Bone Lake

USA 2024 · 95 min. · FSK: ab 18
Regie: Mercedes Bryce Morgan
Drehbuch:
Kamera: Nick Matthews
Darsteller: Maddie Hasson, Alex Roe, Andra Nechita, Marco Pigossi, Eliane Reis u.a.
Bone Lake
Leben und Horror am See
(Foto: Busch Media Group)

Paar auf Abwegen

Vier Menschen und ein romantischer Zwist: Mercedes Bryce Morgan lässt in ihrem Horrorthriller »Bone Lake« einen Urlaub blutig eskalieren

Nach der Obszö­nität der ersten Szenen gibt es eigent­lich kein Zurück mehr. Bone Lake warnt gleich am Anfang vor dem bestia­li­schen Potential, das in ihm schlum­mert. Ein Mann und eine Frau, ein Paar womöglich, rennt panisch und nackt durch den Wald. Wackel­ka­mera, bedroh­liche Musik. Jemand ist hinter ihnen her und schießt mit einer Armbrust. Bolzen bohren sich in das entblößte Fleisch. Einer in den Rücken, einer durch das männliche Geschlecht. Und dann ein fataler falscher Schritt: Ein Baumstamm pfählt den Körper. Die Natur wird gleich in den ersten hekti­schen Bildern mit Blut getränkt und, wie es das Genre will, werden schon bald neue poten­ti­elle Opfer die Leinwand betreten.

Die Regis­seurin Mercedes Bryce Morgan und der Dreh­buch­autor Joshua Fried­lander erzählen einen Stoff, der nicht umsonst vieler­orts mit Zach Creggers Barbarian vergli­chen wird. Beide Filme eint das Motiv der doppelt belegten Unter­kunft. Der brutale Prolog von Bone Lake blendet über in eine Reise. Diego und Sage sind auf dem Weg zu einem abge­le­genen, präch­tigen Anwesen in der Wildnis. Der Mann hat den Verlo­bungs­ring im Gepäck, um die Gunst der roman­ti­schen Zwei­sam­keit zu nutzen. Doch recht schnell beginnt Bone Lake, der Beziehung den Teppich unter den Füßen wegzu­ziehen. Konflikte schwelen in der Luft, auch bezüglich der Karriere. Dazu scheint es im Bett kaum zu laufen. Sage täuscht den Orgasmus beim Sex auf dem Bärenfell vor. Später wird sie von ihrem Partner dabei ertappt, wie sie heimlich im Bad mastur­biert.

Und dann gibt es noch dieses zweite Paar, das plötzlich vor der Haustür steht und die Unter­kunft ebenfalls gebucht haben will. Ein Versehen? Kurzer­hand beschließen sie, einfach zu viert in dem Haus am See zu leben. Platz ist schließ­lich genug für alle da, doch nach und nach wird die Lage immer brenz­liger und ange­spannter. Wie die meisten Horror­filme, ist auch Bone Lake vor allem so lange spannend, wie er mit dem Unwissen des Publikums spielt und verschie­dene falsche Fährten auslegt, wer nun wirklich welche Leichen im Keller zu verbergen hat. Vom Seri­en­killer- und Home-Invasion-Horror bis zur Geis­ter­ge­schichte werden mehrere Motive ange­rissen. Im See unter Wasser – eines der stärksten Bilder – stapeln sich alte Autos der Toten. Schau­er­ge­schichten werden erzählt und entdeckt. Welches Übel liegt also in der Luft und wen man hat man sich da ins Haus geholt?

Die Fremden als Ideal

Dass der Film bisweilen als Erotik­thriller tituliert wird, ist insofern zutref­fend, als er über längere Zeit mit einem verdrängten und ange­spannten Begehren arbeitet. Im Haus entdecken die beiden Paare plötzlich ein Sexzimmer mit allerlei Toys und Möbeln, Liebes­schaukel inklusive. Ein Zimmer weiter wartet das Ouija-Brett, bereit, die Toten zu beschwören. Lust und Grauen werden immer wieder neben­ein­an­der­ge­stellt und vermischt. Und in dieser Hinsicht packt einen die Konstel­la­tion, die Morgan und Fried­lander kreieren: Die beiden Fremden, die zu Diego und Sage stoßen, werden zu einem verhäng­nis­vollen Spie­gel­bild.

