Bowfingers große Nummer

Bowfinger

USA 1999 · 98 min. · FSK: ab 6
Regie: Frank Oz
Drehbuch:
Kamera: Ueli Steiger
Darsteller: Steve Martin, Eddie Murphy, Heather Graham, Christine Baranski u.a.
Das Plakat

Eigent­lich sollte ich hier ja was schreiben über Bowfinger, den Film. Aber was soll ich viel sagen? Daß der den für eine Komödie nicht ganz uner­heb­li­chen Nachteil hat, besten­falls mäßig witzig zu sein? Daß die Grundidee nett ist: Jemand macht einen Film mit einem teuren Hollywood-Star, den er sich nicht leisten kann, indem er ihn heimlich filmt? Daß diese Idee aber samt und sonders versem­melt wird, weil Bowfinger sich beharr­lich weigert, die wirklich inter­es­santen Fragen zu stellen, wenn’s darum geht, warum die dominante Hollywood-Film-Ästhetik so aussieht, wie sie aussieht? Und sich dabei letzlich über andere Arten der Ästhetik, über andere cinema practices lustig macht, von seiner fetten, satten, öden Profi-Produk­tions-Warte aus? Daß Bowfinger die »Theorie«, daß Hollywood rassis­tisch sei (was ja nun nichtmal dort irgend­je­mand leugnen würde), für äqui­va­lent hält dem Glauben an UFOs? Und das Ding insgesamt also recht trostlos und uner­quick­lich sich dahin­schleppt und uns auf unin­spi­rierte Weise unschöne Dinge sagt?

Ach was. Will ja eh' wieder keiner hören, sagen ja eh' wieder alle: »Aber ist doch bloß Unter­hal­tung, hat doch keine Aussage«, als ob nicht gerade die »bloße Unter­hal­tung« der Ort wäre, wo wir uns unbewußt unsere Welt­bilder abholen.
Nein, nein, nichts von alldem. Ist der Film ja auch gar nicht wert, da lange drüber zu schreiben.
Statt­dessen: Das deutsche Plakat zu Bowfinger.
Aaahhh, da ist ein Gegen­stand fit for a king amongst poets, und für einen unter­tä­nigsten Film­kritik-Schrei­ber­ling allemal.
Denn sehet, dieses Plakat! Enthält es nicht all den Stoff einer Komödie gleich wie den einer Tragödie? Weiß man nicht nicht... (Halt, so geht’s nicht, das ist unelegnat. Nochmal:) Ist man nicht hin- und herge­rissen zwischen Lachen und Heulen; weiß nicht ob das eine tun oder das andere?
Genau so ist’s. Doch, ei, warum?

Beginnen wir mit dem Titel: Bowfin­gers große Nummer. Heißa, was springen uns Flut­wellen der Heiter­keit da schon entgegen. »Eine große Nummer«, das sagen die Ganoven (gell, ist’s nicht ein schönes Wort: Ganoven? Und hat man’s nicht eben­so­lange nicht mehr gehört wie »eine große Nummer«? Deshalb noch mal langsam: G-A-N-O-V-E-N. Hmmmm, jetzt klingt’s irgendwie komisch...) sagen also die Ganoven in Filmen der fünfziger Jahre immer, wenn sie was aushecken. Elegant umgangen hat hier Titel­dichter oder -rin die möglichen Schlüpfrig- und Zwei­deu­tig­keiten von Bowfin­gers große Nummer und uns dennoch ziel­si­cher hinein­ge­bettet in die wohlige, heimelige Sprach­welt vergan­gener Zeiten. Als eben »Ganoven« noch »eine große Nummer« »ausheckten«.
»Große Nummer«, das hat auch so etwas ganz ungemein Verschmitztes. Das ist so augen­zwin­kernd, rippen­k­nuffend, das einem schon ganz anders werden könnt'. Das sagt uns – nicht so aufdring­lich wie beispiels­weise Bowfin­gers total verrücktes Abenteuer (da müßte sich der deutsche Kino­gänger dann fast vorher schon bepieseln vor Lachen), aber nicht minder unmiß­ver­s­tänd­lich: Ja, Leute, hier gibt’s was Lustiges, was Heiteres. Hier wird geschmun­zelt bis die Mund­winkel runzeln.
Und da möcht' man doch, in unserer Welt der gras­sie­renden »Comedy«, schon wieder richtig Heimweh kriegen.

