Österreich 2015 · 89 min. · FSK: ab 12 Regie: Stephan Richter Drehbuch: Stephan Richter Kamera: Enzo Brandner Darsteller: Jack Hofer, Simon Morzé, Christopher Schärf, Dominic Marcus Singer, Markus Schleinzer u.a. |
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Einer von uns… wird erwischt |
Unser Feind, die Langeweile. Früher ist sie manchmal in Brand geraten, dann sind Jugendbewegungen daraus entstanden, aber soweit kommt es in Stefan Richters Drama Einer von uns nicht. Trotzdem wird sichtbar, was die Langeweile bewirkt. Zum einen bei den Teenagern, die im zersiedelten Gelände vor der Stadt herumlungern, zwischen Discountern und Parkplätzen, wo niemand sie maßregelt. Die Teenager tun wenig Schlimmes. Ein bisschen sprayen, ein bisschen Shisha rauchen, manchmal nimmt Julian mit den blassen Augen seine Freundin mit aufs Dach von einem der Großmärkte. Dort geht der Blick ins Weite und man kann knutschen ohne Zeugen. Julian ist vierzehn, seine Kumpels kaum älter.
Ein Supermarkt ist dort, wahrscheinlich der ordentlichste Supermarkt der Welt. Stets wird der Boden gewischt, stramm stehen die Produkte in den Regalen, zentimetergenau ausgerichtet. Die bunten Verpackungen wirken geradezu surreal frohsinnig – wie psychedelische Gefängniswände gleiten sie vorbei, wenn die Kamera langsam die Gänge abfährt. Verantwortlich für das Reglement ist ein Geschäftsleiter, der die Eintönigkeit mit Kontrolle aufpeppt, mit Willkür gegenüber den Angestellten, mit Überwachungskameras allenthalben. Er glaubt, das sei ein Merkmale von Größe, das sich auf seine Person überträgt.
Natürlich bietet der Supermarkt Unterhaltung für die Teenager. Man kann dort einkaufen oder man kann klauen, mal kurz ein Gangster sein. Das Gangstersein steht hoch im Kurs, ältere Nichtsnutze werden bewundert – einer, weil er gerade im Knast war, ein anderer, weil er die Haare trägt, als käme er aus LA, und, besser noch, weil er ein Auto hat. Die Polizei, von der Ereignislosigkeit ähnlich zerrüttet wie die Teenager, wünscht sich auch nach LA. In der Haltung der Polizisten sieht man die Sehnsucht nach Härte, nach dem Glamour von Verbrecherjagd, am liebsten wären sie Revolverhelden. Weil das nicht geht, schikanieren sie die Jugendlichen, immer in Erwartung, dort das Böse anzutreffen.
Stephan Richter sorgt dafür, dass jeder Erwachsene in seinem Film sich benimmt, als habe er einen Lehrauftrag für korrekte Lebensführung. Die Teenager, von der Eintönigkeit unterfordert, gehen adoleszent darauf ein: Sie finden zu ihrer kriminelle Energie, das hilft in dieser Konstellation jedem weiter. So kommt es zu einem nächtlichen Zusammentreffen der drei Parteien, und jede sieht nur ihre Sehnsucht nach Action. Alle glauben ganz fest, das Leben müsse doch spannender sein – Verbrechen, Ballerei, Großstadtdschungel. Die Wirklichkeit wird so egal, wenn einfach niemals ein Abenteuer passiert. Nur gestorben wird dann in echt, das kann die Konsequenz sein in der konservativen österreichischen Provinz: Einer von uns ist eine wahre Geschichte.