USA 1998 · 112 min. · FSK: ab 12 Regie: Robert Altman Drehbuch: Robert Altman, John Grisham Kamera: Changwei Gu Darsteller: Kenneth Branagh, Embeth Davidtz, Robert Downey Jr., Robert Duvall u.a. |
Nein, das kein Katastrophenfilm, wie man denken mag, wenn man es schon in den ersten Minuten von The Gingerbread Man aus Radio und TV düster von »Geraldo« raunen hört, dem Hurrican, der sich im Anmarsch auf Savannah, Georgia befindet. Eine typische Grisham Verfilmung ist es auch nicht, schon deswegen, weil es hier nur eine einzige Szene gibt, die im Gerichtssaal spielt. Und außerdem ist The Gingerbread Man ja ein Film von Robert Altman.
Mit seinen austauschbaren Simple-Stories scheint John Grisham nicht nur unabhängig von Tagesform und Inhalt todsicher die amerikanischen Bestseller-Listen hochzuklettern, sondern immer wieder auch gute Regisseure herauszufordern. Vielleicht ist ja aus dem gehobenen 08/15-Matsch doch noch irgendwas zu machen? Francis Ford Coppola probierte es gerade mit The Rainmaker und scheiterte in allen Ehren. Denn die Krake Grisham fängt irgendwann auch den besten Regisseur ein. Der Druck des dumpf-einfachen Ablaufs mit dem der geschwätzige Autor nach ca. 537 Seiten Einleitung seine Auflösung des Plots vorantreibt, verengt jeden anspruchsvolleren Ansatz. Am Ende ist alles so langweilig und klischeebeladen, wie immer.
Nun also Robert Altman. Der hat -geht man aus von seinen letzen Filmen, dem diffusen Pret-à-Porter und dem enttäuschenden Kansas City- seine besten Jahre auch schon hinter sich, und schafft es deshalb auch nicht besser wie Coppola, aus der dünnen Plürre Honig zu saugen.
Als eine Art Sozialstudie über
einen Anwalt beginnt der Film ganz zwingend und interessant. Altman erzählt sehr schnell am Anfang, und entwickelt ein ganzes Tableau von Figuren (freilich nicht so ausgeglichen, wie etwa in Short Cuts oder Nashville, manche von ihnen entpuppen sich vielmehr als bloße Staffage), deren genauere Beziehung zueinander wir erst im Laufe der Zeit erfahren.
Kenneth Branagh
spielt Rick Magruder, einen yuppiesken Arschloch-Anwalt und Womanizer, der hart wie er ist seit 8 Jahren keinen Prozess mehr verloren hat. Plötzlich wird Magruder sympathisch, und fast zum -gebrochenen, deshalb wirklich symathischen- Helden, als man merkt, daß dieser Winner immer am Rand existentieller Krise lebt, und völlig überfordert ist, als sie unerwartet eintritt. Da hat Altmans Thriller seine stärksten Momente, wenn er in Hitchcock-Manier zeigt, wie schnell ein Leben aus den
Fugen geraten kann. Zudem ist hier der Film spannend, denn Altman baut -unterstützt von den allmählich dramatisch werdenden Wetterverhältnissen, eine düstere Atmosphäre auf, in der man alles erwartet und für möglich hält.
Altmans Savannah, und das ist gar nicht hoch genug einzuschätzen, ist kein klischeestrotzendes Voodoo-Land mit lauter skurillen Amerikanern, kein Südstaaten-Klischee, wo Männer noch Männer und Frauen noch Frauen sind. Vor zwei Monaten erst hatte uns Clint Eastwood Savannah als solch einen sonnigen Garten Eden verkaufen wollen (Mitternacht im Garten von Gut und Böse), bei Altman regnet es fast
ständig, und das zeigt den Unterschied.
Altman kann stimmige Atmosphären erzeugen, eindringlich schon in einer der ersten Szenen, als Magruder neben seinem One Night Stand aufwacht, und man als Zuschauer das dumpfe Gefühl hat, daß der nackte Frauenkörper tot sein könnte, und Magruder gleich verhaftet wird (Ist er aber nicht, alles entwickelt sich um einiges komplizierter.) Immer wieder gelingen Altman Momente eines Neo-Film-Noir, schöne, kräftige, romantische Bilder. Und er hat
hervorragende Schauspieler: Kenneth Branagh, dem die dezent gespielte Hauptrolle besser steht, als viele seiner letzten überkandidelten Auftritte bei Shakespeare & Co; Robert Duvall als charismatischer Penner, Embeth Davidtz, die man aus Schindlers list kennt, als Frau an Branaghs Seite, und Robert Downey Jr., als schillernder privat eye im Dienst Magruders.
Trotz all dem verläßt man das Kino enttäuscht, und das liegt vor allem am letzten Drittel der zweieinhalb Stunden. Lange Zeit funktioniert der Film, nicht zuletzt auch deshalb, weil man als Altman freundlich gesonnener Kinobesucher denkt, daß es bei diesem Regisseur einfach nicht so vorhersehbar enden kann, wie es sich andeutet. Doch genau so wird es. Mehr und mehr verengt sich die Geschichte, mehr und mehr werden die Ereignisse unglaubwürdig, und haben nur noch den Zweck, die Handlung voranzutreiben und zu einem für den Helden guten Ende zu führen. Selbst der Sturm bringt keine Unordnung in Grishams grobe Schnittmuster. Man kann also getrost die letzte halbe Stunde vergessen, und nach 1 Stunde und 20 Minuten aus dem Kino gehen. Wieder sieht man es ganz klar: es ist Grisham, dessen eindimensionale Vorgabnen sich in einer Verfilmung gegen jeden noch so guten Regisseur durchsetzen. Pech für Altman, den nur das -von ihm selbst gestreute ?- Gerücht rettet, man habe ihm den Schnitt des Films vor Veröffentlichung aus der Hand genommen, und er habe seinen Namen zurückziehen wollen. Aber wenn es so gewesen sein sollte, warum hat er nicht ?