Großbritannien/Irland 2012 · 103 min. · FSK: ab 6 Regie: Lisa Barros D'Sa, Glenn Leyburn Drehbuch: Colin Carberry, Glenn Patterson Kamera: Ivan McCullough Darsteller: Richard Dormer, Jodie Whittaker, Michael Colgan, David Wilmot, Dylan Moran u.a. |
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Punk als absolutes Lebenselixier |
Der Nordire Terri Hooley hat ein prägendes Kindheitserlebnis und seine Reaktion darauf deutet bereits seinen gesamten weiteren Lebensweg an: Als Terri eines Tages unschuldig im Garten spielt, schießt ihm ein Nachbarkind versehentlich mit einem Pfeil ein Auge aus. Terris lakonischer Kommentar: »Von daran sah ich die Dinge anders, als die anderen.« Aus Kindern werden Erwachsene; und in Belfast werden aus Spielzeug-Pfeilen höchst reale Bomben. Doch Terri will weiterhin nur spielen, denn er ist DJ.
Belfast Ende der 70er-Jahre: Während in der Stadt ehemalige Freunde und Verwandte zu tödlich verfeindeten Katholiken oder Protestanten geworden sind, will sich ein einziger Mann weiterhin nicht die gute Laune vermiesen lassen: Terri Hooley (Richard Dormer) ist ein enthusiastischer Musikfreak und ein passionierter DJ. Trotz seines Enthusiasmus muss er eines Tages zur Kenntnis nehmen, dass sich kaum jemand mehr in den kleinen Klub hinein traut, in dem er auflegt. Nachts ist jeder Gang auf die Straße ein tödliches Risiko. Wer wagt es da schon sein Leben zu riskieren, nur um ein wenig Spaß zu haben?
Terri lässt sich jedoch nicht entmutigen. Mit dem ihm eigenen Wahnwitz beschließt er die Flucht nach vorne und macht ausgerechnet an der meist umkämpften Straße Belfasts – welche den protestantischen, vom katholischen Teil der Stadt trennt – einen kleinen Plattenladen auf. Zur Werbung und als Sicherheitsmaßnahme verschenkt er anfangs an die berüchtigsten Streithähne einige seiner Platten. Im Gegenzug verlangt er in seinem Laden Waffenstillstand und dass er selbst am Leben gelassen wird.
Zuerst verkauft Terri überwiegend Hippiemusik, aber irgendwann bringt ihn ein Kunde darauf, dass Punk die neue Musik der Stunde ist. Terris erstes Punk-Konzert wird für ihn zu einem wahren Erweckungserlebnis. Da die auftretende Belfaster Band „Outcast“ noch keinen Plattenvertrag hat, gründet Terri schnell sein eigenes Label. Als er die erste Single herausbringt, müssen aus Kostengründen sämtliche Plattenhüllen in Terris Laden per Hand gefaltet werden. Es ist der blanke Wahnsinn, doch Terri hat seinen Spaß...
Die nordirische Punkszene wurde nie so bekannt, wie die von Metropolen, wie London oder New York. Dafür erwies sich der Punk in Belfast im Gegensatz zu dem in diesen große Metropolen als besonders langlebig. Terri Hooley hat dafür eine so einfache, wie passende Erklärung parat: Die anderen haben vielleicht die cooleren Klamotten, aber die Belfaster haben den richtigen Grund. Punk ist dort kein kurzlebiges Modephänomen: Für viele ist die Musik ein absolut notwendiges Lebenselixier; ein Schrei nach Leben, der aus tiefstem Herzen kommt.
Das ist die Botschaft, welche die Filmemacher Lisa Barros D’Sa und Glenn Leyburn in ihrem Biopic über den als Godfather of Punk in die Belfaster Geschichte eingegangenen Terri Hooley in Good Vibrations vermitteln. Das ist so schlicht, wie es zugleich – im wahrsten Sinne des Wortes – entwaffnend ist. Ist der Begriff „Punk“ in anderen Kontexten oft ein Synonym für eine ausgestellte „No Future“-Haltung, erscheint die im Film gezeigte Bewegung als eine Verweigerung sich die gute Laune austreiben zu lassen. Zugleich ist die Belfaster Punk-Szene ein fast morbider Tanz auf dem Vulkan – wo man nicht wusste, ob man am nächsten Tag noch lebt, wollte man wenigstens den aktuellen Tag genießen.
Terri verkörpert diese widersprüchlichen Aspekte in seiner eigenen Person. Zum einen besitzt er einen unbeugsamen Frohsinn, der sich durch nichts so schnell aus der Fassung bringen lässt. Andererseits zeugt sein Verhalten von einem Mangel an Willen wirklich Verantwortung zu übernehmen, der eindeutig selbstzerstörerische Züge trägt. So bringen ihn seine Leidenschaft und sein Idealismus oft unnötig an den Rand des Ruins. Selbst Terris ihn stets unterstützende Freundin und spätere Frau Ruth (Jodie Whittaker) muss irgendwann einsehen, dass für Terri seine Musiker seine wahre Familie sind.
Genauso leidenschaftlich und unausgewogen ist auch dieser Film. Good Vibrations ist keine differenzierte Geschichtsaufarbeitung, sondern ein Feel-Good-Movie in einem denkbar düsteren Umfeld. Doch genau deshalb springt der Funken über und bereitet Good Vibrations jede Menge Spaß. Nebenbei vermittelt der Film auf rotzfreche Weise eine ermutigende Botschaft. Good Vibrations ist ein trojanisches Punk-Pferd, das zahlreiche zu guter Stimmung entschlossene Freaks auf die Menschheit loslässt. Es ist ein kleiner Film, der Großes schafft und den man einfach gernhaben muss.