Blues Brothers 2000

USA 1998 · 123 min. · FSK: ab 6
Regie: John Landis
Drehbuch: ,
Kamera: David Herrington
Darsteller: Dan Aykroyd, John Goodman, Joe Morton, Kathleen Freeman u.a.

Suchspiel für Musikliebhaber

Die Blues Brothers 2000 sind nur als Sound­track, nicht aber als Film zu ertragen

Es waren 120 Meilen nach Chicago, es gab genügend Benzin im Tank und Ziga­retten in der Tasche, es war dunkel, und sie trugen Sonnen­brillen. Dazu dröhnte Robert Johnsons »Sweet Home Chicago« auf der Tonspur, gespielt von einer Gruppe erle­senster Musi­kanten. Dem Finale von Blues Brothers, einer unglaub­li­chen Mate­ri­al­schlacht, bei der sich die Poli­zei­wägen aufein­ander türmten, war nichts mehr hinzu­zu­fügen. Nach dem Film sollte die Band noch eine Weile weiter­feiern. Der legendäre Booker T.-Bassist Donald »Duck« Dunn begnügte sich mit einer Flasche Jack Daniels pro Auftritt, die Gebrüder Blues, Jake und Elwood, waren expe­ri­men­tier­freu­diger. Nach einer ausge­dehnten Drogen-Versuchs­reihe verstarb Jake schließ­lich 1982 an einer Überdosis Alles­mög­liche, und die Filme, die er unter dem Namen John Belushi gedreht hatte, wurden nach­träg­lich einer ausgie­bigen Vermark­tung unter­zogen. Blues Brothers war seine Haupt­hin­ter­las­sen­schaft. Der beküm­merte Elwood nannte sich wieder Dan Aykroyd, wurde ein ernst­hafter, oscar­prä­mierter Schau­spieler und fraß und soff sich eine Wampe an. Die Band verteilte sich über’s Land in die Studios und Alters­ru­he­sitze. Doch Elwood konnte vom Jammen nicht mehr lassen, seine Restau­rant­kette »House of the Blues« boomte, und endlich, nach 18 Jahren, ereilte ihn nicht nur eine Abma­ge­rungskur, sondern auch der Auftrag des Herrn, die Band und das Filmteam wieder zusam­men­zu­bringen.

Der Sonnen­bril­len­klas­siker aus dem Jahre 80 war noch geprägt vom lärmenden Auf dem Highway ist die Hölle los-Humor der Siebziger Jahre, zugleich aber von der Liebe zur Musik. Regisseur John Landis hat oft sein Faible für Rock'n'Roll bekundet, indem er Leute wie Bo Diddley oder Carl Perkins besetzte. Bei Blues Brothers war Landis' Promotion besonders wirkungs­voll. Der Sound­track eroberte langsam aber sicher die Partys, bis er abge­nu­delt war wie Rocky Horror oder Grease. Neben den Gast­auf­tritten von James Brown, Aretha Franklin und Ray Charles hatten auch ein beiläu­figer Song von John Lee Hooker und die Kasset­ten­auf­schrift »The Best of Sam & Dave« ihre Wirkung auf dem Plat­ten­markt. Diese Freude am Revivalen sorgte nun für die späte Fort­set­zung Blues Brothers 2000, einer simplen Kopie des Originals. Das Waisen­haus, Bob’s Coun­try­bunker und der Gospel-Gottes­dienst werden ebenso abgehakt wie der Blues-Auftritt vor Country-Fans; der Witz vom kaputten Ziga­ret­ten­an­zünder wird zitiert und Aretha Franklin singt erneut ihren Film­gatten Matt »Guitar« Murphy an. Ihre Stimme ist Gänsehaut erzeugend wie eh und je, die Insze­nie­rung der Nummer aber unglaub­lich lahm. Kaum zu glauben, daß John Landis einst das Video zu Michael Jacksons »Thriller« gedreht hat. Da hätte es für ihn doch ein Leichtes sein müssen, die Gesänge der alten Soulstars schmissig zu verfilmen. Das Ballett in der Tele­fon­s­ex­zen­trale, wo Eddie Floyd und Wilson Pickett ihren Hit »634-5789« singen, gehört zu den wenigen Neue­rungen, auch der Band­wett­be­werb in den Sümpfen Lousi­annas. Neben B.B.King als Frontman sind dort R'n'B- und Rock-Größen der letzten vier Jahr­zehnte versam­melt, ein Suchspiel für Musik­lieb­haber. Die berau­schende »Battle of Bands« bleibt jedoch in Erman­ge­lung jeglicher Spannung aus. Nur der Sound­track kann über­zeugen mit den soliden B.B.Band-Versionen von Mack Rice- oder Bobby Bland-Songs, einer hörens­werter Sequenz von Taj Mahals Accapella-Gesang, einem sauberen Stück der Nach­wuchs­band Blues Traveller, sowie mit Dr. Johns exzel­lenter Inter­pre­ta­tion von Donovans »Season of the witch«. Auf der Leinwand sind Schau­pieler wie John Goodman ans drama­tur­gi­sche Nichts verschleu­dert, Musi­ker­gi­ganten wie Steve Cropper kommen nicht zur Geltung, der gesamte, schlappe Film-Zombie ist bloß das madige Revival eines Revivals. »Blues ist ja immer dasselbe«, scheinen sich Aykroyd und Landis gedacht zu haben, als sie die Repeat-Taste drückten. Der Blues ist in Wahrheit aber ein einfaches Schema, mit dem man alles ausdrü­cken kann, wenn man sein Gefühl einsetzt. Das haben sich die beiden vor achtzehn Jahren sicher wegge­kokst.

