seiner freudlosen Gemeinde ganz neue positive Impulse geben. Doch Kanzaki verfolgt eine geheime private Agenda, bei deren Ausführung sich zeigen wird, dass hier noch ganz andere Dinge unter der Haube verborgen liegen.
Happiness ist neben dem Crimethriller Mr. Long das neuste Werk des sich »Sabu« nennenden japanischen Filmemachers Hiroyuki Tanaka. In dem mysteriösen Drama nimmt der mit kinetischen Cyberpunkfilmen, wie Dangan Runner (1996) und Drive (2002), bekannt gewordene, fernöstliche, Auteur komplett den Fuß vom Gaspedal und lässt den Film schleichend langsam ausrollen. Mit der ausdruckslosen Miene eines Staubsaugervertreters bringt der Fremde seinen geheimnisvollen Glücksapparat an die Frau und den Mann. Doch er will nichts verkaufen, sondern nur Menschen glücklich machen. Dass die Bewohner dieser Kleinstadt das bitter nötig haben, verdeutlich auch das trübe Grün, Grau und Braun, in das sämtliche Szenerien getaucht sind.
Happiness zeigt eine Gesellschaft, deren Lebenskraft kurz vor dem Versiegen ist. Aufschluss über die möglichen Ursachen der Misere geben die unter der magischen Haube erlebten Momente höchsten persönlichen Glücks: All diese plötzlich wieder in die bewusste Erinnerung zurückkehrenden Glücksmomente erscheinen in strahlendem Licht. Es sind selten glorreiche Augenblicke großer persönlicher Triumphe, sondern viel häufiger kleine Episoden unbeschwerten familiären Glücks. Dieses Glücksgefühl scheint den Menschen abhanden gekommen zu sein. Kanzakis Mission ist die Wiederbelebung von Erinnerungen. Wenn die zuvor mürrischen Gesichter der Helmträger plötzlich zu strahlen beginnen, fängt auch der ansonsten stets abwesend erscheinende Glücksbote mit einem Mal erfreut zu lächeln an.
Trotzdem trauen wir diesem undurchschaubaren Protagonisten nicht wirklich in seiner Rolle als selbstlosen Glücksbringer über den Weg. Als ein paar Jugendliche seinen Helm zu klauen versuchen, zeigt sich erstmalig, was der Zuschauer längst geahnt hat:
Kanzaki kann auch ganz anders!
Nach dem ersten Filmdrittel offenbart sich plötzlich mit voller Wucht, weshalb einst ein alter Akupressurmeister zu Kanzaki gemeint hatte, dass das höchste Glück und der größte Schmerz sehr eng beieinanderliegen. Von diesem Meister hat Kanzaki auch gelernt, dass er zur Aktivierung entsprechender Erinnerungen nur die richtigen Knöpfe drücken muss.
Obwohl Sabu weiterhin ein äußerst gemächliches Tempo beibehält, wechselt Happiness in der folgenden Stunde komplett seine Gestalt. Der zuvor streng lineare Handlungsverlauf wird mit einem krachenden Schlag in einzelne Splitter zersprengt, die sich erst nach und nach zu einer schlüssigen Geschichte zusammenfügen. Doch sobald beim Zuschauer die Erkenntnis über die größeren Zusammenhänge und die tiefere Intension von Kanzaki einsetzt, wirft all dies ein ganz neues Licht auf das zuvor Gezeigte. Glück und Unglück erweisen sich als weit enger ineinander verwoben, als man dies gewöhnlich denken mag. Dabei verwandelt sich Happiness zwischenzeitlich vom quälend langsamen Arthousedrama fast in einen Genrefilmreißer. Doch schließlich entpuppt sich die vermeintliche 180-Grad-Drehung als ein gewagter U-Turn zurück zum Anfang.
Die Schlussszene ist erneut so bedächtig, dass das wahrscheinliche tatsächliche Ende der Filmhandlung schnell übersehen werden kann. Dies passt zu einem Film, dessen Sinnhaftigkeit tatsächlich im Auge des Betrachters liegt – und der sich deshalb auch erst im Kopf des Betrachters zu einem stimmigen Ganzen zusammenfügen kann.