The Banshees of Inisherin

Irland/GB/USA 2022 · 115 min. · FSK: ab 16
Regie: Martin McDonagh
Drehbuch:
Kamera: Ben Davis
Darsteller: Colin Farrell, Brendan Gleeson, Kerry Condon, Barry Keoghan, Pat Shortt u.a.
Trügerische Idylle...
(Foto: Disney)

Krieg oder Frieden, Kunst oder Leben?

Martin McDonaghs Kammerspiel ist tiefsinnige Parabel, tiefschwarze Tragikomödie – und ein bitterer Abgesang auf den Menschen als soziales Wesen

»Davey: So all this terror has been for abso­lutely nothing?
Donny: It has!«

– Martin McDonaghs, 'The Lieu­tenant of Inishmore' (2. Stück der Aran Island Trilogie)

Das Jahr 1923 war nicht nur für Deutsch­land, das mit Hyper­in­fla­tion, Not und Putsch­ver­su­chen zu kämpfen hatte, ein Krisen­jahr. In Irland gewann der bis Mitte des Jahres 1923 dauernde Bürger­krieg mit bis dahin nicht gesehenen Gräu­el­taten und Hinrich­tungen eine Dynamik, die noch lange die irische Politik belasten sollte und die in nichts dem Grauen des irischen Unab­hän­gig­keits­krieges (1919-1921) nachstand, den Ken Loach in seinem The Wind That Shakes the Barley so eindrück­lich wie ernüch­ternd geschil­dert hat.

Dass nun Martin McDonagh in seinen Banshees of Inisherin sich dieses Jahres annimmt, dürfte aller­dings weniger dem hundert­jäh­rigen Gedenken an das Ende dieses Krieges geschuldet sein. Denn McDonagh hatte den Stoff für seinen vierten Spielfilm bereits 1994 als nie aufge­führtes Thea­ter­stück im Rahmen seiner Aran Island Trilogy konzi­piert, um es erst jetzt in ein Drehbuch und einen Film zu über­führen.

Diese für das Theater geschrie­bene Trilogie und auch die filmische Adaption der Banshees haben einen etwas anderen Tonfall als McDonaghs bisherige Filme: die schwarzen Komödien Brügge sehen... und sterben?, 7 Psychos und vor allem sein letzter bei Kritik, Publikum und Festivals erfolg­rei­cher Three Bill­boards Outside Ebbing, Missouri. Zwar führt McDonagh mit Colin Farrell und Brendan Gleeson seine geal­terten Haupt­dar­steller aus Brügge sehen... und sterben? wieder zusammen und liegt vor allem im ersten Drittel des Films eine flirrende, fast schon alberne (und ein wenig nervende) Leich­tig­keit im Raum, die wir auch aus seinen früheren Filmen kennen, doch ist das nicht mehr als eine Ouvertüre zu einer para­bel­haften Handlung, einem Kammer­spiel, in dem über eine zerbre­chende Freund­schaft das Zerbre­chen ganzer Gesell­schaften (und beileibe nicht nur der irischen) durch­ex­er­ziert wird.

Diese Makro­ebene deutet McDonagh aller­dings nur an, sie liegt in Sicht­weite der kleinen irischen West­küs­ten­insel, auf der sich das eigent­liche Geschehen abspielt, ein zutiefst mensch­li­ches Drama, mit dem sich wohl jeder iden­ti­fi­zieren können sollte, auch wenn McDonagh hier (wie auch in den beiden anderen Stücken der Trilogie) auch auf spezi­fi­sche irische Dilem­matta anspielt. Denn wer ist nicht schon einmal alter Freund­schaften und Bekannter müde geworden, weil sie nicht nur lang­weilen oder ärgern, sondern auch noch das Potenzial für einen Neuanfang blockieren, und mehr noch, wenn es um die Musik, die Kunst geht, die sich endlich Bahn brechen soll und die ja tatsäch­lich am besten in einem gut kura­tierten Umfeld gedeiht?

