Deutschland 2006 · 43 min. · FSK: ab 6 Regie: Franka Potente Drehbuch: Franka Potente Kamera: Frank Griebe Darsteller: Emilia Sparagna, Christoph Bach, Justus von Dohnanyi, Max Urlacher, Teresa Harder u.a. |
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Vergnügen an der Stummfilmsprache: Franka Potentes erste Regiearbeit |
»Männer ohne Nerven« und »Väter der Klamotte« – wer in den 70-er Jahren aufwuchs, begegnete Stummfilmen in der Regel zuerst in diesen Kompilationssendungen im Vorabendprogramm des ZDF. Große Werke der Filmkunst, von Buster Keaton und Charlie Chaplin zum Beispiel, wurden da in kurzen Schnipseln verhackstückt serviert, mit albernen Geräuschen unterlegt, und von einer Erzählstimme aus dem Off mit narrativem Sinn versehen – ein Kindervergnügen, das trotz aller Mängel durch schiere Bilderkraft noch nach Jahrzehnten haften bleibt.
Mit 43 Minuten ist Der die Tollkirsche ausgräbt kaum länger, als eine »Väter der Klamotte«-Folge. Trotz seines irgendwie bedeutungsschwer – oder pseudowitzig – gedrechselten Titels handelt es sich um ein schlichtes Slapstick-Vergnügen, das mit allerlei Stummfilm-Reverenzen und -Zitaten angereichert wurde: Angesiedelt im Herbst 1918 dreht sich die Handlung um Cecilie, ein wilhelminisches höheres Töchterlein, deren Vater sich im Keller mit einer »Popoklatschmaschine« vergnügt. Am nächsten Tag droht eine Geldheirat mit dem wohlhabenden Langweiler Alfred, doch davor rettet sie ein Punk, der aus dem 21. Jahrhundert in die Vergangenheit gereist ist, im Gegensatz zu den Stummfilmfiguren sprechen kann und das Herz Cecilies erobert.
Regisseurin und Autorin dieses Schwanks ist die Schauspielerin Franka Potente, erstmals hinter der Kamera. Sie erzählt die dünne Story mit viel Vergnügen an der Filmsprache des Stummfilms: Es gibt Kreisblenden, Zwischentitel ersetzen Dialoge, Gesichter sind bleich geschminkt, die Gesten sind groß, die schwarzweißen Bilder ruckeln. Das ist ohne Frage originell, weil man so etwas heute kaum sieht; ein technisch interessantes Experiment. Aber das Ruckeln der Bilder ist auch verräterisch: Denn es repräsentiert die künstlich angeschminkte Patina des Ganzen. Potente simuliert nur, sie äfft den Effekt des Stummfilms nach. Davon einmal abgesehen, dass Slapstick und Expressionismus nicht wirklich zusammenpassen, dass ihr Vermengen ein Stilbruch ist, fehlt dem Film völlig das Abgründige, das selbst die Komödien jener Zeit besaßen. Potente greift sich nur die Oberfläche der Gags, und lässt alles Übrige links liegen – das Resultat ist reine Klamotte.
Ohne der Regisseurin Unrecht zu tun, darf man wohl bemerken, dass es ihr ohne ihre guten Kontakte kaum gelungen wäre, das Filmorchester Babelsberg und den Kameramann Frank Griebe, namhafte Darsteller und einen großen Verleih zu gewinnen, und Der die Tollkirsche ausgräbt überhaupt ins Kino zu bringen. Mit Potentes gutem Namen wird der Film nun vermarktet. Darum ist es auch nicht ungerecht, darauf hinzuweisen, dass man das Publikum damit auch ziemlich an der Nase herumführt. Der die Tollkirsche ausgräbt hat die Qualität eines durchschnittlichen Studentenkurzfilms. Dagegen ist nichts zu sagen, nur kommen solche Filme und erst recht lustige Homevideos mit Freunden aus gutem Grund auch normalerweise nicht ins Kino.