Die Apothekerin

Deutschland 1997 · 108 min. · FSK: ab 12
Regie: Rainer Kaufmann
Drehbuch: ,
Kamera: Klaus Eichhammer
Darsteller: Katja Riemann, Jürgen Vogel, Richy Müller, Isabella Parkinson u.a.

Das deutsche Kino der 90er wird langsam erwachsen. Eine erfreu­liche Aussicht.
Mit dem Film Die Apothe­kerin hat Regisseur Rainer Kaufmann einen Schritt in diese Richtung unter­nommen.
Nach der Lite­ra­tur­vor­lage »Die Apothe­kerin« von Ingrid Noll entstand in Zusam­men­ar­beit mit den Dreh­buch­au­toren Kathrin Richter und Ralf Hertwig das Drehbuch.

Hella Moormann (Katja Riemann) ist Apothe­kerin. Sie begegnet Levin (Jürgen Vogel), einem skru­pel­freien, char­manten Zahn­me­di­zin­stu­denten, mit einem sehr reichen Großvater (Joachim Toma­schesky), der nicht mehr lange leben wird. Beim Notar erfahren sie, daß der Großvater Hella den Großteil seines Vermögens hinter­lassen hat, unter der Bedingung, daß Hella und Levin heiraten. Sie werden nicht alleine leben, denn die blutjunge und hübsche Haus­häl­terin Margot (Isabella Parkinson) und der Knast­bruder Dieter (Richy Müller) vervoll­s­tän­digen das Quartett. Diese Figuren und andere Menschen treten in das Leben von Hella und werden, wenn sie Pech haben, womöglich sterben. Ganz zufällig.

Kame­ra­mann Klaus Eich­hammer bleibt immer nahe an seinen Figuren dran. Er unter­s­tützt und gibt den Szenen einen Rahmen. Herbst und Winter, die Jahres­zeiten in denen der Film spielt, sind atmo­s­phä­risch spürbar und Bestand­teil der drama­tur­gi­schen Bild­ge­stal­tung.
Nur manchmal könnte man sich wünschen, daß er der Weite der Land­schaft etwas mehr Raum gelassen hätte. Nicht weil sie dann deko­ra­tiver wirkte, sondern weil die Erfassung von Raum der dichten Drama­turgie mehr Luft geschenkt hätte. Und dazu eine Verbin­dung zur Örtlich­keit gestaltet hätte: einer mittel­großen Stadt wie Heidel­berg und Umland, aus der sich diese Charak­tere entwi­ckelt haben.

Obwohl so viele Menschen in Die Apothe­kerin ihr Leben lassen müssen ist die vorran­gige Qualität des Films sein Humor. Katja Riemann, als Hella, hat nichts von einer eiskalten Mörderin. Die mörde­ri­schen Vorkomm­nisse, die sie provo­ziert entspringen einer Natur, die im Mauer­blüm­chen­kostüm voller Leiden­schaft ist. Wie Rainer Kaufmann schon sagt:
»Die Apothe­kerin ist eben kein Genre-Film, den man einfach als Melodrama, Komödie oder Krimi bezeichnen könnte. Der Film hat von allem etwas.«
Und er macht Spaß. Besonders mit Jürgen Vogel, der einen guten Sinn für Timing und Komik beweist, ohne in Klamauk zu verfallen. Besonders mit Richy Müller, der mit sparsamen Mittel eine inter­es­sante Figur geschaffen hat. Und besonders mit Katja Riemann, als Haupt­figur und mörde­ri­scher Apothe­kerin. Hier mischen sich die Genres und es geht nichts verloren.
Ein netter Film, der gutes Kino liefert, ohne zu sehr offen­sicht­li­ches Opfer kommer­zi­eller Inter­essen und Ziel­gruppen zu sein.

