USA 1997 · 110 min. · FSK: ab 12 Regie: Alfonso Cuarón Drehbuchvorlage: Charles Dickens Drehbuch: Mitch Glazer, Charles Dickens Kamera: Emmanuel Lubezki Darsteller: Ethan Hawke, Gwyneth Paltrow, Robert de Niro u.a. |
Zugegeben: David Lean ist schon ein Brocken. An dem frühen und besten Film des britischen Meisterregisseurs muß sich messen lassen, wer eine Neuverfilmung von Charles Dickens' Roman »Great Expectations« wagt. Schon das Buch als solches ist fast unverfilmbar, und dann noch der Fight mit einem echten Championdas kann auch echte Regiekönner überfordern.
Könnte man daher sagen, daß der mexikanische Regisseur Alfonso Cuarón mit seiner Neuverfilmung »grandios gescheitert«
sei, wäre dies immerhin schon etwas. Aber Pustekuchen, Cuarón hält die ersten Runden, sprich 20 Minuten einigermaßen mit, danach aber geht er und sein Film in Nullkommanichts k.o.
Cuarón kam sich wohl sehr gescheit und sicherlich wahnsinnig trendy vor, als er die Geschichte aus dem England des 19.Jahrhunderts in die US-Südstaaten und ins New York der Gegenwart verlagerte. Pech nur, daß man das mit Dickens nicht so einfach machen kann. Denn dessen Roman ist ja nicht zuletzt ein
Gesellschaftsportrait. Geschildert werden neben einer bestimmten historischen Epoche auch Klassenverhältnisse. Genau dies geht nun weitgehend verloren, und damit auch die ganze epische Kraft der Geschichte vom Aufstieg eines armen Jungen.
Überzeugen kann allein der Anfang, die Kindheitsszenen, in denen die Hauptfiguren Finn und die kleine, unglaublich arrogante Estelle sich begegnen. Hier entsteht so etwas wie Poesie. Danach aber reiht sich eine Oberflächlichkeit an die
nächste. Übrig bleibt die läppische Story vom Aufstieg des Künstlers, der zunächst an den eigenen Fähigkeiten zweifelt, dann aber durch einen heimlichen Gönner diskret zu Ruhm, Selbstbewußtsein und Geld geleitet wird. Schließlich sehen wir noch ein bißchen von der New Yorker Künstlerszene, zwei weitgehend verschenkte Auftritte von Robert de Niro, und ein Happy End, das keinen anderen Zweck erfüllt, als den Zuschauer ohne weiteres Kopfzerbrechen heimzuschicken.
Reinrennen
werden die Leute in den Film natürlich trotzdem, und sei es nur, weil Gwyneth Paltrow und Ethan Hawke mitspielen, zu denen an dieser Stelle wohl auch noch etwas gesagt werden muß. Hawke ist ein Darling der Frauen, und zugegeben ein ganz guter Schauspieler. Aber warum, warum nur muß er sein ranziges Slacker-Outfit so kultivieren, das doch längst wieder aus der Mode kommt ? Hat er Streit mit seinem Friseur, oder wollte er nur so aussehen wie Brad Pitt, um die Paltrow bei den Dreharbeiten
leichter rumzukriegen ? Letzteres zumindest scheint ihm nicht gelungen zu sein. Gwyneth Paltrow ist nach dem »schönsten Irrtum meines Lebens« (Paltrow über Pitt) nun endlich in der upper-middle-class angekommen. Wer sie vor 14 Tagen auf der Berlinale erlebte, konnte sehen, wie hochgeschmeichelt sie war, als Journalisten sie mit Audrey Hepburn verglichen. Und wer würde nicht gern einmal mit ihr bei Tiffany frühstücken ? Was ihre Ausstrahlung angeht, vom schauspielerischen Können
ganz zu schweigen, ist es bis zur Hepburn aber noch ein weiter Weg. Gwyneth Paltrow kann verführerisch und charming wirken, aber das ist es dann auch. Bisher spielte sie nichts weiter, als nette und patente, hübsche aber nicht zu schöne, passive junge Frauen. Mit Lederjacke oder einem Colt in der Hand kann man sie sich nicht vorstellen. Vielleicht wird das ja in dem Thriller anders, den sie gerade mit Michael Douglas abgedreht hat. Dann wissen wir mehr.