| USA 2025 · 100 min. · FSK: ab 12 Regie: Tom Gormican Drehbuch: Tom Gormican, Kevin Etten Kamera: Nigel Bluck Darsteller: Jack Black, Paul Rudd, Steve Zahn, Thandiwe Newton, Daniela Melchior u.a. |
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| Echtes Leben oder nur ein Film? | ||
| (Foto: Sony) | ||
Man muss sich das vielleicht noch einmal in Erinnerung rufen: Anaconda von 1997 war alles andere als ein Erfolg. Ein Film, der eher als unfreiwillige Parodie denn als ernstzunehmender Abenteuerthriller wahrgenommen wurde, nominiert für gleich sechs Golden Raspberry Awards, ausgezeichnet mit zwei Stinkers Bad Movie Awards – und damit zunächst scheinbar sauber abgeheftet unter dem Label des gescheiterten Hollywoodprodukts. Und doch ist genau aus dieser Mischung aus handwerklicher Fragwürdigkeit, grotesker Ernsthaftigkeit und starbesetztem Irrsinn im Laufe der Jahre ein Kultklassiker entstanden. Ein Film, der nicht gut war, aber dann doch erinnerungswürdig. Und genau auf dieser paradoxen Aura setzt nun das Meta-Reboot von Tom Gormican auf: nicht auf Nostalgie allein, sondern auf die ironische Selbstbefragung eines Films, der weiß, dass er einst scheiterte – und gerade deshalb überlebt hat.
Gormican und Co-Autor Kevin Etten erzählen ihre Geschichte konsequent als Film-im-Film: Doug und Griff, ein Hochzeitsvideograf und ein Nebendarsteller, beide irgendwo zwischen verpassten Chancen und der Sehnsucht nach einer verlorenen Jugend, reisen mit den alten Freunden, die einst den gleichen Traum wie sie geträumt haben, in den Amazonas, um ein Amateur-Remake von Anaconda zu drehen. Was als liebevoll-naive Rückschau beginnt, kippt, als plötzlich eine echte Riesenschlange auftaucht. Aus Spiel wird Ernst, aus ironischer Distanz nacktes Überleben. Die Pointe ist ebenso simpel wie wirkungsvoll: Die Realität ist grotesker als jedes B-Movie-Drehbuch – und natürlich gefährlicher.
Damit reiht sich Anaconda erstaunlich souverän in jene jüngere Hollywood-Tradition ein, die sich selbst beim Arbeiten zusieht. Ähnlich wie The Fall Guy von David Leitch vor einem Jahr gelingt es auch Gormican, eine echte Innenschau des Filmemachens mit Unterhaltung zu verbinden. Goslings Stuntman-Film war Liebeserklärung und Selbstironie zugleich, eine Reflexion über Prekarität, Illusion und das permanente Improvisieren am Set. Gormicans Anaconda schlägt in dieselbe Kerbe, allerdings weniger glamourös, bewusst schmutziger, näher am Abgrund des Scheiterns. Wo The Fall Guy noch das große Studio-System umarmt, stolpert Anaconda durch dessen Ruinen.
Das liegt nicht zuletzt an der klug gecasteten Besetzung. Paul Rudd als Griff verleiht der Figur jene melancholische Sanftheit, die zwischen Selbstironie und leiser Resignation oszilliert. Jack Black als Doug darf einmal mehr sein Talent für kontrolliertes Chaos ausspielen, ohne in die bloße Klamotte abzugleiten. Steve Zahn und Thandiwe Newton fungieren als emotionale Erdungspunkte, während Daniela Melchior und Selton Mello das Spiel mit Genre und Erwartung weiter verschieben. Die Cameos von Ice Cube und Jennifer Lopez schließlich sind weniger Gag als augenzwinkernde Rückversicherung: Ja, wir wissen, woher wir kommen.
Besonders stark ist der Film dort, wo er seine Meta-Ebene nicht erklärt, sondern ausstellt. Seitenhiebe auf unfertige Drehbücher, improvisierte Drehtage, das permanente Umschreiben während des laufenden Betriebs – all das wirkt nicht wie Insiderwitz, sondern wie präzise Beobachtung einer Industrie, die längst gelernt hat, mit dem Unfertigen zu leben. Die haarsträubenden Plotwendungen, die bewussten Anleihen an das B-Movie-Kino, sind dabei keine Schwäche, sondern Methode. Sie sind so grotesk wie das Filmemachen selbst, so überdreht wie ein System, das sich permanent neu erfindet, weil ihm nichts anderes mehr einfällt.
Und natürlich ist Anaconda auch eine kaum verhohlene Kritik an der inflationären Flut von Reboots und Fortsetzungen. Hier wird sehr genau gefragt, was eigentlich noch tödlich ist – die Riesenschlange oder das ewige Recycling. Was im Film lebensgefährlich wird, ist in der Realität der Branche längst Normalzustand. Gormicans Meta-Reboot macht daraus kein Thesenpapier, sondern ein unterhaltsames, selbstironisches und überraschend kluges Genre-Spiel. Vielleicht ist das die eigentliche Pointe: Dass ausgerechnet ein Film, der auf einem einstigen Desaster aufbaut, so präzise zeigen kann, wie viel Leben noch im Kino steckt, wenn es den Mut hat, über sich selbst zu lachen.