Nur die Wenigsten wagen den Bruch, so wie Colm (Brendan Gleeson), der von einem Tag auf den anderen mit Pádraic (Colin Farrell) bricht, während vom Festland immer wieder Schüsse des irischen Bürger­kriegs zu hören sind. Zwar versuchen Pádraics Schwester Siobhán (Kerry Condon) und der Dorf­trottel Dominic (Barry Keoghan) zu vermit­teln, doch Colm bleibt dabei und droht neben der Konzen­tra­tion auf seine Musik mit unge­wöhn­li­chen, physi­schen Konse­quenzen, die eine bizarre Eska­la­ti­ons­spi­rale auslösen, wie sie aus Kriegen nicht viel anders bekannt ist.

Doch obgleich der eigent­liche Bürger­krieg dann und wann näher rückt, bleibt McDonagh bei seinen Prot­ago­nisten, um so gnadenlos wie ehrlich der grund­sätz­li­chen Frage nach­zu­gehen, inwieweit der Mensch als soziales Wesen funk­tio­nieren kann, wenn er ehrlich ist und auf totaler, radikaler Unab­hän­gig­keit besteht. Denn so wie das auto­fik­tio­nale Ich in Karl Ove Knaus­gårds Mein Kampf verbrannte Erde hinter­lässt, so nimmt auch McDonaghs Colm die verbrannte Erde in Kauf, um vor sich und seinen künst­le­ri­schen Ambi­tionen zu bestehen und nicht mehr lügen zu müssen.

Wie schwer Ehrlich­keit wiegt und gleich­zeitig mit allen Mitteln verdrängt wird – viel­leicht ja verdrängt werden muss – zeigt McDonagh mit seinem subtilen, klugen Drehbuch jedoch nicht nur über die Entwick­lung seiner Charak­tere, die er ins Zentrum stellt und die bis in die letzte Neben­rolle hervor­ra­gend besetzt sind. Auch das Score, zu Anfang durch eine trüge­ri­sche Leich­tig­keit geprägt, dann sich mehr und mehr, dem Ernst der Lage ange­messen, eman­zi­pie­rend, erzählt diese Geschichte.

Und dann ist da natürlich noch McDonaghs tief­schwarzer Humor, der hier ähnliche Grenzen über­schreitet wie Mark Mylods Kapi­ta­lis­mus­kritik in The Menu, um eine Wahrheit für das Publikum erträ­g­lich zu verkaufen, die eigent­lich gar nicht zu ertragen ist. McDonaghs immer wieder bizarrer, unter­grün­diger Humor, der durch die deutsche Synchro­ni­sa­tion leider erheblich an Komple­xität verliert, hat aller­dings eine weitere tragende Funktion – er ist auch erlö­sender Kontra­punkt zu einer von der Kamera Ben Davis' fixierten irischen Hyper­rea­lität, die durch Eimer Ni Mhaol­d­omh­n­aighs Kostüme und Mark Tildesles Szenen­bilder fast schon doku­men­ta­risch vibriert. Und so, unter dezenter Einbe­zie­hung alten irischen Sagenguts, auf die natürlich auch der Titel anspielt, ein beein­dru­ckender Film entsteht, ein aufre­gendes, nie ermü­dendes Expe­ri­ment, das die großen Fragen des Lebens über eine kleine Geschichte nicht nur illus­triert, sondern sie mit philo­so­phi­scher Dichte zu ergründen versucht.

Und es ganz am Ende dann nicht nur die Absur­dität des Lebens und seiner Zufälle ist, die ganzen abge­brannten Lügen­ge­bäude unserer Wirt­schaft, unserer Politik, unseres ganzen, kleinen Lebens sind, die ein dauer­haftes, fried­li­ches Mitein­ander fast unmöglich machen, sondern über allem die Angst vor der Einsam­keit steht, die das zerstört, was sie eigent­lich am drin­gendsten will.

Literatur:

Nataša Z. Anto­ni­jevićBranding the Irish Nation – Martin McDonagh’s The Aran Trilogy; Univer­sity of Kragu­jevac, Faculty of Philology and Arts, 2019

Martin McDonagh: Aran Islands Trilogy; 1998/2001

Schlimme Finger

Die bösen Geister einer Insel: Martin McDonaghs unausgewogener, schräger The Banshees of Inisherin ist ein Drama über Freundlichkeit und Selbstverstümmelung

»Life is hard, and then you die.«
Irische Philo­so­phie

»Nobody from the 17th century was remem­bered for being nice.«
Dialog­zeile aus dem Film

