| USA 2025 · 74 min. · FSK: ab 16 Regie: Ben Leonberg Drehbuch: Ben Leonberg, Alex Cannon Kamera: Wade Grebnoel Darsteller: Shane Jensen, Arielle Friedman, Larry Fessenden, Stuart Rudin, Anya Krawcheck u.a. |
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| Hundi allein zu Haus | ||
| (Foto: DCM Film Distribution) | ||
Good Boy ist zunächst einmal das perfekte Produkt. Das lässt ihn so raffiniert, aber auch ein wenig reibungslos erscheinen. Seine Prämisse klingt außergewöhnlich genug, um aus der Masse herauszustechen. Zugleich ist er konventionell genug inszeniert, um niemanden zu verschrecken. Und dieser süße Hund in der Hauptrolle hat die Zuneigung des Publikums sowieso sicher. Konsequent also, dass es der Horrorfilm, der hierzulande zunächst nur als Heimkinostart angekündigt wurde, doch noch auf die große Leinwand geschafft hat. Pünktlich zur Halloween-Zeit, der es 2025 deutlich an starken Horrorfilmen mangelt.
Ben Leonberg rückt sein Haustier in das Zentrum des Films. Das ist als Idee konsequent weitergesponnen. Schließlich sind Tiere, die bereits Bedrohungen wittern, während die menschlichen Figuren noch gar nichts ahnen, ein beliebtes Motiv im Horrorkino. In reichlich 70 Minuten entspinnt sich somit eine Haunted-House-Geschichte über einen sterbenskranken Mann namens Todd, der sich gemeinsam mit seinem Hund in das alte Haus seines Großvaters zurückzieht. Vor Ort angekommen, bemerkt Indy, so heißt der Hund, schnell, dass dort etwas Unheimliches vor sich geht. Gespenster treiben ihr Unwesen, wobei der eigentliche Horror schon früher beginnt.
Good Boy benötigt nämlich nur wenige Sekunden, um die Spannung in die Höhe zu treiben und mit den Erwartungen des Publikums zu spielen. Der Film beginnt mit dem Hund, der sich schläfrig zur Ruhe gelegt hat, aber plötzlich summt ein Handy vor ihm. Indy schaut sich im schummrigen Zimmer um und mit ihm die Kamera. In den Schatten in den Ecken scheint irgendetwas zu lauern und das Herrchen sitzt plötzlich selbst wie ein schauriger Geist im Hintergrund des Bildes, ehe Blut aus seinem Mund tropft. Worin bestehen die Gefahr und Heimsuchung also wirklich?
Das Tragische und Anrührende von Good Boy liegt in der Trennung seiner Perspektiven und Erzählebenen, denn hier spielen sich zwei parallele Geschichten ab, die erst zum Schluss vollends verschmelzen. Die eine betrifft das Charakterdrama eines Mannes, der mit seiner eigenen Sterblichkeit und dem körperlichen Zerfall konfrontiert ist. Er telefoniert immerzu, doch die Fürsorge anderer wird ihm fortwährend lästiger. Todd ist seiner Rolle als Dauerpatient und Kranker überdrüssig. Davon abgesehen, dass sein Leiden ohnehin am Körper und Befinden zehrt. Und dann gibt es da sein Haustier, das seine Rolle als treuer Begleiter erfüllt, aber immer wieder auch eigene Wege bestreitet.
Indy läuft neugierig durch das Haus, erkundet die verlassenen Zimmer, in denen offenbar die Geister der Vorfahren spuken. Irgendwann begegnet er sogar einem anderen Hund oder vielmehr dessen Wiedergänger. Er sieht Dinge, die sein Herrchen nicht sehen kann. Zugleich versucht das Tier, das Drama zu begreifen, das sich anbahnt. Indy wittert, dass es seinem menschlichen Besitzer schlecht geht. Er sieht die Einstichstellen und Verbände an den Armen. Wenn Todd außer Haus muss, bricht für den Hund eine Welt zusammen. Unaufhaltsam – das wird schnell deutlich – steuert der Film auf die Auseinandersetzung mit der Trennung von Mensch und Haustier zu.
