From the World of John Wick: Ballerina

Ballerina

USA 2025 · 126 min. · FSK: ab 18
Regie: Len Wiseman
Drehbuch:
Kamera: Romain Lacourbas
Darsteller: Ana de Armas, Anjelica Huston, Gabriel Byrne, Lance Reddick, Catalina Sandino Moreno u.a.
From the World of John Wick: Ballerina
Weder Ausbruch noch Neubetrachtung...
(Foto: Leonine)

Schatten einer Ikone

Das Action-Universum von John Wick expandiert weiter: Ballerina zeigt jedoch, dass die ursprüngliche Reihe schwer zu toppen ist

Der Körper kann mit den schmis­sigen Sounds auf der Tonspur zunächst kaum mithalten. Bemüht, Ja, aber mitunter etwas behäbig, zu konzen­triert, zu verkrampft einstu­diert, kurz: weniger verblüf­fend und grazil muten die Kämpfe in Ballerina an. Zumindest dann, wenn man sie mit den kunstvoll fließenden FSK-18-Choreo­gra­phien der John-Wick-Filme vergleicht. Eine der ersten großen Action­se­quenzen dieses neuen Spin-Offs der Reihe findet in einem Nachtclub mit Eis- und Glas­ku­lissen und wabernden Nebel­ef­fekten statt. In einem solchen Setting lehnt sich Ballerina noch am ehesten an die zuletzt immer abstrakter und unwirk­li­cher erschei­nenden, beein­dru­ckenden Bild­welten der Ausgangs­reihe an. Wenn­gleich das Kämpfen selbst noch nicht an deren Virtuo­sität heran­reicht.

Es wirkt zunächst noch so, passend zum Setting, als habe sich eine zarte Eisschicht über die gefro­renen Glied­maßen gelegt, die sich erst warm­kämpfen müssen, um sich von ihrer Hemmung zu befreien und auf das Level zu gelangen, das der Film dann später zum Glück mitunter erreicht. An Krea­ti­vität beim Töten mangelt es Ballerina per se schließ­lich nicht. Der Film fügt sich somit in das gewohnt über­zeich­nete, exzessive Gewalt­spek­takel der Reihe ein. Hand­gra­naten werden kurzer­hand zu Nahkampf­waffen umfunk­tio­niert. Schlitt­schuhe werden zweck­ent­fremdet. Später dann der Flam­men­werfer. Feuer gegen Feuer und Feuer gegen Wasser und diese Sequenz ist tatsäch­lich nicht nur das Highlight dieses Films, sondern überhaupt ein Höhepunkt im Wick-Franchise.

Kaum Platz für neue Heldinnen und Helden

Nur ist Franchise das große Stichwort und ein paar über­zeu­gende Action-Einlagen retten Ballerina nicht vor der Enttäu­schung. Wachsen und wuchern soll jenes Franchise in alle Rich­tungen. Eine Prequel­serie (The Conti­nental) wurde zu den bishe­rigen vier Kino­filmen mit Keanu Reeves an den Start gebracht. Nun betritt die Ballerina die blut­ge­tränkte Bühne, die ihr parallel zur Handlung der Ursprungs­reihe bereitet wird. Weitere Spin-Offs sind bereits in Planung. Cameo-Auftritte dürfen dabei nicht fehlen. John Wick persön­lich schaut hier für wenige, aber zentrale Momente vorbei. Ein Endgegner gleich im mehr­fa­chen Sinne – auch für das kreative Potential dieses Ablegers. Der Schatten des Helden ist nämlich so groß, dass er die Reihe weiter über­la­gert, über­la­gern soll. Sein Marken­name verschlingt dadurch ein ganzes Ensemble, das sich ange­strengt und mit allerlei körper­li­cher Aufop­fe­rung das Rampen­licht erkämpfen will, aber am Ende doch den Kürzeren ziehen muss.

Ana de Armas als neue Action­heldin, Eve heißt sie, bleibt jeden­falls ein zu blasses Abzieh­bild, um Vorfreude auf ein künftiges Wieder­sehen zu wecken. Bei einem Wieder­sehen mit John Wick würde das schon anders aussehen! Eve gerät nach der Ermordung ihres Vaters in die mafiöse Unterwelt, mit der es sich jener Vater einst verscherzte. Eine russische Thea­ter­lei­terin, gespielt von Anjelica Huston, nimmt sie auf. Also wird Eve nicht nur zur Tänzerin, sondern auch zur Killer­ma­schine ausge­bildet, die irgend­wann auf eigene Faust loszieht, um ihren Rache­feldzug gegen die Mörder des Vaters zu starten. Ein Krieg zwischen den Clans, Sekten und Orga­ni­sa­tionen droht.

