GB/USA 1997 · 105 min. · FSK: ab 12 Regie: Anne Goursaud Kamera: Robert Alazraki Darsteller: Angie Everhart, Mickey Rourke, Agathe de la Fontaine, Steven Berkoff u.a. |
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Ein Fall von Mea culpa also? |
Zum Einstand das Outing: ja, ich bin bekennender Mickey Rourke Fan. Jemand der Filme wie Johnny Handsome, The Year of the Dragon, Angel Heart oder Rumble Fish gemacht hat, kann nicht ganz schlecht sein. Meister ihres Fachs wie Walter Hill, Michael Cimino oder Alan Parker können nicht irren und Francis Ford Coppola hat immer Recht!
Eine derartige Filmographie resultiert in der grundsätzlichen Bereitschaft, sich 9½ Wochen in Paris anzutun, auch wenn an der Kinokasse die Stimme zunächst noch verschämt abgesenkt wird. Dann allerdings harrt die emanzipierte Zuschauerin in voyeuristischer Vorfreude dem avisierten männlichen Körper.
Vorfreude soll ja bekanntlich die schönste Freude sein, eine Binsenweisheit, die sich mit der ersten Großaufnahme des ins Auge gefaßten Objekts auf bitterste Weise bestätigen sollte. Das also ist aus Mickey Rourke geworden, aus dem einst so ansehnlich-appetitlichen Körper, dem hypnotisierenden Lächeln?
Zeitweise ist man versucht zu glauben, sich in den falschen Film verirrt zu haben: Creature of the Black Lagoon möglicherweise. Mickey Rourke 1997
besticht durch schlecht gefärbte Haare oder ein minderwertiges Toupet oder auch ein schlecht gefärbtes, minderwertiges Toupet. Besonders penetrant ins Auge fallen die Silikoneinlagen mitten im Gesicht. Hier erscheint Mickey endgültig als gelebtes Beispiel für Männer, die endlich das bis dato weibliche Vorrecht auf (schönheits-?)chirurgische Verunstaltung für sich reklamieren.
Wenn die Kostümbildner den so gearteten Klon dann gar einkleiden, als habe man sich direkt aus dem
Fundus zu Loriots bekanntem Sketch vom Anzugkauf bedient, und das Ganze abgerundet wird durch einen hoffnungslos aus der Form geratenen Hut, hat der Cineast ein deja-vu Erlebnis. Da werden Erinnerungen wach an Bilder des gealterten O.W. Fischer, der durch seinen Garten am Lago Maggiore tappt.
Fazit: die Lust am Objekt des Blickes bleibt im wahrsten Sinne des Wortes unbefriedigt. Nun lassen enttäuschte Erwartungen noch keinen Rückschluß auf die Qualität eines Films zu. Ein Fall von Mea culpa also?
Adrian Lynes 9½ Wochen kann sicher nicht als Meilenstein der Filmgeschichte angesehen werden. Dennoch handelte es sich hier um einen in sich geschlossenen, konzisen Film mit durchaus stringenter Charakterzeichnung. Liebe als Spiel, Spiel in der Liebe, Liebesspiel. Lynes Ästhetik verweist nur auf sich selbst, unternimmt konsequent keinerlei Anstrengung sinngebend zu wirken, oder die neunzig Filmminuten bedeutungsstiftend zu transzendieren. Spiel ist banal, ist sinn-los, sprich nicht über den eigenen Rahmen weisend, ist Repetition einmal gesetzter Regeln und Muster. Das rien ne va plus gilt immer nur temporär, bevor die Kugel erneut in Bewegung gesetzt wird.
Regisseurin Anne Goursaud mißtraut diesem scheinbar allzu seichten Konzept und macht aus dem Mann ohne Vergangenheit John Gray (Mickey Rourke) einen Hamlet, aus Paris ein Elsinor der verhängnisvollen Affären. Das Ergebnis präsentiert sich in differenzierter Charakterpsychologie (Zitat: »Komm schon, John, wir wissen beide, daß du es willst!«) und fundamentalphilosophischen Erkenntnissen, die Kant oder Hegel alt aussehen lassen (Zitat: »Exzentrik ist die letzte Zuflucht
derer, die sich langweilen«).
Als Ambiente dient zum Beispiel ein arabischer Nachtclub inklusive Bauchtänzerin, denn schließlich wissen wir, daß im Orient alles schwüler, verruchter und lasziver ist, und das weiter südlich überhaupt besser gefickt wird. Aufgeladen wird die Mixtur mittels bedeutungsschwangerer Symbolik, als da wäre das zusammenbrechende Pferd just unter dem Fenster hinter dem sich der weidwunde John Gray gerade eine Kugel in den Kopf jagen will. Das ist wahrlich
eine Frage von Sein oder nicht Sein, wer braucht da noch Kenneth Branaghs Hamlet?
Viele Filme gesehen hat die Regisseurin, wohl auch den einen oder anderen Coppola, schließlich durfte sie ja in Bram Stoker´s Dracula für den Schnitt verantwortlich zeichnen. Intelligente Regisseure halten nicht einfach die Kamera drauf, sondern machen sich Gedanken zur ästhetischen Umsetzung. Das ist Anne Goursaud nicht entgangen, und deswegen gibt es viele Einstellungen, die die Protagonisten in Spiegelbildern einfangen. Weil Goursaud diesen Kunstgriff selber gar so intellektuell, gelungen und bedeutsam findet, ist er nicht ein-, nicht zwei-, auch nicht dreimal, sondern gleich im Dutzend billiger vertreten.
Ein gutes Haar sei dem Film dann dennoch gelassen: in 9½ Wochen in Paris darf endlich mal wieder geraucht werden was die Lungenflügel des Helden hergeben. Das freut das Raucherherz und dürfte wohl die amerikanische Fraktion der militanten Nichtraucher verbittert haben. Ob man hier allerdings eine potentielle Zuschauergruppe verprellt hat, bleibt zu bezweifeln.
Abschließend plädiere ich für Umbennenung des Films in Denn sie wissen nicht, was sie tun. Auch möchte ich vor allem den artechock LeserINNEN eine wichtige Einsicht nicht vorenthalten, die uns unverblümt nahegelegt wird: wer vergewaltigt wird, ist selbst schuld. Denn schließlich: entweder hat es dann doch Spaß gemacht, oder frau hätte verdammt nochmal wissen müssen, daß Spielchen nicht immer so harmlos bleiben, wie sie beginnen. Na also.