Die Einzelteile der Liebe

Deutschland 2019 · 97 min. · FSK: ab 0
Regie: Miriam Bliese
Drehbuch:
Kamera: Markus Koob
Darsteller: Ole Lagerpusch, Birte Schnöink, Sophia Burtscher, Andreas Döhler, Justus Fischer u.a.
Reden, Zündeln, Klampfen: Familien-Beschäftigungen

Trümmeranalyse

Schon die erste Szene macht es unmiss­ver­s­tänd­lich deutlich: Diese Liebe liegt nur noch zerbro­chen in Einzel­teilen herum. Wir sehen eine Frau, die hinter einem Auto herläuft und »Ich hasse dich!« schreit. Die Hinter­gründe erzählt Regis­seurin Miriam Bliese später, erst konfron­tiert sie den Zuschauer damit, dass er eine zerstörte Beziehung begleiten wird.

Aber geht es Bliese in ihrem ersten Langfilm Die Einzel­teile der Liebe nur um Scherben? Nein, viel eher seziert sie die verschie­denen Phasen des Entste­hens und Ersterbens einer Beziehung, richtet ihren Fokus auf Höhe­punkte und Abgründe glei­cher­maßen. Schon die Umstände, unter denen Sophie (Birte Schnöik) und Georg (Ole Lager­pusch) zusam­men­kommen, sind besonders. Sie ist hoch­schwanger, er trat vor kurzem aus der Band ihres Freundes aus. Der übrigens ist einfach verschwunden, Verant­wor­tung scheint nicht sein Ding zu sein. Georg kümmert sich um sie, und so kommen sie sich langsam näher.

Hier werden wir auch Zeuge echter Harmonie. Das anfäng­liche Vortasten der Beiden ist einfach nur herrlich anzusehen. Und dann ziehen sich immer wieder deutsche Schlager durch das Geschehen, egal ob ins Babyphon gesungen oder live vor dem Haus performt. Die Kitsch­musik mit ihrer aufge­setzten heilen Welt sorgt im Fami­li­en­leben für wirkliche heile Momente. Für die Dauer eines Liedes wird alles leicht. Wer also ein grund­le­gend pessi­mis­ti­sches Bild mensch­li­cher Zwei­sam­keit erwartet, ist hier an der falschen Adresse.

Die Einzel­teile der Liebe beleuchtet nicht nur die verschie­denen Stationen des Zusam­men­seins, sondern auch den Wandel im Leben, der sich durch das Aufkommen von Verant­wor­tung vollzieht. Als nämlich der Fami­li­en­alltag einkehrt, wird die Liebe der beiden zur Zerreiß­probe, die sie nicht überlebt. Bei Georg zeigt sich schnell ein häufiger Wider­spruch: Durch seinen Job hält er die Familie am Leben, gleich­zeitig zwingt die Arbeit ihn, sie zu vernach­läs­sigen. Was folgt, ist die Trennung. Und hier beginnt der nächste Akt des Dramas, wenn es nämlich um die Besitz­an­sprüche am gemein­samen Sohn geht. Der Konflikt gipfelt dann schließ­lich in der vermeint­li­chen Entfüh­rung durch Georg.

Miriam Bliese hält sich dabei nicht an einen konven­tio­nellen Erzähl­strang, sondern zeigt die einzelnen Stationen losgelöst von ihrer zeit­li­chen Reihen­folge. Das Geschehen wird also erst mit der Zeit nach­voll­ziehbar. Daraus zieht der Film aber eine gewisse Spannung und zeigt die Verän­de­rung bei Sophie und Georg in einem noch krasseren Licht. Bei der Beur­tei­lung ihres Verhal­tens hält sich Bliese zurück. Sie überlässt es dem Publikum zu entscheiden, wer sich hier falsch verhält. Aber tut das hier überhaupt jemand? Ist Sophie selbst­süchtig, oder fordert sie Aufmerk­sam­keit und Abwechs­lung zurecht ein? Enführt Georg seinen Stiefsohn wirklich, oder macht er nur von seinem Recht Gebrauch, sein Kind bei sich zu haben? Dabei hat der Film durchaus auch einen doku­men­ta­ri­schen Touch, der aber der Emotio­na­lität keinen Abbruch tut. Im Gegenteil macht er es sogar leichter, sich in die Figuren hinein­zu­ver­setzen. Melo­dra­ma­ti­sche Über­trei­bung findet man hier glück­li­cher­weise nicht. Gerade dadurch besitzen Sophie und Georg ein hohes Iden­ti­fi­ka­ti­ons­po­ten­tial.

Nein, die Liebe ist nicht einfach. Und das Tragische ist nicht, wenn sie vergeht, sondern wenn die Ex-Partner nicht wissen, wie sie damit umgehen sollen. Das ist viel­leicht nichts Neues, aber dieser kluge und wunderbar insze­nierte Film ruft es einem wieder wirkungs­stark ins Gedächtnis.