Ein Rück­schritt nach John Wick: Kapitel 4

Ballerina ist damit kein schlechter Genrefilm, aber er fällt hinter den John Wick-Vorbil­dern eben deutlich ab. Die jahrelang geplante und konstru­ierte Einbet­tung dieser Geschichte in das Universum von John Wick lässt sie am Ende weniger wie ein selbst­si­cheres Werk als ein verkrampftes Nach­ei­fern und Zittern vor den bereits hinter­las­senen Fußstapfen der Reihe erscheinen. Besagtes Nach­ei­fern will dabei mal mehr und mal weniger über­zeu­gend gelingen. Ballerina ist in seiner formalen Ausge­stal­tung oft zu konven­tio­nell, um gerade nach der Zäsur von John Wick: Kapitel 4 bestehen zu können, den man guten Gewissens als einen der stärksten Action­filme der vergan­genen Jahre bezeichnen kann.

Was Regisseur Chad Stahelski darin anstellte, war eine Abstrak­tion der Reihe hin zu einer neuen Ebene. Mit kunst­vollen Licht­in­stal­la­tionen verwan­delte er die urbanen Räume, in denen John Wick sein Unwesen treibt, in surreale Zwischen­welten und bewegte Comic-Panels. Eröffnet mit einem Dante-Zitat, das das Publikum in die sinn­bild­liche Hölle und deren Stationen führt. Gekrönt von einer furiosen Survival-Nummer rund um den Pariser Arc de Triomphe, der ganz eigenen Inter­pre­ta­tion eines Höllen­kreises. Einer Quasi-Jenseits­reise glich das, ange­leitet von einem Helden, der nicht mehr Held sein wollte, getrieben bis hin zur Todes­sehn­sucht. Ein Kämpfer, der weder richtig hier noch richtig dort ist.

Filmische Identität und Körper­kult

In Ballerina, insze­niert von Len Wiseman, ist von der Ästhetik ein ober­fläch­li­cher Style geblieben. Ein paar nette Spie­le­reien mit Neon und LED und Hell-Dunkel-Kontrasten gibt es dort zu sehen. Schick sieht das aus, keine Frage! Man sieht diesem Spektakel gern zu, aber es ist von der gnaden­losen ästhe­ti­schen Brillanz und Eigen­wil­lig­keit, die Stahelski in seinen Filmen zuletzt insze­nierte, weit entfernt. Was schluss­end­lich bleibt, ist ein char­manter, aber flüch­tiger, wenig prägender B-Reißer, der am ehesten mit seiner Such­be­we­gung im Gedächtnis bleibt. Das meint die Suche nach einer eigenen Identität im Wick-Kosmos, die ihre Unver­wech­sel­bar­keit vermissen lässt. Das meint zudem die Suche nach einer Körper­lich­keit inmitten des Licht­spiels Film. Mal erlangt die Präsenz des malträ­tierten Körpers einen sakralen Charakter. Während ein Tattoo unter die Haut gestochen wird, sind betende Statisten rings­herum bei Kerzen­schein drapiert.

Wieder­holt kämpft diese Präsenz auf der Leinwand gegen ihre eigene Unwirk­lich­keit und ihren Charakter, nicht mehr als die Illusion eines Phan­tom­schmerzes, die Illusion einer Gefahr sein zu können. Das geschieht im Modi­fi­zieren des Körpers mittels offen­sicht­lich erkenn­barer, digitaler Trick­technik. Das zeigt sich hin und wieder aber auch in inter­es­santen Spie­gel­ef­fekten. Im Hinter­grund läuft der ikonische Haus­fas­sa­den­sturz mit Buster Keaton aus Steamboat Bill, Jr. im TV, im Vorder­grund wird brutal eine Gegnerin erledigt.

Schließ­lich rückt auch das in den Vorder­grund: der Slapstick, der tragi­ko­mi­sche Stunt-Körper zwischen Kontrolle und Ohnmacht. Dieses Kampffeld sagt immer mehr als jedes bedeu­tungs­schwere Geraune über Schicksal, Fügung und Willens­frei­heit, das der Film irgend­wann seinen Figuren abringt. Ballerina taucht seine ultrab­ru­tale Action in eine gewisse Absur­dität, spätes­tens dann, wenn man sich ewig lang gegen­seitig Teller auf dem Schädel zerschlägt, wenn sonst keine Waffe mehr übrig bleibt. Eine solche Ironi­sie­rung konnte man schon früher in den John Wick-Filmen erleben, etwa bei dem kaum enden wollenden Trep­pen­auf­stieg zum Duell im Finale des vierten Teils. Nur, wo bleibt der neue Blick­winkel auf solche Spiele und Ideen? Einem Spin-Off hätte sich doch gerade die Option eines Ausbruchs oder einer Neube­trach­tung geboten…