Niederlande 2022 · 89 min. · FSK: ab 6 Regie: Camiel Schouwenaar, Jelle Nesna Drehbuch: Job Tichelman, Camiel Schouwenaar Kamera: Marc de Meijer Darsteller: Maik Cillekens, Anouar Kasmi, Kailani Busker, Mohammed Tijani, Martijn Fischer u.a. |
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Gute Laune soll ja ein Erfolgsrezept sein | ||
(Foto: Farbfilm Verleih) |
Gerade bei Kinder- und Jugendfilmen dauert es nach ihren Festivalauftritten häufig länger, bis sie den Sprung in die deutschen Kinos schaffen. Vor allem wenn es keine Komödien sind, sondern Dramen mit ernsten Themen und schwierigen Problemen. Das gilt auch für den Spielfilm Bleib am Ball… des niederländischen Regisseurs Camiel Schouwenaar, der schon 2022 beim Cinekid Festival in Amsterdam zum besten niederländischen Kinderfilm gekürt wurde und im selben Jahr beim »Schlingel«-Festival in Chemnitz den Preis für den besten europäischen Kinderfilm gewann. Zudem wurde die niederländisch-deutsche Koproduktion auf dem Kinderfilmfestival Filem'on in Brüssel vom Europäischen Kinderfilmverband ECFA als bester Spielfilm ausgezeichnet. Jetzt erst läuft er bei uns im Kino an.
Der elfjährige Dylan (Maik Cillekens) aus Rotterdam ist ein Ass im Fußball. Wie sein bester Freund Youssef (Anouar Kasmi) will er eines Tages Profi-Kicker werden. Ihr Team wird von Dylans ehrgeizigem Vater Dennis (Martijn Fischer) trainiert. Als die Jungs herausfinden, dass der berühmte Freestyle-Fußballer Soufiane Touzani (er selbst) ein Jugendturnier ausgeschrieben hat, will das Team teilnehmen und den Pokal gewinnen. Doch dann passt Dylan einen Augenblick nicht auf und wird auf der Straße von einem Auto angefahren. Im Krankenhaus erfährt der Rotschopf, dass sein Rückenmark verletzt wurde. Der Arzt sagt ihm, dass er seine Beine nicht mehr bewegen kann. Dylan sitzt nun im Rollstuhl und absolviert mühsam erste Physio-Übungen. Wieder zu Hause will er seine Lieblingsbeschäftigung keinesfalls aufgeben und trainiert verbissen weiter.
Dabei gerät er allerdings in Konflikte mit seinem Vater, für den der Erfolg der Mannschaft Vorrang hat, und Youssef, der in der Mannschaft seine Mittelstürmerposition übernimmt. In visionären Momenten erhält Dylan von seinem stets optimistischen Idol Touzani Trost und Aufmunterung. Durch seine coole Klassenkameradin Maya (Kailani Busker) kommt der Junge auf die Idee, den Rollstuhl bäuchlings zu nutzen und mit den Händen zu kicken. Erste Versuche verlaufen vielversprechend, und dann ermuntert ihn auch noch Touzani…
Die warmherzige Geschichte über einen schweren Schicksalsschlag, Fußballverrücktheit und tiefe Freundschaft beruht auf dem realen Fall des Niederländers Job Tichelman, der bei der Geburt im Jahr eine Wirbelsäulenverletzung erlitt. Trotz der Querschnittslähmung fand der fußballbegeisterte Junge einen Weg, mit anderen Kindern zu kicken. Später entdeckte er sein Talent fürs Geschichtenerzählen, studierte in Zwolle Journalismus und wurde Drehbuchautor. Er hat mit dem 1970 geborenen Landsmann und Regisseur Camiel Schouwenaar auch das Skript zu Bleib am Ball… geschrieben.
Dieser Erfahrungshintergrund dürfte dazu beigetragen haben, dass ihr Kinderfilm bei aller Dramatik authentisch wirkt und trotz der vielen Hürden und Schwierigkeiten, mit denen sich Dylan und Youssef befassen müssen, nie rührselig wird. Ja, der Film wartet sogar gelegentlich mit lakonischem bis sarkastischem Humor auf. Etwa wenn Dylan, der zu angeberischen Sprüchen neigt, seinen Kameraden lange weismachen will, dass er keineswegs behindert ist und bald auf den Bolzplatz zurückkehren wird.
Allerdings greifen die Autoren zu märchenhaften Überhöhungen, wenn sie zeigen, mit welcher Energie Dylan an seinem Ziel festhält, als Rollstuhlfahrer auf den Bolzplatz zurückzukehren. Erzählerische Schwächen bleiben da nicht aus. So ist wenig plausibel, dass ein junges Fußballteam einen querschnittsgelähmten Jungen als Torwart engagiert, der viele Bälle aufgrund seiner Bewegungseinschränkung gar nicht erreichen kann. Noch unglaubwürdiger ist, dass eine Turnierelf und ihr Trainer so einfach zustimmen, gegen eine Mannschaft mit einem Rollstuhlfahrer auf dem Feld anzutreten. Dazu kommt, dass der Ausgang doch allzu vorhersehbar daherkommt.
In Maik Cillekens und Anour Kasmi, die beide 2008 in Rotterdam geboren wurden, hat die Regie zwei überzeugende Jungdarsteller gefunden, die ihre Rollen mit großer Natürlichkeit und Präsenz verkörpern. Cillekens meistert die Herausforderung, einen ebenso verzweifelten wie sturen Kämpfer zu spielen, der nie aufgibt, mit Bravour. Als marokkanischstämmiger Youssef steht ihm Kasmi kaum nach, wenn er einen treuen besten Freund verkörpert, der zwischen Solidarität, Mitleid und eigenem Ehrgeiz hin- und hergerissen ist.
Pluspunkte sammelt Bleib am Ball… mit seinen packenden Fußballspielchoreographien und der einfühlsamen Kameraführung: Oft steht die Kamera von Marc de Meijer Dylan auf der Augenhöhe von Dylan, insbesondere wenn er im Rollstuhl sitzt, und bringt Empathie.
Unterm Strich ist es ein warmherziger Mutmacherfilm, der trotz der Problemfülle immer wieder auch Humor zeigt. Und der dem jungen Publikum vermittelt, dass man nie die Hoffnung aufgeben sollte und es enorm hilft, vom Einzelkämpfer zum Teamplayer zu werden, wenn man mit seiner Behinderung klarkommen will.