IRL/GB/D/USA 2000 · 93 min. · FSK: ab 16 Regie: Thaddeus O'Sullivan Drehbuch: Gerry Stembridge Kamera: Andrew Dunn Darsteller: Kevin Spacey, Linda Fiorentino, David Hayman, Peter Mullan u.a. |
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Keine ganz gewöhnliche Beute |
»Gewöhnlich anständiger Krimineller« – so heißt Thaddeus O’Sullivans Film auf Englisch. Offenbar hält man bei seinem hiesigen Verleih das deutsche Publikum für zu dumm, um den paradoxen Gehalt des Originals nachzuvollziehen – jedenfalls verzichtet der deutsche Titel grundlos auf die sprachliche Pointe und verändert den Sinn damit ins Gegenteil. Denn »ein ganz gewöhnlicher Dieb« ist Michael Lynch (gespielt vom zweimaligen Oscargewinner Kevin Spacey) gerade nicht. Schon allein die Objekte seines Räuber-Ehrgeizes – große Banken, reiche Privathäuser, Kunstmuseen (der Herr schätzt alte Gemälde, insbesondere die der italienischen Meister) – bestätigen die Außergewöhnlichkeit dieses charmanten Gangsters der fast ohne Gewalt auskommt, und immer stilvoll vorgeht.
Michael Lynch ist eine klassische literarische Figur, der sympathische Räuber, der sich seines Publikums immer bewußt ist, dessen Unterhaltung noch wichtiger nimmt als jede Beute und damit das Herz der Öffentlichkeit im Sturm gewinnt. Noch mehr als all dies beeindruckt aber der Stil dieses Langfingers. Ein ums andere Mal foppt er die Polizei, treibt sie mit der Schamlosigkeit mit der er am hellichten Tag stiehlt und der Klugheit, mit es ihm doch immer wieder gelingt, sich ihrem Zugriff zu entziehen. Der Regisseur inszeniert diese Story, die auf die wahre Lebensgeschichte des Dubliner Gangsters Martin Cahill zurückgeht, mit viel Tempo. Voriges Jahr erst konnte man The General, John Boormans Variation des gleichen Themas sehen: Ein schwerblütigerer, dokumentarischer Film, der die 'europäischen' US-Gangsterfilme eines Scorsese zitiert, und sich wie dieser weniger für ein Individuum als für das Milieu, für die gesellschaftlichen Bedingungen der Kriminalität interessiert. Nichts von all dem hier: Der Ire O’Sullivan hat einen Film a l’americaine gedreht, der seine Mittel eher verbirgt, und ganz auf seine Hauptfigur zugeschnitten ist. Obwohl vieles hier »künstlicher« ist als bei Boorman, wirkt Ein ganz gewöhnlicher Dieb weniger gestylt, weniger um eigenen Ausdruck bemüht und insofern konventioneller.
Dabei übersieht man leicht die Qualität der Inszenierung. Ohne 'Durchhänger' gelingt ein dynamisches, jazziges und sehr präzises Stück Kino-Unterhaltung. Der Film hat drive! Ohne Kevin Spacey wäre das nicht möglich. In seiner ständigen Verschmitztheit, einer immer präsenten Selbstironie, die die Figur trotzdem ernst nimmt, erinnert Spaceys Performance in ihren besten Momenten an »die Katze« John Robie. Den spielte einst Cary Grant in Hitchcocks Über den Dächern von Nizza (To Catch a Thief).