USA 2003 · 85 min. · FSK: ab 16 Regie: Jonathan Liebesman Drehbuch: John Fasano, James Vanderbilt Kamera: Dan Laustsen Darsteller: Chaney Kley, Emma Caulfield, Lee Cormie, Joshua Anderson u.a. |
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Er sitzt halbnackt in einer Badewanne, der Raum strahlt hell erleuchtet, sein Gesicht halb abgeschnitten durch den Duschvorhang. Er hat einige Minuten der Panik hinter sich, der Furcht. Vielleicht auch ein bisschen Erleichterung, jetzt, wo sich seine Albträume im fühlbaren, realen Raum manifestieren. Er ist allein, ein einsames kleines Kind, die Mutter liegt erschlagen außerhalb seiner Sichtweite. Die Kamera fährt zurück, aus dem Badezimmer heraus in die Schwärze des Flurs. Verloren und so unglaublich weit entfernt wartet er auf Hilfe, das Licht verwiesen in die Begrenzungen der Tür. Der Rest der Leinwand gehört dem Monster, das über dem Türrahmen auf ihn, sein nächstes Opfer, lauert.
Darkness Falls beginnt als Märchen, eine Voice-Over Stimme erzählt die Geschichte von der Geburt des Ungeheuers, weit in der Vergangenheit. Die Photographien, die die Worte illustrieren, verbrennen langsam. Aus der Asche erhebt sich der Mythos der Zahnfee. Weil die alte Matilda Dixon den Kindern Geldstücke schenkte, wenn sie vor 150 Jahren ihre Milchzähne verloren. Zum Fluch wird sie, weil sie als Hexe verbrannt wurde und nun Rache sucht für das, was ihr angetan wurde. Statt Pennys gibt es jetzt den Tod als Geschenk.
Der Film funktioniert als einfaches Genre-Stück. FSK ab 16 ist beantragt und doch muss man vermuten, das Darkness Falls für ein jüngeres Publikum gemacht ist, weil der Reiz ja genau in der Übertretung der Regeln liegt. Als erstes Thema etabliert sich auch die Initiation. Der junge Kyle, der später seine Mutter verlieren wird, bekommt in der Nacht Besuch von (s)einer Freundin, lädt sie ein zum Tanz. So ist der Schrecken, der ihn an diesem Abend, nachdem sie weggegangen ist, heimsuchen wird, auch die Manifestation der sexuellen Ängste. Das erste Mal und die erste Begegnung mit dem Tod liegen in diesem Genre immer nebeneinander.
Genau wie die ewige Wiederkehr des Grauens. 12 Jahre nach der Mordnacht kehrt Kyle zurück in sein verschlafenes Heimatnest, um dem Bruder seiner Tanzgefährtin, den üble Albträume verfolgen, zu helfen. Nach seiner Ankunft betritt er ein Krankenhauszimmer. Wir sehen nur die Spiegelung des Gesichtes des kleinen Michael im blankpolierten Chrom des Nachtschränkchens und wir wissen, dass Michael die gleichen Gespenster heimsuchen wie seinen potenziellen Retter, als der noch ein Kind war. Gemeinsam arbeiten sie die Traumata durch, finden Frieden, das Licht der Erleuchtung, das die düsteren, irrationalen Schatten vertreibt, symbolisiert durch einen Leuchtturm, der als Szenario für den Showdown dient. Darkness Falls erfindet nichts neu im Kino, der Gestus ist Routine. Und genau darin liegt die Faszination.
Den Horror verbreitet nicht das Monster Zahnfee, als Still kann sie jedes Kind als das entlarven, was sie ist: ein digitaler Flirt mit dem Unheimlichen. Der Horror liegt in den filmischen Codes, ihrem perfekten Gebrauch. Es ist dieses Spiel aus Zufahrten und Wegfahrten, Montage, Musik und Sound, dem Rhythmus der Bildfolgen. Der Gebrauch der Tiefenschärfe, wenn sich irgendwo im Hintergrund die Bedrohung Stück für Stück materialisiert. Sich die schmalen Fenster zur Geisterwelt öffnen. Dem Licht, das immer nur zeigt, was der Kader an Unheimlichem zu bieten hat. Die Dramatik liegt in den Verzögerungen, der angespannten Erwartung auf den Ausbruch, nicht im Ausbruch selbst. Es ist ein Spiel zwischen Zuschauer und Film, beide kennen die Codes und das Vergnügen liegt darin, sie richtig einzusetzen und sie auf der anderen Seite zu erkennen. Im Prinzip kann der geübte Blick jede Einstellung, jede Unschärfe vorhersagen. Dennoch ist er gebannt.
Und dann sind da noch diese herausgehobenen Bilder, plateaux vivants, wie das eingangs beschriebene. Kyle in der Badewanne. Dies sind die Momente, die den einzelnen Film in seinem Genre besonders machen, die man erinnert. Wie die tödlichen Bilder des Videos aus The Ring. Bilder, die man sich noch Wochen später ins Gedächtnis zurückrufen kann, wenn man den Moment der Furcht erneut erleben will.