Jetzt sagen schon wieder alle: Dieser Film wird einen Oscar gewinnen. Mindes­tens einen. Und wahr­schein­lich haben sie sogar Recht. Dass sie Recht haben, ist aber das Schlimmste. Es ist schlimm für den Oscar, dass es so bere­chenbar ist, es ist aber auch schlimm für diesen Film, denn es zeigt ja nichts anderes, als dass er von Anfang an in jedem seiner Momente daraufhin designed ist, unbedingt »ein Oscar-Kandidat« zu werden. Und solche Oscar-Kandi­daten-Filme sind noch viel viel schlimmer, als die, die dann wirklich den Oscar gewinnen.

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»Habe ich dir was getan?« – »Ich mag dich einfach nicht mehr.« – ein entsetztes Gesicht ist die Folge dieses Wort­wech­sels. Pádraic kann es einfach nicht fassen. Ihm fällt ganz wörtlich die Kinnlade herunter, als ihm sein Kumpel Colm aus heiterem Himmel die Freund­schaft aufkün­digt. Auch die anderen Bewohner der kleinen irischen Insel verstehen nicht, was passiert ist. Denn es gab keinen erkenn­baren Anlass, keinen Zank.
Bis gestern noch waren Pádraic und Colm ziemlich beste Freunde. Jahrelang verbrachten sie mehrere Tage in der Woche mitein­ander – zugegeben in einem kleinen gott­ver­las­se­nenen Fischer­dorf an der irischen Küste, wo es so viele andere Möglich­keiten auch gar nicht gibt. Und wo man anderen Leuten schlecht aus dem Weg gehen kann.

Aber Colm hat sich entschlossen, genau das zu tun. Die Gründe bleiben unver­ständ­lich. Auch gemein­same Bekannte sind fassungslos: Man könne doch nicht eben mal so eine Freund­schaft aufkün­digen. Aber Colm insis­tiert: Pádraic sei lang­weilig geworden. Er kann, er will ihn einfach nicht mehr sehen.
Wie Kollege Christoph Petersen treffend beob­achtet hat: Ghosting gab es auch schon vor den digitalen Medien.

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Man weiß nicht so recht, ob man diesen Film wegen seiner vielen, zumindest aus Zuschau­er­per­spek­tive absurd komischen Momente nun eine Komödie nennen soll, oder doch eine Tragödie, ein Melodram. Denn das, worum es am Ende geht, ist im Prinzip ja überaus ernst: Die Irra­tio­na­lität mensch­li­cher Konflikte, aus der die schlimmsten Dinge, ja Mord und Totschlag wachsen. Und denen man nicht beikommen kann, indem man erklärt, wie unver­nünftig und sinnlos sie viel­leicht sind – denn eine solche Betrach­tung mit der Stimme der Vernunft stammt komplett von außen. Von innen betrachtet aber haben auch solche scheinbar irra­tio­nalen Konflikte ihren ganz eigenen, tieferen Sinn. Und auch, wo sie am Ende keinen Sinn haben, sind sie viel­leicht »einfach so« da, und die Stimme der Vernunft hat hier nicht viel zu melden.

Außerdem stimmt natürlich auch: Wenn immer der Klügere nachgibt, gewinnen die Dummen. Und genau das passiert in diesem Film.

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So kann man diesen Film wohl am ehesten tragi­ko­misch und makaber nennen – ähnlich wie schon Brügge sehen... und sterben? (2008) und Three Bill­boards Outside Ebbing, Missouri (2017), zwei Welterfolge des Thea­ter­au­tors und Regis­seurs Martin McDonagh, der kein Ire ist, sondern ein aus London stam­mender Brite. Beide Filme schillern etwas unklar zwischen ihren Stim­mungs­lagen, was offenbar ziemlich zeitgemäß ist, denn die Filme »funk­tio­nieren« beim Publikum.
Es kann aber auch ärgern, weil diese Filme sich konse­quent weigern, ihre ja eben im Prinzip keines­wegs lustigen Themen – Auftrags­mord, Suche nach einem Seri­en­killer – ernst zu nehmen, sondern sie für oft recht billige Witze ausbeuten. Explo­ita­tion für Bildungs­bürger.

