Caddo Lake

USA 2024 · 103 min. · FSK: ab 12
Regie: Logan George, Celine Held
Drehbuch: ,
Kamera: Lowell A. Meyer
Darsteller: Dylan O'Brien, Eliza Scanlen, Caroline Falk, Lauren Ambrose, Sam Hennings u.a.
Caddo Lake
Blick nach vorn, doch durch die Zeit zurück...
(Foto: Warner)

Wenn die Schwester zur eigenen Großmutter wird

Céline Helds und Logan George' Mystery- und SF-Thriller ist ein atemberaubendes Gedankenspiel, vernachlässigt aber auch das gezeigte Milieu nicht

Es ist eines dieser eher kleinen Projekte des ameri­ka­ni­schen Inde­pen­dent-Films und wie so oft, sind es gerade diese unschein­baren Perlen, die über­ra­schen, die ganz besonders glänzen. Das Regie-Duo und Ehepaar Céline Held und Logan George gaben erst 2021 mit ihrem Film Topside ihr Debüt, das immerhin nach Venedig einge­laden wurde. Auch ihrem neuen Film wünscht man sich diese Aner­ken­nung.

Denn Caddo Lake mag sich zwar im ersten Moment nur wie ein klas­si­sches Guilty Pleasure anfühlen, ein Genre-Hybrid, der Mystery mit SF-Zeitreise-Momenten paart, doch schaut man genauer hin und lässt sich auf den subtilen Sog dieses Films ein, gibt es wie so oft viel mehr zu entdecken.

Gerade in seinen einlei­tenden Momenten, für die sich Céline Held und Logan George viel Zeit lassen, bevor es der »Zeit« an den Kragen geht, überzeugt Caddo Lake als intensive Milieu-Studie eines kleinen Ortes in den Südstaaten, am titel­ge­benden Caddo Lake. Die gesell­schaft­liche Stimmung, die hier insze­niert wird, erinnert an andere Südstaaten-Filme der letzten Jahre, die so wie Caddo Lake über eine unbe­re­chen­bare, schwüle Natur und die Lage des Ortes auch davon erzählen, was es bedeutet, gesell­schaft­lich und wirt­schaft­lich abgehängt zu sein. Wir haben das über­zeu­gend in der Daniel Woodrell-Verfil­mung Winter’s Bone (2010) mit Jennifer Lawrence gesehen und in der alles über­ra­genden ersten Staffel von Nic Pizzo­lattos True Detective mit Matthew McCo­n­aughey und Woody Harrelson. In beiden Filmen wird nach verschwun­denen Menschen gesucht und über die Brüche moderner Gesell­schaften erzählt.

Nicht anders funk­tio­niert auch Caddo Lake. Es werden Familien gezeigt, die ihre fami­liären Patchwork-Verhält­nisse irgendwie auf die Reihe zu kriegen versuchen und gleich­zeitig mit wirt­schaft­li­chen Verhält­nissen und unvor­her­seh­baren Wetter­ka­priolen kämpfen müssen, die sie nicht verstehen. Über das Zeitrei­se­portal, das die beiden im Zentrum stehenden Paris (Dylan O’Brien) und Ellie (Eliza Scanlen) unab­hängig vonein­ander entdecken, gelangt der Zuschauer in das kollek­tive Unbe­wusste zweier Familien und ihres Coming-of-Age und erfährt nicht nur, wie über ein gigan­ti­sches Stau­damm­pro­jekt aus dem Jahr 1952 überhaupt erst die kommer­zi­ellen Grund­lagen für die kommenden Jahren geschaffen werden, sondern auch familiäre Bande entstehen, die ganz anders sind, als es im »Gegen­warts­jahr« 2022 zu vermuten wäre und die durch ein Ereignis im Jahr 2003 eine weitere uner­war­tete Wendung erfahren.

Der Film verschränkt diese Zeit­ebenen so furios wie selbst­ver­s­tänd­lich und schafft eine flim­mernde filmische Realität, in der das Beten vor dem Essen mit der Bitte um Erlösung genauso selbst­ver­s­tänd­lich ist wie der bei großen Trocken­heiten akti­vierte Zeit­tunnel, der wie weiter oben schon einmal ange­deutet, natürlich mehr als der Eintritt in eine andere Zeit bedeutet, sondern vielmehr versucht zu erklären, auf welchen Para­digmen das Amerika von heute aufbaut, denn was war, ist immer auch das, was ist.

Aber auch diese Asso­zia­tionen sind wie so vieles in Caddo Lake nur eine Möglich­keit, ist es genauso gut möglich, sich den intensiv insze­nierten Mystery-Momenten hinzu­geben oder sich auf die faszi­nie­renden Folgen von Zeitreisen und Parallel-Reali­täten einzu­lassen, die von Céline Helds und Logan George' Mystery-Thriller so souverän gestaltet werden, dass allein schon die nach dem Film unwei­ger­liche Diskus­sion über die mögliche Zusam­men­set­zung der gezeigten Realität es wert ist, diesen so über­ra­schenden wie intel­li­genten Film zu sehen.