Das bietet gerade so ausreichend Stoff, um die recht kurze Laufzeit zu füllen und zu tragen. Emotional drückt Leonbergs Film die richtigen Knöpfe, um die Effekte seiner Geschichte zu zünden. Zugleich ist der Inhalt aber sowieso zweitrangig. Es geht in Good Boy um einen formalen Versuch. Genau hier lässt der Film aber auch viele ungenutzte Möglichkeiten erkennen. Seit der Premiere beim South by Southwest wurde die Sensation besprochen und beworben, dies sei ein Horrorfilm aus der Perspektive eines Hundes. Das stimmt insofern, als die besagte Perspektive so verengt wird, dass der Hund die meiste Zeit die Hauptattraktion der Bilder darstellt. Viele Ereignisse im Umfeld, gerade was den Alltag seines Besitzers anbelangt, bleiben dadurch eine Lücke.
Zugleich verharrt die Kamera weitgehend in der Rolle eines objektiven Beobachters. Sie kann überall hinspringen und nimmt sich dabei auch Freiheiten, andere Perspektiven einzunehmen. Wenn Indy einsam im Haus sitzt, zieht sich die Kamera in eine Ecke zurück. Wenig später blickt sie unter der Decke von oben herab auf den Hund, als sei sie selbst plötzlich die gespenstische Präsenz im Haus. Das Perspektivspiel geht besonders dann auf, wenn die Kamera tatsächlich auf Höhe des Tieres positioniert wird, sodass sich Größenverhältnisse verändern. Oder wenn sie sich in Bewegung setzt und unmittelbar hinter Indy herwackelt, während der buschige Hundeschwanz vor der Nase des Publikums wedelt.
Schlussendlich gelingt dadurch aber kein grundlegend neuer Blick auf die Welt oder das Genre des Horrorfilms. Good Boy bleibt, trotz einiger ästhetischer Fragmentierungen und Verschiebungen in den Blickwinkeln, viel zu übersichtlich und vertraut, um die Wahrnehmung eines Publikums zu irritieren oder neu auszurichten. Insofern sind einige Verheißungen des Marketings und anderer Kritiken mit Vorsicht zu genießen. Vielmehr sieht Good Boy am liebsten dem Hund beim Sehen zu. Er studiert dessen Regungen. Das ergibt hübsche, bisweilen obsessiv anmutende Nahaufnahmen. Bei so einem fotogenen Hund kann man das Leonberg ohnehin kaum verübeln. Schlussendlich sind das oft aber auch Shots, die man ebenso aus zig anderen Filmen kennt.
Die interessanteste Ebene von Good Boy besteht eigentlich darin, dass das Drehen mit einem Tier selbst immer schon seinem gespenstischen Charakter ins Bewusstsein rückt. Denn jede Regung, jeder Weg, den der Hund einschlägt, jeder Blick, der gelenkt wird – all das verweist permanent auf den Prozess der Anleitung von außen oder deren Scheitern und damit auch auf unsichtbare Präsenzen und Pläne hinter der Kamera. Sie interagieren mit dem Tier. Man kann sie erahnen, aber nur bedingt oder gar nicht wahrnehmen, damit ebenjenes Tier die Leistung erbringt, über die es selbst nicht wie ein menschlicher Akteur reflektieren kann. 400 Tage sollen für den Dreh notwendig gewesen sein, wie man Medienberichten entnehmen kann. Aber wozu am Ende? Das komplizierte Spiel mit dem Jenseits der Kamera oder auch mit unsichtbaren Auslösern wird viel zu offensiv verhüllt oder auf die reine Plotebene mit ihren Spukerscheinungen verbannt, um am Ende tatsächlich ein aufregendes künstlerisches Experiment zu ergeben.
Denn zu schnell verhärtet sich der Eindruck, dass Leonberg gar nicht allzu einfallsreich ist, was die Motive seines Grauens anbelangt. Wehende Vorhänge, huschende Schatten, Gestalten, die schemenhaft auftauchen, mysteriöse Geräusche, ein Skelett, eine zombieähnliche Hand, die aus der Erde schießt, ein Friedhof im Wald – die Tricks von Good Boy könnten traditionsbewusster kaum sein und werden weitgehend routiniert abgespult. Nur selten nutzt Leonberg aber tatsächlich das Potential seiner tierischen Hauptfigur, die ja in der Theorie genügend Anstoß für einen ganz anderen Horror und neue Bilder im Kino bieten würde. Dann etwa, wenn eine kleine Hundehütte zum furchteinflößenden Gefängnis wird.