...denn zum Küssen sind sie da

Kiss the Girls

USA 1997 · 116 min. · FSK: ab 16
Regie: Gary Fleder
Drehbuch: ,
Kamera: Aaron Schneider
Darsteller: Morgan Freeman, Ashley Judd, Cary Elwes, Tony Goldwyn u.a.

Vergessen wir den deutschen Titel, der so dumm gewählt ist, daß er Kiss the Girls vermut­lich den Garaus an der Kinokasse machen wird. Davon abgesehen hat ein Film, bei dem es um einen Seri­en­killer geht, wenn er auch nur leidlich gut ist, ausgez­eich­nete Chancen auf einen Kassen­er­folg. Seri­en­killer fesseln uns über die bloße Lust am Horror und das Vergnügen an der Whodunit-Auflösung hinaus.

Kiss the Girls, um das gleich am Anfang zu sagen ist ein sehr span­nender Film, ein gutge­machter Thriller, der den Durch­schitt seines Genres klar überagt. Ein beacht­li­cher Film, der den Gang ins Kino lohnt. Trotzdem ist Kiss the Girls doch kein großer Film.
Denn allzusehr bewegt er sich im Schatten der Genre-Klassiker aus den 90er Jahren, vor allem von Seven, Copycat, und vor allem Silence Of The Lambs. Dies beginnt schon mit dem Haupt­dar­steller, Morgen Freeman, dessen Rolle des väter­li­chen, stoischen und gebil­deten Detektivs -wie die gesamte düstere, bedeu­tungs­schwan­gere Atmo­s­phäre des Films- fast eins zu eins aus Se7en entlehnt wirkt. Dieser Alex Cross stammt eigent­lich aus der Großstadt Washington, reist aber in die Wälder von North Carolina, um seine verschwun­dene Nichte zu suchen. Schnell stellt sich heraus, daß sie von Casanova entführt wurde, einem Sammler junger Mädchen, die er ermordet, nachdem er sie zuvor über Wochen und Monate in einem düsteren Verlies gefan­gen­ge­halten und gequält hat.
Doch es gibt eine Zeugin, die Ärztin Kate McTiernan (Ashley Judd), die als neuntes Opfer dem Täter in einer hals­bre­che­ri­schen Flucht entkommen kann. Über ihre vagen Erin­ne­rungen gelingt schließ­lich die kompli­zierte Aufklä­rung des noch kompli­zier­teren Verbre­chens. Das alles geschieht ohne falsche Rücksicht auf Realismus, allein im Hinblick darauf, den Zuschauer zu thrillen und ab und an auch zu foppen. Alles wäre gut, wenn Regisseur Gary Fleder nun auf die manchmal über­deut­li­chen Anspie­lungen auf die Film­ge­schichte verzichte hätte. Sie sind zu grob und zu beliebig, um zu überz­eugen. So stören sie nur. Kiss the Girls wäre besser, wenn Fleder einfach nur seine Story verfilmt hätte. Und noch besser, wenn er sich noch deut­li­cher zu der Künst­lich­keit seiner Geschichten und Anspie­lungen bekannt und diese konse­quent zu Ende geführt hätte, (wie dies in den genannten Meis­ter­werken geschah).

So bleibt ein guter Film, einige ausgez­eich­nete Momente, zwei hervor­ra­gende Haupt­dar­steller, und das Gefühl, daß hier einer gleichz­eitig zu viel gewollt, und sich zu wenig getraut hat. Auch dies ist ja nicht das Schlech­teste, was sich über einen Film sagen läßt.

P.S. von Thomas: Wollte nur schnell anmerken, daß der (übrigens ideo­lo­gisch ein wenig arg konser­vativ geratene) Film mit seinem Schluß dem Begriff »Cum-shot« eine ganz neue Bedeutung verleiht.