Apocalypse Now Redux

USA 2001 · 202 min. · FSK: ab 16
Regie: Francis Ford Coppola
Drehbuch: ,
Kamera: Vittorio Storaro
Darsteller: Marlon Brando, Robert Duvall, Martin Sheen, Frederic Forrest u.a.
Aurore Clément und Martin Sheen

Zurück im Herz der Finsternis

Francis Ford Coppolas Apoca­lypse Now gehört zu den alles in allem seltenen Filmen, die nicht nur fester Bestand­teil im kultu­rellen Kanon der Gegenwart geworden sind, sondern die Eingang ins kollek­tive Bewusst­sein gefunden haben. Die Hubschrauber, die zu Richard Wagner »Walkü­ren­ritt« Angriffe fliegen, die im Bomben­hagel surfenden GI’s am Strand, das Gesicht Marlon Brandos im Dunkeln – jeder hat diese Bilder so oder so, in Auschnitten, Zitaten, Fotos, Erzäh­lungen schon einmal erlebt.

Coppolas Film ist mehr als ein Film über den Viet­nam­krieg, als eine höchst eigen­wil­lige Bear­bei­tung von Joseph Conrads »Heart of Darkness«, als ein schwarzer Bildungs­roman über Selbst­fin­dung und Selbst­ver­lust, Einsam­keit, Zivi­li­sa­tion und Barbarei, die Abgründe des Menschen – er ist ein über die Zeitläufe hinweg gültiger Klassiker, eines der großen Werke der Kino­ge­schichte.

Noch deut­li­cher wird dies durch die Neufas­sung des Films, die jetzt in die Kinos kommt. Eigent­lich ist dieser Ausdruck falsch, denn Apoca­lypse Now Redux (»das Zurück­ge­brachte«) ist weitaus näher an dem, was Coppola schon 1979 gerne in die Kinos gebracht hätte. Die damals gezeigte »Kurz­fas­sung« (Coppola) war ein Zuge­ständnis an einen vermeint­li­chen Publi­kums­ge­schmack. Nach den chao­ti­schen Dreh­ar­beiten – zuerst Austausch des Haupt­dar­stel­lers Harvey Keitel durch Martin Sheen, dann dessen Herz­in­fakt aus Über­an­stren­gung, ein Taifun, der sämtliche Bauten wegspülte – und den dadurch verdop­pelten Kosten war der Kassen­er­folg für Coppola eine mate­ri­elle Über­le­bens­frage.
Das Wagnis gelang, nicht zuletzt, weil bereits diese erste Fassung, mit der Coppola in Cannes die Goldene Palme gewann, zu den künst­le­risch besten Filmen des Jahr­zehnts gehörte. Gleich­wohl musste viel gestri­chen werden, so dass es sich bei der nun veröf­fent­lichten, um eine knappe Stunde des damaligen Materials längeren Zweit­fas­sung faktisch um einen neuen Film handelt. Drei Episoden sind voll­s­tändig neu, anderes wurde erweitert, umge­schnitten, in Farbe und Ton auf den neuesten Stand gebracht.

Das Ergebnis ist noch besser, als der 1979er-Film. Es ist nicht wirklich über­ra­schend, wird aber nun weitaus deut­li­cher, dass Apoca­lypse Now gar nicht in erster Linie ein Kriegs­film ist, jeden­falls nicht das, was man darunter norma­ler­weise versteht. Die Grund­struktur der Geschichte ist die zwar gleich geblieben: Captain Willard (Sheen) erhält 1969 von der CIA den Auftrag, den hoch­de­ko­rierten Oberst Kurtz (Brando) zu finden und zu liqui­dieren. Kurtz führt im kambo­dscha­ni­schen Dschungel einen Privat­krieg, herrscht als gott­glei­cher Despot über die Einge­bo­renen.
Doch stärker als in der Erst­fas­sung tritt nun die Reise Willards per Boot in den Dschungel gegenüber dem Krieg in den Vorder­grund. Die völlig neuen Episoden sind weitere Stationen seiner Reise in den Wahnsinn, und im Zusam­men­hang der Geschichte alles andere als beliebig: Am besten ist das Zusam­men­treffen der Ameri­kaner mit fran­zö­si­schen Plan­ta­gen­be­sit­zern, die im Dschungel eine Art privates Kolo­ni­al­reich aufrecht­er­halten: Die Begegnung der alten und der vorüber­ge­henden Herren, ein beklem­mendes Dinner mit Silber­be­steck und fran­zö­si­schem Smalltalk im Dschungel gehört nun zu den aller­besten Momenten des Films überhaupt – seiner­zeit fiel es wohl auch aus poli­ti­schen Gründen – wegen der Kritik an der US-Politik in den Dialogen – weg.

Auch deshalb ist der Zeitpunkt der Neue­di­tion ein Glücks­fall: Apoca­lypse Now, dem von der Kritik glei­cher­maßen Kriegs­ver­herr­li­chung wie über­trie­bene bzw. falsch angelegte Kriegs­kritik vorge­worfen wurden (und für beide Vorwürfe gibt es Gründe), verein­facht nie. Gerade dadurch ist diese tiefen­psy­cho­lo­gi­sche, bril­li­ante Reflexion über den Charakter unserer Zivi­li­sa­tion der richtige Film zur richtigen Zeit.