Deutschland 2012 · 109 min. · FSK: ab 0 Regie: Evelyn Schels Drehbuch: Evelyn Schels Kamera: Christian Meckel, Wolfgang Lehner Schnitt: Susanne Hartmann |
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Sieh an, Baselitz malt auch auf dem Kopf |
Der Künstlerbiographie- und Atelierfilm ist immer eine heikle Angelegenheit. Er lockt damit, Erkenntnisse über fast schon mystische Vorgänge erhalten zu können, setzt einem aber meist wenig inspirierte Dinge vor, siehe Gerhard Richter. Nun hat es also Baselitz erwischt, den glatzköpfigen großen Mann. Beeindruckend körpermächtig steht er in seinem gläsernen Atelier mit Blick auf den Ammersee. Konventionell, altbekannt und träge zähflüssig schwappt dieser Film dahin: Bildungsbürgertum-Fadheit. Ein Kunstkurs für Hausfrauen, deren Maltalent Baselitz Anfang dieses Jahres im »Spiegel« in Frage gestellt hat (»Women don’t paint very well. It’s a fact.«). Der alte Macho. Aber immerhin eine einigermaßen »wilde« Aussage, denn sonst ist der einstmals unkonventionelle Baselitz voll angekommen im Mainstream-Kunstmarktgeschehen und sein einziger Ehrgeiz scheint zu sein, belanglose Highscores irgendwelcher Managermagazine zu erklimmen, die Bedeutung suggerieren. Auf Platz drei muss er sich von ihnen verweisen lassen, dagegen malt er an. Und das Malen ist dann glücklicherweise der Punkt an dem man ihm und den mystischen Vorgängen ein bisschen näher kommt.
Als er jung war flog er erst einmal von der Ost-Kunstakademie. Rausschmiss aufgrund von Renitenz. Er ging in den Westen, wo das Auflehnen mehr Interesse als Verurteilung nach sich zog. Aber auch im Westen gab es Skandale, beispielsweise um sein Bild »Die große Nacht im Eimer«.
Alles was ich gemacht hab, hab ich sehr heftig gemacht, das Gute wie das Schlechte!
Inspiriert war er von den amerikanischen abstrakten Expressionisten, wie de Kooning, Pollock und Rothko. Nach deren Anblick wollte er eine Sauerei machen, er wollte tupfen, stampfen, kratzen und immer schon klotzen statt kleckern. Monumentalität überall, in seinen Bildern und seinen Kettensägenskulpturen.
Das alles wäre eigentlich eine gute Ausgangsbasis für einen starken Film, aber nein, was bekommt man? Man bleibt auf der sicheren Seite: Man springt in die Vergangenheit, rückblickend linear erzählt, vergleicht Historisches mit Bildern, begleitet ihn bei einem Spaziergang mit dem Hund, trifft Begleiter, Familie und natürlich Elke, die Frau, die immer noch geschmackvoll gekleidet mit Halbschuhen im Atelier ihres Mannes Fotos seiner Arbeiten macht. Ja danke, ein Lehrfilm für Akademiestudenten.
Schön wird es, wie schon gesagt, erst, wenn dieser Mann die Kettensäge schwingt und sich völlig allein an Baumstämmen zu schaffen macht, deren Umfang zwei Meter misst, um martialisch wirkende, grobe Figuren aus ihnen zu fräsen: Riesige, etwas kindlich anmutende Skulpturen, die in all ihrer Grobschlächtigkeit ziemlich eindrücklich Gefühle aufkommen lassen. Ähnliches bei den Bildern: Farbe wegkratzen, die zerkratze Stelle anschließend großzügig mit Farbe bestreichen, hineinkratzen, wegwischen, aufsaugen und mit dem ganzen Prozess wieder von vorne anfangen. Man sieht dabei zu, wie sich aus Farbschlieren etwas schält, bis es schließlich stimmt. Und tatsächlich gibt es den Moment, an dem man als Zuschauer begreift: Das ist anders und das ist echt gut.
Ab 1969 begann er seine Bilder umzudrehen und natürlich kann man das als kalkuliertes Alleinstellungsmerkmal sehen – er ist nicht blöd – aber es ist auch ein geschickter Schachzug hin zur Abstraktion, zu einem Verdrehen im Kopf des Betrachters, der zum Denken animiert wird und nicht nur zum Schauen. Wie gut.
Ich muss noch so viel malen!
Ein bisschen mehr Verdrehung hätte auch diesem Film nicht geschadet: Schöner Scheitern ist im Film und in der Kunst häufig besser als gepflegt Langweilen.