USA 2025 · 110 min. · FSK: ab 18 Regie: Zach Lipovsky, Adam B. Stein Drehbuch: Guy Busick, Lori Evans Taylor Kamera: Christian Sebaldt Darsteller: Kaitlyn Santa Juana, Teo Briones, Richard Harmon, Owen Patrick Joyner, Anna Lore u.a. |
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Meist wird alles schlimmer als befürchtet... | ||
(Foto: Warner) |
Der erste Teil von Final Destination hat trotz oder gerade wegen seiner schlichten Prämisse auch nach Jahren nichts an Faszination eingebüßt. 2000 erschien dieses filmische Memento Mori auch als Ausgeburt einer Millenniumsangst, einer Furcht vor dem aufziehenden neuen Jahrtausend. Der Mensch wird darin einerseits in einem gewissen Fortschrittsglaube sichtbar. Selbst die Pläne des Todes will er plötzlich entschlüsseln oder gar überlisten können. Die Technologie des Computer- und Fernsehbildschirms erweist sich dabei als nützlicher Gehilfe. Aber da ist zugleich auch der extreme Grusel vor dem Unbekannten, dem Ungreifbaren. Man blickt neben aller Kalkulation und Analyse noch immer mit einer gewissen Verzauberung auf die menschliche Vergänglichkeit. In der Natur und der alltäglichen Umgebung wähnt man plötzlich wieder übersinnliche, unheilvolle Vorzeichen. Schatten die irgendwo kurz zu sehen sind. Der Wind bewegt das Laub auf schaurige Weise. Man spielt wieder mit einem Schicksalsbegriff. Die Präsenz des Todes ist immer schon spürbar, bevor er zuschlägt und fatale Kettenreaktionen in Gang setzt. Überall sieht man sich einer Bedrohung ausgesetzt, jederzeit kann sich die ganze Umwelt gegen einen wenden. Katastrophenstimmung liegt in der Luft.
Denn das war schon immer der Ausgangspunkt und die grundlegende Formel der Reihe: Ein junger Mensch sieht einen fürchterlichen Unfall voraus, rettet einige andere vor dem Unglück, aber dann ereilt der Tod doch einen nach dem anderen. Das FINAL DESTINATION-Franchise birgt seit jeher Szenen, die mitunter an antike Stoffe und das Tragische erinnern. Menschen verwandeln sich in Kassandra-Figuren, denen einfach nicht genügend Leute Gehör schenken wollen. Sie ahnen und sehen Grässliches und sind doch unfähig, alle Betroffenen vor dem Untergang zu retten. Der Mensch tritt nur noch im Todeskampf auf, den er permanent verliert, verlieren muss. Ansonsten hätten wir, das Publikum, kein Spektakel im Kino. Und dieses Spektakel weiß auch der nunmehr sechste Teil der Reihe, der mit dem Untertitel Bloodlines in die Kinos kommt, bestens zu bespielen. Er ist eine der spannendsten Episoden der Todessaga, nachdem einige der letzten Vertreter doch deutliche Schwächen und Abnutzungserscheinungen an den Tag legten.
Final Destination 6 weiß, die vertrauten Formeln seiner Vorgänger traditionsbewusst fortzusetzen. Er liefert genau das, was sich Fans wahrscheinlich an abgründigem Entertainment erhofft haben, und nimmt doch immer wieder kleine Twists und Verschiebungen vor, die das ganze Konzept frisch erscheinen lassen und am Leben erhalten. Das beginnt schon damit, wie die Katastrophe am Beginn des Films aufgelöst wird, wenn sie plötzlich in das Reiche der Träume, Erinnerungen, aber auch der vererbten Traumata verbannt wird. Dieses Mal ist es der Einsturz eines Panorama-Restaurants hoch über den Dächern der Stadt, der Menschen blutig zerquetscht, verbrennen und vom Himmel fallen lässt.
Schon die ersten Minuten von Bloodlines fahren große Splatter-Kaliber auf und sind doch am furchteinflößendsten, wenn sie weniger auf die blutigen Schauwerte als auf das pure Spiel mit der Höhenangst beispielsweise setzen. Überhaupt sind die »kleineren« Tricks die größte Stärke des Films. Eine der erinnerungswürdigsten Sequenzen hat gar nicht allzu viel mit den ausgefeilten Kettenreaktionen zu tun, die den menschlichen Körper auf möglichst aufregende Weise zerlegen sollen. Sie dreht sich allein – und diese Passage wurde leider schon im Trailer vorweggenommen – um eine Glasscherbe, die aus Versehen in einem Eiswürfelbehälter und schließlich in einem Getränk für die Gäste eines Barbecues landet. Wer ist nun der oder die Unglückliche, die das Glas erwischt hat? Wen wird es treffen?
