Brooklyn – Eine Liebe zwischen zwei Welten

Brooklyn

Irland/GB/CDN 2015 · 112 min. · FSK: ab 0
Regie: John Crowley
Drehbuch:
Kamera: Yves Bélanger
Darsteller: Saoirse Ronan, Emory Cohen, Domhnall Gleeson, Jim Broadbent, Julie Walters u.a.
Feinfühlige Annäherung

Allein in einer großen Stadt

Gibt es sie noch? Filme, die eine Liebes­ge­schichte erzählen, ohne einge­fah­rene Rom-Com-Muster zu bedienen? Die große Emotionen wecken, ohne übermäßig kitschig zu wirken? Die das befrei­ende Gefühl einer aufkei­menden Beziehung viel­schichtig wieder­geben? Bei einem Blick auf die Schwemme an simpel gestrickten Schmon­zetten im Hollywood-Modus scheint es manchmal so, als müsste man all diese Fragen mit „Nein“ beant­worten. Umso erfreu­li­cher, wenn es dann doch einmal positive Gegen­bei­spiele gibt. Etwa John Crowleys Roma­n­ad­ap­tion Brooklyn – Eine Liebe zwischen zwei Welten, die gleich in mehr­fa­cher Hinsicht sehens­wert ist.

Selten hat man in letzter Zeit auf der großen Leinwand die Annähe­rung zwischen einer jungen Frau und einem jungen Mann derart fein­fühlig gesehen wie hier. Statt großer Gesten domi­nieren Szenen, in denen die Prot­ago­nisten auf sympa­thisch-schüch­terne Weise langsam zuein­an­der­finden. So, wie man es wahr­schein­lich selbst schon einmal erlebt hat nach einem ersten Treffen, auf das weitere Verab­re­dungen folgen. Und Gespräche, die etwas unbe­holfen um die entschei­denden Fragen kreisen. Unauf­ge­regt und einfühlsam bringen Haupt­dar­stel­lerin Saoirse Ronan und ihr Kollege Emory Cohen die wachsende Vertraut­heit ihrer Figuren zum Ausdruck, was für den Film von großer Bedeutung ist. Immerhin erzählt Brooklyn zual­ler­erst von einem Verlassen der Heimat. Einem großen Schritt ins Ungewisse, der erst einmal reichlich Verun­si­che­rung produ­ziert.

Auf Drängen ihrer älteren Schwester entschließt sich Eilis Lacey (Saoirse Ronan) in den 1950er Jahren, Irland den Rücken zu kehren und in New York ihr Glück zu suchen. Trotz fester Unter­kunft und einer sicheren Arbeits­stelle fühlt sich die junge Frau nicht wohl in ihrer Haut. Das Groß­stadt­leben schüch­tert sie ein. Kontakte knüpft sie vorerst nicht. Und voller Wehmut muss sie an ihre Mutter und ihre Schwester denken, die tausende Kilometer entfernt sind. Erst als Eilis dem Italo­ame­ri­kaner Tony (Emory Cohen) begegnet, fängt sie allmäh­lich an aufzu­blühen. Ein enormer Gefühls­bogen, der musi­ka­lisch durchaus entspre­chend gewürdigt wird. Immer wieder erklingen auf der Tonspur Geigen. Doch erstaun­li­cher­weise fühlt es sich nicht so an, als wolle Crowley den Zuschauer mit billigen Mitteln mani­pu­lieren.

Die Grenzen zum Kitsch werden routi­niert umschifft, was vor allem Saorise Ronan zu verdanken ist. Der wand­lungs­fähigen Darstel­lerin, die bereits als 13-Jährige eine Oscar­no­mi­nie­rung für ihre Neben­rolle in Abbitte erhielt und in Wer ist Hanna? als taffe Action­heldin über­zeugte, gelingt es spielend leicht, das Publikum für die innere Zerris­sen­heit der Prot­ago­nistin zu sensi­bi­li­sieren. New York bzw. Brooklyn mögen wie das Tor zu einem neuen Leben erscheinen. Gleich­zeitig bereitet der baldige Aufbruch der jungen Irin aber auch großes Kopf­zer­bre­chen, da sie sich von ihren engsten Verwandten trennen muss und nicht weiß, was sie in Amerika erwartet. Deutlich wird ihr Befinden in einer ausge­las­senen Tanzszene, bei der die Kamera das Gesicht der Haupt­figur fixiert und Ronan mit subtilem Mienen­spiel Eilis‘ plötz­liche Verlo­ren­heit begreif­lich macht. Ähnliche Momente wieder­holen sich später während der Überfahrt und bei der Arbeit in einem New Yorker Kaufhaus. Das Loslassen fällt der Immi­grantin ebenso schwer wie die Ankunft in ihrer neuen Umgebung. Wenigs­tens so lange, bis die Begegnung mit Tony andere Perspek­tiven eröffnet.

Gelungen ist neben der behutsam entwi­ckelten Liebes­ge­schichte auch die Zeichnung des Milieus. Dreh­buch­autor Nick Hornby, der erst kürzlich in Der große Trip – Wild die Extre­mer­fah­rung einer jungen Frau beschrieben hat, und Regisseur John Crowley werfen einen komplexen Blick auf die New Yorker Einwan­de­r­er­ge­sell­schaft, in der zahl­reiche Ethnien neben­ein­an­der­leben. Bei einer Veran­stal­tung der irischen Gemeinde erfahren wir in einem Nebensatz, dass viele der Männer, die am Aufbau der hiesigen Brücken und Tunnel mitge­wirkt haben, inzwi­schen ohne Beschäf­ti­gung sind. Umso ergrei­fender wirkt das von Father Flood (Jim Broadbent) orga­ni­sierte Weih­nachts­treffen, das mit einem tradi­tio­nellen irischen Lied begangen wird. Kultu­relle Beson­der­heiten und Vorur­teile kommen immer wieder zur Sprache. Und auch die unter­schied­li­chen Akzent­fär­bungen verleihen dem Geschehen eine wahr­haf­tige Note – weshalb man den Film unbedingt im Origi­nalton schauen sollte. Kauzig-prägnante Neben­fi­guren wie Eilis‘ kratz­bürs­tige Vermie­terin Mrs. Kehoe (Julie Walters), die für einige amüsante Gesprächs­mo­mente sorgt, runden das positive Gesamt­bild ab.

Will man etwas kriti­sieren, so könnte man anmerken, dass die Handlung nach der Hälfte ein wenig melo­dra­ma­ti­scher ausfällt und vermehrt auf das Prinzip „Zufall“ setzt. Diese Nuancen ändern jedoch nichts daran, dass Brooklyn als bewegende Romanze, detail­reich gestal­tetes Immi­gran­ten­drama und kraft­volle Eman­zi­pa­ti­ons­ge­schichte funk­tio­niert. Ein Film, der vom ameri­ka­ni­schen Traum erzählt. Mit einer Frau im Mittel­punkt, die in einer noch recht konser­va­tiven Zeit ihren Weg in ein eigenes Leben findet. Und glück­li­cher­weise von einer so wunder­baren Schau­spie­lerin wie Saorise Ronan verkör­pert wird.