Großbritannien 1999 · 96 min. · FSK: ab 6 Regie: Damien O'Donnell Drehbuch: Ayub Khan-Din Kamera: Brian Tufano Darsteller: Om Puri, Linda Bassett, Jordan Routledge, Archie Panjabi u.a. |
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England, wir kennen Dich: Zuerst war da die Arbeitslosigkeit, wir wissen um Deine alten, aufgelassenen Fabriken aus Backstein. Dann wurdest Du Festung der Eisernen Lady, wo alles Soziale und Menschliche die Themse hinunterging. Auf der Insel ergab sich ein kollektiver Verzweiflungsschrei, und aus ihm ging ein neues Selbstbewusstsein der Arbeiter und Arbeitslosen hervor, gepaart mit dem nötigen schwarzen Humor. Das zumindest wollen uns seither die Theaterstücke und die Filme erzählen, die nicht mehr das Bild des mit Schirm, Charme und Melone bewaffneten Engländers after eight vorführen, sondern den rotnasigen, ausgezehrten oder aufgeschwemmt fettigen, immer trashigen Plebs zum kleinrevolutionären Volxtanz antreten lassen. Spätestens seit Stephen Frears Sammy und Rosie tun es ist die Reihe der scharfzüngigen, schwarzen Komödien lang geworden, und der Verdacht tut sich angesichts von East Is East auf, dass das ganze Pulver der sozialen Wut vielleicht schon verschossen ist und es sich selbst zur reinen Genrevorgabe geworden ist, ein einfaches Rezept zur Zubereitung gutschmeckender Fisch & Chips.
East Is East ist vor allem eine vordergründige Charakterkomödie um den lächerlichen Alten: gerüstet mit unhaltbaren Vorstellungen über den richtigen way of life, die ihm seine muslimische Tradition diktiert, zieht der Pakistani alias George Dschinghis Khan (Om Puri) in den delikaten Krieg der Ehestiftung. Seine sieben Kinder, die Dschinghis mit der very britischen Ella (Linda Basset) gezeugt hat, denken sich allerhand Streiche und Listen gegen die Zwangsehe aus, um nicht wie der älteste Sohn am Traualtar das Weite suchen zu müssen. Mit Spaß und Fantasie kämpfen sie als ausgebuffte trickster um das Recht einer englischen Lebensführung, um die Würstchen und Speck und den british pop.
In dieser Spaßfamilie geht es allein darum, den muslimischen Despoten auszuschalten. Der Film läßt hier keinen Zweifel offen: Nicht nur ist Dschinghis dicknasig und pockennarbig, ganz anders als seine durch die Orgelpfeifenreihe allesamt hübschen Jungs, auch ist er so ganz und gar irrational, einfach unhaltbar. Der Mann muß weg, das war schon immer das Motto der Charakterkomödien, die zur Herstellung ihrer spezifischen sozialen Wunschordnung den Störenfried als fiesen Sündenbock erstmal über die Bühne jagen musste, auf dass er sich am Schluss kleinlaut der sympathischen Mehrheit füge.
So steht hier in O’Donnells Filmerstling nicht wirklich die multi-kulturelle Ehe zur Disposition, und noch weniger unternimmt der Film eine Sozialstudie. Der britisch-pakistanische, christlich-muslimische Konflikt erstellt allein den Anlass, um das altbekannte Komödienschema abzuspielen. Er wird auf politischer Ebene genauso wenig zu einer Aussage getrieben wie alle anderen Zerissenheiten der Gesellschaft, die sich beiläufig an der Peripherie des Filmes auftun (könnten): East Is East bezeichnet weniger den fernen Orient als vor allem East End, die soziale Schmuddelgegend englischer Urbanität, in der jedoch, spätestens seit Ganz oder gar nicht, ungebrochene Heiterkeit eingezogen ist und die soziale Misere einfach weggetanzt wird. Auch gehört die Familie von mütterlicher Seite her der katholischen Minderheit im protestantischen England an (und O’Donnell selbst ist Ire!); das gesellschaftliche Konfliktpotential jedoch entschärft sich zur ästhetischen Aussage, dass selbst der Katholizismus Pop sein kann, wenn es sich nur gegen den (muslimischen) Feind der Spaßkultur ausleben läßt.
So scheint East Is East stärker in der heutigen Zeit verankert als der Film selbst zu formulieren wagt. O’Donnell hat die Geschichte vorsichtig in die 70er Jahre zurückversetzt und unternimmt nur über den Umweg der zeitlichen Verschiebung den Ausverkauf des sozialpolitischen Bewusstseins im Zeichen einer sich selbst genügenden, allein dem fun verpflichteten Generation. Er könnte sich auf sehr britische Weise gegen die political correctness stellen und die Gesellschaft in ihrer Toleranzverlogenheit entlarven. Bei all der Schwarz-Weiß-Malerei jedoch bleibt hier nur noch das Ausschauen nach den Gags: der Film als Nummerntheater, und in den einzelnen Szenen darf gelacht werden. Man könnte sich aber auch mit dem Trailer begnügen und sich an ihm als Film anstelle des Films erfreuen. Er bewegt sich in einem wunderbaren Rhythmus und stellt in der Kürze etwas her, was der Film sich selbst versagt: eine gute Dosis Selbstironie.