USA 2001 · 146 min. · FSK: ab 12 Regie: Steven Spielberg Drehbuch: Steven Spielberg, Ian Watson Kamera: Janusz Kaminski Darsteller: Haley Joel Osment, Jude Law, Frances O´Connor, Sam Robards u.a. |
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Schöne? neue Welt |
Kinder sind die liebenswertesten Wesen. Unschuld strahlen sie aus, Hoffnung, geben eine Ahnung vom vielleicht wirklich Guten im Menschen. Doch zugleich verstehen wir sie nicht. Ein Geheimnis umgibt sie, die Tatsache, dass sie auch in einer ganz eigenen Welt leben, zu der wir Erwachsenen keinen Zugang haben, die ihre dunklen und grausamen Seiten hat, gute Engel und böse Gespenster.
Diese Welt und ihre Wahrnehmung durch das Kind sind das Thema von A.I. – Artificial Intelligence, dem neuen Film von Steven Spielberg. Entstanden nach einer Idee des genialen Stanley Kubrick, der Spielberg die Rechte auf die Verfilmung der Kurzgeschichte von Brian Aldiss übertrug. Der Film ist vieles auf einmal: Science-Fiction-Vision, Horror, philosophischer Essay und Gefühlsdrama; vor allem aber ein großes Märchen darüber, was es heißt, ein Kind zu sein.
Science-Fiction: Am Anfang steht das Wasser, das Element, aus dem alles Leben kam. In großen Wellen hat es Teile der Erde unter sich begraben, und ein Erzähler berichtet, dass Amsterdam, Venedig, New York überspült sind, dass die neue Welt der Zukunft feucht ist und leer. Denn die Menschen können sich nicht mehr ernähren, und statt ihrer haben künstliche Sklaven die Arbeit übernommen. Diese sind Spezialisten. So gibt es Roboter, die für Sex zuständig sind, wie auch solche, die Eltern ihr totes Kind ersetzen. Tatsächlich, dies ist eine der eindringlichsten Botschaften des Films, benötigen auch die Maschinenmenschen letztlich nichts anderes als Liebe; ihre menschlichen Schöpfer wollen von ihnen geliebt werden und sie wieder lieben können.
Bei der Frage, ob man eine Maschine lieben kann, beginnt der Horrorfilm. Denn der zwölfjährige David (großartig gespielt von Haley Joel Osment) ist ein perfektes Kind. Doch statt eines Herzens hat er 1000 Meilen Fieberglas in sich und ist darauf programmiert, seine humane »Mutter« Monica zu lieben. Doch genau die Perfektion dieses Kindes, dass kein Risiko eingehen und keinen Schmerz empfinden kann, gerade seine ausgleichend positive Art verhindern umgekehrt die echte Gegenliebe. In der Vollkommenheit lauert der größte Schrecken. Zugleich erzählt Spielberg noch eine zweite Geschichte: Denn David beobachtet exakt, erobert sich die Welt ganz durch Wahrnehmung – eine kleine Theorie des Bewusstseins. Dazu gehört, dass er zunehmend Gefühle entwickelt, sich von seinem Maschinen-Sein emanzipiert und unter dem zu leiden beginnt, was er ist. So wird allmählich diese Maschine zum besseren Menschen. Das Motiv kennt man aus Frankenstein, Pinocchio oder dem von Winona Ryder verkörperten Androiden aus Alien IV – in Zeiten, da manche solcher Visionen biotechnologische Wirklichkeit werden könnte.
Im zweiten Teil unternimmt Spielberg mit seiner Figur eine Reise durch Raum und Zeit. Mal ist sie komisch, mal tragisch. Hier ist A.I. – Artificial Intelligence am nächsten bei Stanley Kubrick, und die Leinwand ist voller Reverenzen an den Meister, voller kleiner, unaufdringlicher Erinnerungen an 2001 – A Space Odyssey und Shining, an Clockwork Orange und Eyes Wide Shut. Letztlich bleibt er aber, in seiner visuellen und emotionalen Stärke, auch in seiner Gefühlsseligkeit, im allzu deutlichen Ausreizen vieler Situationen, ganz ein Film von Spielberg.
Und der bleibt völlig bei seiner Hauptfigur: Große Darsteller wie Jude Law und William Hurt bilden die Staffage für das Drama eines kleinen Kindes, das entdeckt, dass es eine Maschine ist, und doch so gern ein Kind wäre. Ein moderner Mythos, voller Archetypen, zugleich eine Geschichte aus Kinderperspektive oder aus der, die ein Erwachsener für eine kindliche hält. Und darum endet A.I. – Artificial Intelligence, der zwar kein Meisterwerk, aber ein – zumindest für Spielberg-Skeptiker überraschend – guter Film ist, mit einem Traum, den wohl wie Spielberg schon jeder kleiner Junge einmal geträumt hat: den Traum, die Welt allein mit der Mutter für sich zu haben. Es war einmal...