Ein scheinbar todsi­cheres Rezept: Erfolg­rei­cher Jung­re­gis­seur verfilmt Best­seller mit drei neuen deutschen Stars. Der deutsche Film­auf­schwung soll wohl nicht so schnell abreißen, deshalb sichern sich die meisten Produ­zenten gleich mehrfach ab mit verkauf­sträch­tigen Namen. Mit dem Buch »Die Apothe­kerin« hat man sich diesmal aller­dings sarkas­ti­scheres Material zugelegt, als zum Beispiel Sönke Wortmann mit Hera Linds belang­losem »Superweib«. Die Autorin Ingrid Noll zeigt in ihren Romanen einen nicht unchar­manten Hang zum Abgrün­digen. Ihre Heldinnen sind meist ganz durch­schnitt­liche Damen, die sich aus Überdruß oder Lust an der Abwechs­lung lästiger Mitmen­schen entle­digen. Eine Gele­gen­heit also für die haus­ba­ckene Katja Riemann, Galli­ons­figur des neuen deutschen Unter­hal­tungs­films, ihr Rollen­spek­trum ein bißchen zu erweitern.

Frau Riemann spielt die allein­ste­hende Apothe­kerin Hella Moormann, eine nur anschei­nend biedere junge Dame, die den leicht­le­bigen Levin (Jürgen Vogel) kennen­lernt. Levin hofft, demnächst seinen stin­k­rei­chen Großvater beerben zu dürfen, auch wenn er zu dessen Ableben ein wenig nach­helfen muß. Der Großvater aber ändert kurz vor seinem Tod noch sein Testament; Haupterbin wird Hella, die fortan mit ihrem Gatten Levin, dessen Freund Dieter (Richy Müller), einem Exsträfling, und der faulen, aber hübschen Haus­häl­terin Margot in des Großva­ters Villa lebt. Hella nimmt bald ihr Leben auf recht eigen­tüm­liche Weise in die Hand, indem sie zunächst Margot aus Eifer­sucht aus dem Fenster stößt, sich schwän­gern läßt, sei’s von Levin, sei’s von Dieter, und als diese sich um die Vater­schaft streiten, alle beide aus ihrem Dasein schmeißt, schließ­lich sogar im eigenen Haus verbrennen läßt. Hella mordet ohne jegliche mora­li­sche Bedenken, kein Gewis­sensbiß scheint sie zu zwacken und am Ende kommt sie auch noch damit durch. Ein Ersatz­mann (August Zirner) steht schon bereit – ihr Traum von Mann, Kindern und Haus kann also nun ungestört in Erfüllung gehen. Und daß sie dafür morden mußte, tut dem Klein­bür­ger­glück keinen Abbruch.

Die Apothe­kerin Hella erscheint äußerlich als die Vernünf­tigste der Figuren, nur der Zuschauer weiß von ihren bizarren Phan­ta­sien, die nahe­lie­gen­der­weise mit allerhand Giften zu tun haben. Sie ist die rück­sichts­lo­seste, fieseste Gestalt, auch wenn Levin, Dieter und Margot als die vermeint­lich Schlim­meren daher­kommen. Richy Müller ist der schweig­same, aber unbe­re­chen­bare Krimi­nelle, Jürgen Vogel der unsen­sible, egois­ti­sche Luftikus, nur August Zirner ist ein fader Bieder­mann. Die Besetzung der Haupt­rolle mit Katja Riemann ist ja an sich keine schlechte Idee, gerade weil sich mit ihrer Durch­schnitts­vi­sage tausende von Strick­zei­tungs­le­se­rinnen iden­ti­fi­zieren können; der Schock­ef­fekt hätte ganz reizend sein können. Dennoch wollen sich die wahren Abgründe einfach nicht auftun, der Apothe­kerin fehlt der Clou. Rainer Kaufmann hat sich nicht auf den trockenen schwarzen Humor der Roman­vor­lage verlassen, sondern versucht, die Morde der Klein­bür­gerin mit unnötiger Melo­dra­matik, vor allem mithilfe der Musik, aufzu­peppen; nach einer aufwen­digen Feuers­brunst und einem läppi­schen, kurzen Triumph Hellas endet der Film abrupt und man glaubt zu spüren, daß sich Kaufmann mehr für das hoch­karä­tige Projekt und nicht für die Geschichte inter­es­siert hat. Die freche Direkt­heit von Ingrid Noll ist so trotz oder wegen einer profes­sio­nel­leren, eindruck­schin­denen Machart völlig vertriet­schelt worden.