Die Entdeckung der Unendlichkeit

The Theory of Everything

Großbritannien 2014 · 123 min. · FSK: ab 0
Regie: James Marsh
Drehbuchvorlage: Jane Hawking
Drehbuch:
Kamera: Benoît Delhomme
Darsteller: Eddie Redmayne, Felicity Jones, Maxine Peake, Charlie Cox, Emily Watson u.a.
Stephen & Jane <3

Physik in Hollywood

… aber nur ein bisschen, denn eigent­lich steht in dem Film über den Physiker Stephen Hawking die Liebe im Fokus, etwas garniert mit geras­pelter Physik.

Es gibt ein schönes Projekt, initiiert von der National Academy of Sciences (NAS), der »Science and Enter­tain­ment Exchange«. Die fleißigen Wissen­schaftler stehen Filme­ma­chern für Fragen zur Verfügung, zum Beispiel um ihnen die Erhal­tungs­sätze von Dreh­im­pulsen zu erklären oder wie man ein Reagen­zglas richtig hält. Man muss sich aber nicht an die Academy wenden, man kann seinen eigenen Wissen­schaftler suchen und anheuern. Die Marke­ting­cam­pagne für den Inge­nieurs­beruf Inter­stellar (Ingenieur: Kein tüftelnder Nerd, sondern ein kerniger Held) wurde durch den theo­re­ti­schen Physiker und emeri­tierten Professor Kip Thorne beraten. Was vielen im Film viel­leicht als suspekt erschien, hat den Anspruch den physi­ka­li­schen Gesetzen zu entspre­chen oder doch zumindest mögli­cher­weise möglich zu sein. Wer Inter­stellar und seine Physik näher erklärt haben will, kann Thornes Buch darüber lesen: »The Science of Inter­stellar«. Thorne und der theo­re­ti­sche Physiker und Astro­phy­siker Stephen Hawking, um den es in Die Entde­ckung der Unend­lich­keit geht, kennen sich übrigens gut, zum Beispiel vom gemein­samen Wetten. 1997 haben sie mit einem anderen Physiker gewettet, ob die Infor­ma­tion von Materie in einem Schwarzen Loch verloren geht oder nicht. Es wäre gut, wenn Hawking Die Entde­ckung der Unend­lich­keit auch beraten hätte, so dass neben der schönen Liebe, der unum­gäng­li­chen Religion, eben auch etwas attrak­tive Physik zu sehen gewesen wäre.

Hawking trifft Anfang der sechziger Jahre seine spätere Frau Jane in Cambridge. Der Film basiert auf ihren Erin­ne­rungen: »Travel­ling to Infinity: My life with Stephen«, die sie einige Jahre nach der 25jährigen Ehe mit Hawking heraus­ge­bracht hat. Der Film handelt in erster Linie von dieser Beziehung. Die beiden lernen sich gerade kennen, da erhält Hawking die Diagnose: ALS (Amyo­trophe Late­ral­skle­rose), eine Krankheit die allmäh­lich das Nerven­system zerstört. Zwei Jahre werden ihm von den Ärzten gegeben (ursprüng­lich wollte Hawking selber Arzt werden). Jane bleibt bei ihm. Mit einem unglaub­li­chen Lebens­willen und einem fast manischen Arbeits­drang stürzt er sich daraufhin in Arbeit und Leben. Sie bekommen drei Kinder und er entwi­ckelt seine Thesen und forscht, so dass er über das ganze Denken und Leben das Sterben vergisst. Es ist sowohl eine unkon­ven­tio­nelle, als auch eine realis­ti­sche Liebes­ge­schichte, da sich Bezie­hungen über die Zeit verändern, Bedürf­nisse wechseln, Anziehung nachlässt und die Krankheit immer mehr Raum einnimmt. Stephen lässt irgend­wann den anderen, Janes neuen Mann, ins Haus. Immer existiert zwischen ihnen das Wich­tigste, gegen­sei­tiger Respekt und der Wunsch danach, dass es dem anderen gut geht. Das ist manchmal etwas senti­mental, das Glück sind die gemein­samen Kinder, aber es ist eben ein sehr sanfter Film, ohne Groll – obwohl man davon ausgehen kann, dass es den in der Beziehung auch gegeben hat –, der versucht uns, die wir eher selten über das Universum, schwarze Löcher und den Beginn von Zeit und Raum nach­denken, auf der Erde zu behalten, beim fami­liärem Glück.

Zum Schluss dreht der Film die Zeit zurück. Das kann Film. Er hat eben einen Anfang und ein Ende und dazwi­schen unendlich viele Möglich­keiten. Zeit auch ein wichtiges Hawking-Thema: Wann hat das Universum begonnen und wann wird es enden? Besitzt es überhaupt Anfang und Ende oder ist es unendlich? Wie lang ist das eigene Leben? Wie nutzt man diese Zeit? Hawking sitzt seit fast 50 Jahre im Rollstuhl. In Cern, wo man das soge­nannte Gottest­teil­chen, das Higgs-Teilchen mitt­ler­weile gefunden hat, hat Hawking 1985 durch eine Erkältung seine Stimme verloren, seitdem nutzt er einen Sprach­com­puter. Hawking wird nächstes Jahr 73 Jahre alt. Das kann Leben.

Was wohl war Hawkings Aussage zu diesem Film? Er, der immer versucht hat, den Menschen die Physik näher zu bringen – sein Buch »A brief history of time« stand mona­te­lang auf der Best­sel­ler­liste, er hatte Gast­auf­tritte u.a. bei Raum­schiff Enter­prise, den Simpsons und Futurama – viel­leicht würde er etwas mit den Augen rollen, aber wohl­wol­lend. Er arbeitet übrigens ohnehin schon seit einigen Jahren an einem Film, der seine Theorien als Thema hat. Viel­leicht ja dann mehr Physik.