Big Fish

USA 2003 · 125 min. · FSK: ab 6
Regie: Tim Burton
Drehbuch:
Kamera: Philippe Rousselot
Darsteller: Ewan McGregor, Albert Finney, Billy Crudup, Jessica Lange u.a.
Komischer Autoschlüssel!?

Sehr, sehr, sehr großer Fisch

Mars Attacks!, Batman, Edward mit den Sche­ren­händen und natürlich Sleepy Hollow – dunkel und genial, originell und boshaft, magisch und über­ra­schend sind Tim Burtons Filme eigent­lich immer. Auch diesmal versteht es dieser eigen­willig-verspon­nene, jederzeit hoch­in­ter­es­sante Regisseur, seine Zuschauer zu über­ra­schen. Dies schon allein dadurch, dass man einen solchen Film wie Big Fish, mit seinem hellen, versöhn­li­chen und etwas verfrüht alters­weisen Grundton nie und nimmer von ihm erwartet hätte.

Eine Vater-Sohn-Geschichte aus den US-Südstaaten der Gegenwart, erzählt aus rück­bli­ckender Perspek­tive: Der schrul­lige, aber liebens­werte Edward Bloom (Ewan McGregor, bzw. heraus­ra­gend: Albert Finney) wird bald sterben, sein Sohn trifft den Vater nach Jahren wieder. Der hat sein Leben gelebt, indem er sich mit einer dicken Haut aus Erzäh­lungen vor der Wirk­lich­keit geschützt hat. Dem Sohn gehen all diese Stories unglaub­lich auf die Nerven – er wollte immer an den Menschen heran­kommen, und bekam doch nur wieder eine neue Geschichte zu hören, oder – schlimmer noch – eine der alten, längst bekannten. Edwards prah­le­ri­sche, dreist immer aufs Neue wieder­holte Lieb­lings­er­zäh­lung ist die titel­ge­bende von einem großen, sehr, sehr, sehr großen Fisch, den der Vater am Tag der Geburt des Sohnes mit einem Trick gefangen haben will. Auch wir Zuschauer werden sie mehr als einmal hören, und am Ende mancher Länge das Mantra vernommen haben: Ohne tolle Geschichten und wunder­same Erzäh­lungen ist das ganze Leben nichts wert.

Big Fish erzählt Edwards Biogra­phie von der Wiege bis zu Bahre in kurzen Geschichten, kleinen Anekdoten, märchen­haften Episoden. Sie sind bilder­reich und über­quel­lend insze­niert, der Film ist eine rechte Wunder­tüte für all jene, die prächtig-über­la­dene Bühnen­bilder schätzen, und kunter­bunten Kitsch nicht fürchten, sondern sich an einem Kino freuen können, das sich als barocke Wunder­kammer gibt. Wie gesagt: Auf Abgründe und Dunkel­heit verzichtet der Film fast völlig, allein in der Doppel­rolle von Helena Bonham Carter scheint sie auf. Die spielt zunächst einmal eine Hexe aus Edwards Kinder­tagen, vor der seine Jugend­freunde Angst haben. Nur Edward selbst wagt sich in ihren Garten, und erfährt so schon im Vorhinein, wie er nach einem langen Leben einmal sterben wird. Später dann begegnet diese begnadete Darstel­lerin uns wieder als die einzige – plato­ni­sche – Geliebte Edwards, seine einzige Möglich­keit ein anderes, viel­leicht wahr­haf­ti­geres, weil weniger märchen­haftes Leben zu führen.

Man kann nämlich auch in diesem, ober­fläch­lich betrachtet allzu heiteren, versponnen-wohl­wol­lenden, und darin eben etwas naiven und kitschigen Geschichte, die in vielem eher wie ein Spielberg-Film aus den 80ern wirkt, als wie einer von Tim Burton, eine andere, keines­falls naive Seite entdecken: Edward entpuppt sich dann nämlich auch als eine tragische Figur, einer der das Leben selbst verpasst hat, weil er es immer nur als Material für Erzäh­lungen begreift. Der zur Schau getragene Opti­mismus des Films wäre in diesem Sinn selbst die größte Bedrohung.