Sicher: Gebraucht hätte es diesen Film nicht wirklich. Von einem Film wie Blues Brothers, der sich das Prädikat »Kultfilm« voll und ganz verdiente zu einer Zeit, als das Wort »Kult« noch echte Bedeutung hatte, von so einem Film dreht man eigent­lich keine Fort­set­zung. Und ganz klar: Zwischen Blues Brothers und Blues Brothers 2000 liegen nicht nur 18 Jahre – da liegen Welten. Der mitreißend anar­chi­sche Geist des Originals will sich nicht wirklich wieder einstellen; dabei kommt einem aber über weite Strecken der Film weniger wie eine Fort­set­zung vor denn wie ein mißlun­genes Remake.
Es stimmt schon: Mit seinen zwei Stunden ist der Film zu lang, hat zu wenige Gags (von denen allzu­viele nicht zünden), weiß nicht recht, wohin er will. Und zugegeben: Die Musik­num­mern nehmen etwas überhand, zumal die Auswahl des Song­ma­te­rials auf Titel zurück­greift, die teils deutlich weniger hoch­karätig sind als im Vorbild.
Keine Frage: John Landis beweist einmal mehr, daß er nicht gerade zu den besten aller möglichen Regis­seure gehört, und ein nase­weiser Knirps ist nicht unbedingt das, was den Blues Brothers zur Vers­tär­kung schon immer gefehlt hat.

Aber nun gibt es den Film halt einmal, und ich finde – bei aller berech­tigten Kritik: Man kann doch recht gut mit dem Resultat leben. Wer ernsthaft ein Werk erwartet hat, daß es mit dem Original auch nur annähernd aufnehmen kann, ist selbst schuld. Aber es stand ja durchaus zu befürchten, daß der Geschäf­te­ma­cherei zuliebe das Ansehen der Blues Brothers geschändet, ihr Geist verraten, ihr Mythos durch den Dreck gezogen würde. (Es hätten sich in Hollywood bestimmt genügend Studio-Manager gefunden, die für eine Version mit Jim Carrey als Jake Blues und einem Techno-Pop Sound­track plädiert hätten.) Und das kann man Blues Brothers 2000 nicht vorwerfen.

Ein Hauch des alten Blues Brothers-Feelings hat sich doch noch herüber­ge­rettet; so manch gelun­genen Moment gibt es zu erleben; der Film hat sich seine befrei­ende Albern­heit bewahrt (auch wenn diese manchmal schon in Pein­lich­keit abgleitet); und vor allem gibt es ja noch die Musik. Und die macht halt doch Laune.
Ich glaube, daß der Film schon ganz gut funk­tio­nieren kann, wenn man ihn nicht in der Pres­se­vor­füh­rung, umringt von sauer­töp­fi­schen Jour­na­listen mit vorge­faßtem Urteil, sieht, sondern im voll­be­setzten Kino mit Leuten in Party-Stimmung.
Und wem das Ganze dennoch zuweit hinter den Erwar­tungen zurück­bleibt, soll sich doch darüber freuen, daß anläßlich dieser Fort­set­zung nun bestimmt auch das Original wieder des öfteren auf der großen Leinwand zu genießen sein wird.