Die beiden versprühen eine unge­hemmte Erotik. Nachts hört man lustvolle Schreie. Die beiden scheinen das Feuer lodern zu lassen, das bei den zwei Haupt­fi­guren erloschen ist. Diego und Sage derweil sehen sich mit ihrer eigenen Prüderie und Unfähig­keit konfron­tiert, ihre Diffe­renzen zu besei­tigen. Allein das Thema Sexspiel­zeug im Schlaf­zimmer sorgt für Konflikt und irgend­wann durch­mi­schen sich die Figuren. Man beginnt, einander zu verführen und zu mani­pu­lieren. Man spielt sich gegen­ein­ander aus.

Das ist im Grunde eine schwarz­hu­mo­rige Swinger-Fantasie, die im puren Entsetzen gipfelt. Aus der vorge­spielten Geilheit, mit der auch die Insze­nie­rung immer wieder verhuscht und kichernd arbeitet, etwa wenn sich Nackte und Zuge­knöpfte plötzlich begegnen, werden Zwänge und Ängste. Nur: So amüsant das Spiel mit sexuellen Verwirr­nissen, Abwegen und Abgründen anmutet, so konven­tio­nell löst der Thriller-Plot dieses Szenario irgend­wann auf. Das ist kurz­weilig erzählt und so blut­rünstig, wie es der Auftakt des Films ankündigt, verspricht schluss­end­lich aber mehr wendungs­rei­ches Genre-Spiel, als er eigent­lich einlöst.

Kampf um die Liebe

Inter­es­sant bleibt hingegen die Frage nach dem Zusam­men­leben, die Bone Lake dominiert. In einer Zeit, die zumindest in Teilen liberaler mit diversen Formen und Spiel­arten des Begehrens, aber auch der Beziehung an sich umgeht, wird in diesem Film um das tradi­tio­nelle Bild der einen wahren Liebe und der einen Zwei­er­be­zie­hung für den Rest des Lebens gekämpft. Das kann man hoff­nungslos roman­tisch oder engstirnig und altmo­disch finden. Was hält dieses Paar denn überhaupt zusammen? Bemer­kens­wert ist aber, dass Bone Lake damit bestens zu einem Film wie Together in diesem Jahr passt, der mit den Mitteln des Body Horrors von der Verschmel­zung eines Paares erzählte. Der Horror resul­tierte dabei aus der Angst, die monogame Zwei­er­be­zie­hung könnte irgend­wann erdrü­ckend werden. Er folgte aber auch der roman­ti­schen Fantasie an sich und nahm sie beim Wort. Das meint hier die Fantasie, sich so nach jemandem zu verzehren, nicht mehr ohne die andere Person zu können, dass man tatsäch­lich mit Haut und Haar inein­ander übergeht und zu einer Einheit wird.

Bone Lake erzählt nun davon, wie dieses Verzehren und Verlangen um jeden Preis bewahrt werden soll. Auch wenn man dafür durch Blut waten muss. Die hete­ro­se­xu­elle Paar­be­zie­hung soll auf eine harte, sündige Probe gestellt werden. Sie wird getestet, wie standhaft sie ist und ob sie all ihre Probleme und Verschwie­gen­heiten über­winden kann. Zum Glück – und das schenkt dem Film doch noch einen span­nenden doppelten Boden – wird dieser blut­ge­tränkte Kampf auch zu einem grotesken Schmie­ren­theater, das plötzlich eine neue Perspek­tive auf die eigene Lage und Persön­lich­keit zu eröffnen scheint. Eine Spur des selbst­iro­ni­schen Wahnsinns inklusive. Kann man über den ganzen Schla­massel also nur noch lachen?