Großbritannien 1995 · 104 min. · FSK: ab 12 Regie: Udayan Prassad Drehbuch: Robert Buckler Kamera: Alan Almond Darsteller: Om Puri, Angeline Ball, Pavan Malhorta u.a. |
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Amir (Pavan Malhorta) ist der Neue unter den 19 illegalen Einwanderern aus Indien, die im England der sechziger Jahre ein altes Haus bewohnen. Wie auch für die anderen war es der Traum von Wohlstand und einer besseren Zukunft, der Amir in die ehemalige Kolonialmacht lockte. Mit ihm wird der Zuschauer in das Leben dieser Männer in einer engen, fremden Welt eingeführt. Aufgrund ihres rechtlosen Status werden sie auch immer Fremde bleiben, jeder Kontakt zur Außenwelt birgt schließlich das Risiko, ausgewiesen zu werden. So kann der Einkauf im Supermarkt, wie ein Spaziergang durch die Stadt, zur existentiellen Gefahr werden.
Bald muß Amir erkennen, daß unter diesen Bedingungen Unterdrückung und Ausbeutung durch Arbeitgeber und »Fluchthelfer« zur Tagesordnung gehören. Es geht für die Männer nicht um Assimilation in einer neuen Kultur, sondern um reine Unterwerfung, die ihnen das Überleben in einer gesellschaftlichen Nische ermöglicht. Sie entwickeln so streng einzuhaltende Regeln, von der Hierarchie innerhalb der Gruppe bis zum Ablauf der Woche, die außer Arbeit nur den sonntäglichen Kinobesuch und anschließende »Vergnügungen« mit einer Nutte beinhaltet. Ihr geringes Selbstbewußtsein beziehen die Männer aus der Tatsache, daß es ihnen gelingt, ihre in der Heimat gebliebenen Familien zu ernähren, und aus dem starken Zusammenhalt der Gruppe. Dieser Zusammenhalt wird durch die junge Engländerin Mary (Angeline Ball) gefährdet, die mit dem Oberhaupt der Gruppe (Om Puri) im Haus zusammenzieht. Bald prallen muslimische Rollenvorstellungen mit dem Selbstbewußtsein der recht emanzipierten Frau aufeinander. Die Lage spitzt sich zu.
Das Debüt des Regisseurs Udayan Prasad vermittelt in nüchternen Bildern die bedrückende Lage der illegalen Einwanderer. Prasad entwickelt seine Geschichte mit angemessener Langsamkeit, die Zuspitzung der Situation, die Schritt für Schritt stattfindet, wirkt so sehr plausibel. Auch wenn die Geschichte der Inder um einiges düsterer ist als die frühen Filme eines Stephen Frears, so erinnert der Film doch an die realistische und lakonische Erzählweise, die auch Mein wunderbarer Waschsalon oder Sammy und Rosie tun es auszeichnen. Ebenso entsteht in Brothers in Trouble durch das Aufeinanderprallen der fremden Kulturen eine Situationskomik, wie zum Beispiel beim wöchentlichen Kinoritual.
Mit der Hauptfigur Amir gelingt es, den Zuschauer in die seltsame Welt dieser Männer einzuführen. Denn auch der Neuankömmling Amir ist ein Zuschauer, der sich über die Verhaltensweisen seiner »Brüder« wundert. Jedoch wird Amir bald zu einer unangenehmen Identifikationsfigur, denn anstatt auf heroische Weise die Lebenssituation der Männer zu verbessern (so wie das jede anständige Hauptfigur in einer Hollywoodproduktion getan hätte), bleibt er ein Mitläufer. Wie ein Chronist beobachtet er die Entwicklungen des Geschehens ohne einzugreifen und erst am Ende der Geschichte springt er über seinen Schatten und handelt. Dieses eigenständige Handeln bringt ihm dann das Selbstvertrauen, das ihm die Fremde als Heimat erschließen lassen kann. Jetzt hat er das Selbstbewußtsein seine Rechte einzufordern und die Chance, auch die Schönheit seiner neuen Umwelt zu erkennen. Der Stein, der ihm (und dem Zuschauer) dabei vom Herzen fällt, ist bis in die letzten Reihen des Kinos zu hören.