Wen aber letzt­sel­biges bei diesem Titel noch nicht packt – bei der Werbe­zeile drunter, da muß es einen ergreifen, da gibt’s kein Wenn und Aber mehr. »Sie lügen, tricksen und betrügen – aber auf die nette Tour.« Oh, Sehnsucht nach der verlo­renen Zeit! Oh Schmerz – denn sie kommt nimmer­mehr! Das ist so rührend, das ist so hilflos, das ist so süß – da wird’s (und bitte glauben Sie mir: Das meine ich ernst) so mollig warm um’s Herz, bevor es bricht, und feuchtes Tränen­glit­zern steiget auf in eben noch lächelnde Augen.
»Aber auf die nette Tour«! Denn lügen, tricksen und betrügen – das sind so böse, freche Sachen, die tut man eigent­lich nicht. Da könnt' das Publikum ausbleiben, weil’s sowas Unmo­ra­li­sches nicht sehen mag. Doch, irgend­wann hat’s eine Welt gegeben, da war das so. Wir müssen das glauben. Wir müssen drauf hoffen.
»Aber auf die nette Tour«! Auch das ein Sprach­re­likt aus längst vergang'nen Zeiten, ein schönes noch dazu. Eines, zu dem sich Worte zwanglos paaren wie »Schlingel«. Oder »Schla­winer« gar. Doch immerhin: es klingt schon mehr nach Sieb­zi­gern, wir nähern uns der Gegenwart.

Und seht: Die scheint zum Greifen nah, richtet den Blick man auf unsere beiden Schlingel und Schla­winer, die da im Bild daneben stehen. Steve Martin ist’s, und Eddie Murphy – sonst nichts als grauer Hinter­grund. Und sagt damit: Da sind zwei große Stars – oh Welt, was könntest Du denn sonst noch wissen wollen über den Film!?
Und ist’s uns nicht, als könnten wir uns da noch richtig dran erinnern, als wär’s noch gar nicht allzu­lange her, dereinst in unsrer Jugend, als sie’s tatsäch­lich waren? Große Stars. Der Martin Steve und Eddie Murphy. Zehn Jahre nur mögen seither ins Land gegangen sein – nicht viel im Angesicht der Ewigkeit. Und richtig lustig – so dämmert’s uns, wenn munter wir die Pfade der Erin­ne­rung beschreiten – waren die beiden damals auch.
Heut' freilich scheint uns das denn doch nicht mehr recht garan­tiert. Und so versi­chert uns das Bild wo es nur kann: Doch, doch, dem ist noch so. Der Martin Steve trägt groß­ka­riertes Sakko – und da stimm' ich zu: Männer, die groß­ka­riertes Sakko tragen, tun das im Dienste des Humors, gleich ob sie’s wissen oder nicht. Ja, will uns das Photo sagen: Der Martin Steve (im Film, selbst­re­dend) hat weder Geld noch gar Geschmack, und grinset trotzdem. Lustig!
Daneben Eddie Murphy. Der einst als Stand-Up Komiker so radikal vom Leder zog, daß reichen weißen Ameri­ka­nern ganz anders wurde und Aufnahmen seiner Auftritte meist nur zensiert zu hören waren. Hier trägt er Brille und Zahn­spange, und da wissen wir: Ei, das ist luuuustig. Das kennen wir vom Pausenhof aus sel'gen Grund­schul­tagen. Da haben wir auch schon immer gelacht über die, die Brillen hatten und Zahn­spangen. Erst recht freilich, wenn die auch noch so leicht debil waren, wie Murphys Eddie nun hier grinst. Doch weiß der Deutsche ohnehin: Der Dinge im Leben sind wenig, die gar so lustig sind als wie ein grin­sender Neger. Das hat der Rühmann Heinz dereinst schon fest­ge­stellt in Quax in Afrika, und Vils­maiers Sepp hat’s jüngst erst wieder wunder­schön gezeigt in seinen Comedian Harmo­nists.
Ein grin­sender Neger mit Brille und Zahn­spange, und offenbar noch leicht debil: Ja mei, wenn’s da dann nichts zum Lachen gibt, wo sonst!

Bei allem aber, was Ärgernis ist an diesem Plakat: Das Ganze hat etwas Beru­hi­gendes. Es ist so anti­quiert. So unbe­holfen zusam­men­ge­schus­tert, so offen­sicht­lich quasi in Heim­ar­beit von jemandem gebastelt, der oder die ein, zwei Jahr­zehnte in kultu­rellem Winter­schlaf verbracht hat. Es ist so un-»hip«, daß es schreit, so quer zu jedem Trend – es muffelt so schön. In unserer Welt des focus-group-testings, der Muti­mil­lionen-Werbe­etats, der Trends­couts, der dreifach verschach­telt selbst-ironi­schen Spots für ein Publikum, das alle Tricks der Werbung kennt – da tut es schon wieder gut. (Und ganz anders als jener bewußt insze­nierte »Retro«-Stil, der genau damit spielt, darauf speku­liert.) Daß so ein Plakat noch durch die Ritzen schlüpfen kann, daß einer der größten hiesigen Film­ver­leiher allen Ernstes dafür Geld (und wahr­schein­lich nicht wenig) ausge­geben hat und keiner in der PR-Abteilung es gestoppt hat – das macht Hoffnung. Unfähig­keit – gewollte wie unge­wollte – kann auch eine Form der Subver­sion sein. Schön, daß es sowas noch gibt, möchte man zu dem Bowfinger-Plakat sagen.
Unsere Welt braucht mehr Dinge, die nicht funk­tio­nieren.