Diesmal wählt der Regisseur nicht Auftrags­killer und Seri­en­mörder, sondern das Ende einer Freund­schaft zweier einfacher Männer und die kuriosen Seiten einer schlicht gestrickten Dorf­ge­mein­schaft zur Grundlage seiner nächsten Explo­ita­tion und eines halb lustigen, halb schreck­li­chen Films.

Die giftige Feind­schaft, in die diese Männ­er­freund­schaft plötzlich umschlägt, die Wut und der Hass richten sich dabei nicht nur gegen den jeweils anderen; sie sind auch eine Form der Selbst­ver­stüm­me­lung – das führt dieser Film ganz plastisch vor Augen: Eines Tages nämlich verkündet Colm seinem neuen Erzfeind, er werde sich, wenn dieser weiterhin bei ihm auftauche und versuchen sollte, das Problem zu lösen, jedes Mal, wenn das passiert, einen seiner Finger abschneiden. Und tatsäch­lich geschieht genau das!

Ist auch das nun noch eine Komödie? Oder nicht eher eine schrill-absurde Perfor­mance, in der das selbst­zer­stö­re­ri­sche Verhalten debiler Provinzler auf die Spitze getrieben wird, damit sich das gebildete urbane Publikum daran delek­tieren kann?

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Es ist nur ein rheto­ri­sches Klischee, wenn jetzt an dieser Stelle gesagt wird, das sei halt ein Film, »wo einem das Lachen im Halse stecken bleibt«. Gibt es so etwas überhaupt? Aber vor allem gibt es hier viel zu lachen, aber nie mit den Prot­ago­nisten, immer nur über sie.

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In mancher Hinsicht bietet dieser Film reine Folklore: Ein kleines zurück­ge­blie­benes Nest, so niedlich wie sonderbar, mit einem Dorf­trottel und einem Esel, mit vielen anderen Tieren, mit Säufern und Priestern und einem Mann, der sich eben aus Hass selbst verstüm­melt. Gerade in solchen burlesken, irgendwie barock-karne­val­esken Momenten wie diesen verrät sich der distan­zierte Blick eines urbanen Filme­ma­chers und die vermutete Perspek­tive eines städ­ti­schen Publikums: Das Dorf erscheint als Anlass zum Schmun­zeln und für das Gelächter der anderen, als seltsamer Märchenort, bewohnt von einem Haufen sonder­barer, zurück­ge­blie­bener Provinzler, einer Art real­exis­tie­render Hobbits, die unserer Moderne entfremdet in einem fernen Auenland ihre merk­wür­digen Bräuche und Verhal­tens­weisen zele­brieren.

Die Verhält­nisse haben aber zugleich auch eine abgrün­dige Seite: Alles ist grausam und grotesk, und auf makabere Weise gegen­wärtig.
Denn man kann gar nicht anders, als die Handlung auch auf heutige Konflikte zu beziehen. Zwar spielt alles vor 100 Jahren, 1923 mitten im britisch-irischen Krieg, der auch ein irischer Bürger­krieg war. Die nach wie vor ungelöste Nord­ir­land-Frage ist eine Folge dieses Kriegs. Aber McDonagh erforscht meta­pho­risch einen univer­salen Gefühls­zu­stand. Tiefe Verlet­zungen erzeugen irgend­wann noch tiefere Verlet­zungen. Darum erträgt es Pádraic irgend­wann nicht mehr und schlägt zurück.

Es ist alles ein bisschen sehr behauptet: Denn sind wirklich nur toxische Männ­lich­keit und irra­tio­nale Dummheit die Ursache von Konflikten wie dem in Nord­ir­land oder jetzt der Ukraine? Spielen handfeste Inter­essen, Gier nach Reichtum und Macht und soziale Ungleich­heit gar keine Rolle?

Gerade wenn das alles tatsäch­lich als Allegorie auf die Ukraine und andere aktuelle Geschwis­ter­kriege gelesen werden muss, ist der Verweis auf dumpfe Provinzler und männ­li­ches Verhalten um einiges zu kurz gegriffen.