Die Montage dieser Sequenz führt das Publikum grandios an der Nase herum. Das sind manchmal ganz klassische Suspense-Einlagen, mit denen die Reihe wiederholt arbeitete, aber die im sechsten Teil immer noch höchst effektiv zum Tragen kommen. Ihr Kniff besteht schlicht darin, dass das Publikum mehr weiß als die Betroffenen. Man wartet darauf, dass die Katastrophe eintrifft, aber, Moment: Dann hat Final Destination meist noch ein Ass im Ärmel.
Diese Fortsetzung besitzt Schwächen, zweifellos. Sie weist so manche erzählerische Unwucht auf, welchen Passagen man wie viel Zeit und Aufmerksamkeit schenkt. Sie hätte ein originelleres Finale verdient und übertreibt etwas den Einsatz digitaler Tricktechnik. Es ist immer leicht, über sogenannte »schlechte« Effekte zu schimpfen. Schlecht meint in der Regel schließlich nur, dass die Effekte als solche erkennbar werden und das Publikum aus der Illusion reißen. Das muss nichts Negatives an sich sein, aber in diesem Fall ist der Vorwurf durchaus angebracht, weil dadurch das Mitleiden und Erschaudern gegenüber der destruktiven Körperlichkeit geschmälert wird. Der Phantomschmerz, den all die Szenen und Bilder hervorrufen wollen, weicht oft der Distanz, eben weil dort weniger der menschliche Körper, sondern die digitale Animation sichtbar und verunstaltet wird.
Interessant ist jedoch, dass sich auch Bloodlines als aufschlussreiches Zeitdokument entpuppt, das der Reihe vielleicht unfreiwillig, aber immerhin eine interessante thematische Facette hinzufügt. Es geht hier nicht explizit um Corona, aber es fällt doch äußerst schwer, diesen sechsten Teil nicht im Kontext der Erfahrungen der vergangen Pandemiejahre zu lesen. Final Destination zieht sich noch stärker in den Dunstkreis der Familie zurück. Hier werden Abschottungsfantasien und Isolation verhandelt. Die Großmutter, das Schreckgespenst der Familie, das einst als verrückt abgestempelt wurde, hat sich als Prepperin in die Einöde zurückgezogen. Später überlegen auch andere, ob das nicht die bessere Option wäre. Jeder soziale Kontakt, jeder Weg nach draußen und durch die Öffentlichkeit könnte Gefahren bergen. Was würde man tun, um das eigene Überleben zu sichern?
Wenn hier historische Hergänge entschlüsselt und das Prinzip des Sterbens durchleuchtet werden sollen, werden Verbindungen zwischen Menschen hergestellt. Und plötzlich denkt man wieder an das Üben der Nachvollziehbarkeit, um die sich in der Pandemie so vieles im Alltag drehte, um Übertragungsketten und Linien zwischen Kontakten. Final Destination 6, dieser postpandemische Horrorfilm, greift letztlich in überzeichneter Form die Herausforderung auf, die während der Pandemie schockartig über alle hereinbrach und bis heute nicht überwunden, sondern nur verdrängt wurde. Sie umfasst, ein neues Verhältnis zu Krankheit und Sterben zu finden. Eine Balance, die einerseits Menschen schützt und andererseits eine Sozialität aufrechterhält. Eine Balance zwischen angemessenem Respekt und der reinsten Furcht und Panik vor dem Negativen. Darum ging es in der Reihe gewissermaßen schon immer. Aber es erscheint hier, da sich die Welt plötzlich wieder so auf das Private und die Verwandtschaften verengt, während die junge Protagonistin eigentlich Karriere machen und eine Zukunft planen will, noch einmal in einem anderen Kontext und in neuer Dringlichkeit. Über zwei Jahrzehnte nach ihrem Start wird die Filmreihe in neuem Licht lesbar.
Dieser Horrorfilm weiß auf die beschriebene Herausforderung ebenfalls keine Antwort oder eindeutige Lösung. Er führt aber die ganze Zwiespältigkeit zwischen dem Aussöhnen mit der Verwundbarkeit, Ohnmacht und dem Kampf um ein (soziales) Leben vor, das sich auch über das krude Beharren auf einem Recht des Stärkeren hinwegsetzt. Wenngleich Final Destination 6 der Reihenlogik natürlich treu bleibt: Im Zweifel steht hinter alldem doch die fiese Pointe, das garstige Augenzwinkern. Meist wird alles schlimmer als befürchtet und das Blut fließt munter weiter. Weder im Piercingstudio noch im heimischen Garten, nicht einmal im Krankenhaus ist man hier noch sicher.