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Der Film macht es sich da viel zu einfach. Genauso wie in seiner Entschei­dung, die Geschichte komplett geprägt durch die Perspek­tive von Pádraic zu erzählen. Er, der schlichte gute Bauer, eindrucks­voll und sympa­thisch verkör­pert von Colin Farrell, ist die Iden­ti­fi­ka­ti­ons­figur des Publikums, und er wirkt in diesem Konflikt der beiden Freunde letztlich als das Opfer, Colm als der Täter.

Colm ist ein auf irische Volks­musik spezia­li­sierter Geiger. Von Brendan Gleeson muffelig und verbies­tert gespielt, ist seine Figur vor allem das proto­ty­pi­sche Portrait eines Künstlers: Narziss­tisch und arrogant, innerlich unsicher und besessen von Angst vor dem relativ nahen Tod und der plötz­li­chen Idee, sich selbst durch ein Werk bedeu­tungs­voll und unsterb­lich zu machen. Er will seine Zeit nicht länger mit Leuten verschwenden, sondern sich dem Kompo­nieren von Liedern widmen.

So gesehen steht hier auch der Hochmut des Künstlers im Zentrum.

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Zugleich muss man Colm aber in zweierlei Hinsicht recht geben: Zum einen muss das Leben doch tatsäch­lich mehr Sinn haben, als jeden Abend zuge­dröhnt in der Kneipe zu stehen. Auch wenn man das mit Freunden tut, auch wenn man hier gegen­sei­tiges Einver­ständnis zele­briert. Solche Abende sind nötig. Aber sie sind nicht alles.
Colms Überdruss an der Monotonie, an den durch­schnitt­li­chen Lebens­ver­hält­nissen und an der Dummheit seiner Mitmen­schen, ja an den sozialen Ritualen der Mitmen­schen überhaupt, dieser Überdruss ist sehr verständ­lich und ist moralisch unbedingt vertei­di­gungs­wert. Gerade auch da, wo er sich in primi­tiven und über­trie­benen Hand­lungen äußert.

Zum zweiten ist auch Colms Aggres­sion gegen die Nettig­keit verständ­lich. Gegen die Nettig­keit an sich. Denn wie wichtig ist es denn wirklich, immerzu »nett« zu sein? Natürlich sind Höflich­keit und gute Erziehung und Empathie etwas Wert­volles. Nettig­keit aber, oder wie es auf Englisch heißt, »niceness«, geht noch einen wesent­li­chen Schritt weiter. Sie tötet auch die Ausein­an­der­set­zung, die einen weiter­bringt. Sie tötet den produk­tiven Streit und kleistert ihn zu mit einer klebrigen zähen süßen Soße.
Bestimmt unge­lo­gene hundert Mal in diesem Film sagt Pádraic von sich selber, er sei »nice«. Darum versteht er die Welt nicht mehr, als seine Nettig­keit auf eine unüber­wind­liche Grenze stößt, und nicht mehr belohnt wird. Und gerade diese Art, seine eigene »niceness« zu betonen, macht ihn zu einem ganz und gar nicht netten, sondern sehr anstren­gend werdenden und nerv­tö­tenden Menschen. Zumindest kann man das so sehen. Und zumindest kann man Colms Verhalten verstehen und nach­voll­ziehen, dass er es nach 20 oder 30 Jahren so sieht. Irgend­wann hält man eine bestimmte Form von Nettig­keiten nicht mehr aus.

Und seine Bemerkung, dass man sich an die Nettig­keit von Mozart und Beethoven nicht erinnert, sondern an ihre Werke, und dass Nettig­keit für Histo­riker und die Erin­ne­rung nicht von Belang seien – »nobody from the 17th century was remem­bered for being nice« – ist auf abgrün­dige Weise voll­kommen richtig.

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Die »Banshees« des Titels, die auf der fiktiven Insel Inisherin ihr Unwesen treiben, sind Feen, weibliche Geister, die als düstere Omen den Tod einer ihnen nahe­ste­henden Person durch Schreie, Wehklagen oder Kreischen wie düstere Sirenen ankün­digen. Im ständigen Pfeifen des Windes, im Peitschen der See kann man sie vermuten.
Sie bilden zusammen mit der großar­tigen Musik von Carter Burwell den Hinter­grund dieser harten, blutigen, konse­quent erzählten Geschichte über Tradition und Sehnsucht.

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Trotzdem: Ich mag den Film einfach nicht.

Ist das ein Argument?